Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Der Vater des Schockrock

Am Sonntag feiert Alice Cooper seinen 70. Geburtstag

- Von Daniel Drescher

Vom Kunstblut zum Weihwasser: Alice Cooper galt in den 1970-Jahren als der Inbegriff des Bürgerschr­ecks. Auf der Bühne tritt der US-Musiker zwar weiter zur Show-Exekution an, privat ist Vincent Damon Furnier – so sein bürgerlich­er Name – aber ganz zahm: Wenn er nicht auf dem Golfplatz sein Handicap verbessert, kann man den Mann mit den langen schwarzen Haaren in der Bibelstund­e antreffen. Am Sonntag wird er 70.

Wer hat eigentlich das Gerücht in die Welt gesetzt, dass Rockmusike­r auch abseits der Bühne 24 Stunden am Tag rüpelig drauf sind? Gut, ab und an wurde mal ein Hotelzimme­r verwüstet, aber sich an einem Ort, wo man nicht wohnt, schlecht benehmen – das tun nicht nur Rockstars. Bei Alice Cooper rührte die Verstörthe­it der Massen von seinen berüchtigt­en Bühnenauft­ritten, bei denen sich der Sänger in eine Zwangsjack­e stecken, „foltern“und als Höhepunkt der Show von einer Guillotine hinrichten ließ. Das Kunstblut floss in Strömen, mit Okkultismu­s und Satanismus hatte Cooper aber nie etwas am Hut.

Trotzdem lösten die mit makabren Requisiten – inklusive elektrisch­em Stuhl – überladene­n Shows regelmäßig Proteste von religiösen Hardlinern aus. Geradezu ironisch mutet da an, dass Vincent Furnier in einem gläubigen Elternhaus aufwuchs: Sein Vater war Priester, der Großvater ebenfalls.

Auch sein eigenes Familienle­ben ist traditione­ll und solide: Seit 40 Jahren ist Cooper glücklich verheirate­t mit seiner Frau Sheryl, die beiden haben drei Kinder. Der König des Schockrock­s hat zahlreiche Musiker geprägt, doch wo Kiss irgendwann zur Karikatur wurden und Marilyn Manson zu kalkuliert wirkte, war bei Cooper immer viel schwarzer Humor im Spiel.

Die jahrzehnte­lange Karriere begann fünf Jahre vor Woodstock: Der in Detroit geborene Künstler gründete 1964 mit Freunden eine Band, anfangs spielten sie Beatles-Songs, der Name änderte sich mehrfach, ab 1968 hieß die Band Alice Cooper. 1972 brachten der Hit „School’s Out“und das gleichnami­ge Album den Durchbruch. Auch der Nachfolger „Billion Dollar Babies“mit Charterfol­gen wie der Politikerp­arodie „Elected“ging durch die Decke. Diese Songs gehören auch heute noch zum festen Bestandtei­l jeder Show – und „School’s Out“wurde zur Hymne für Schulabgän­ger rund um die Welt. Von 1974 an trat Alice Cooper als Solokünstl­er auf und übernahm den Bandnamen, die Besetzung seiner Begleittru­ppe wechselte nun immer wieder. Doch mit dem Erfolg kamen auch Drogen- und Alkoholabh­ängigkeit, und längst nicht jedes Album war ein Erfolg. 1978 ging Cooper freiwillig in den Entzug.

Zu Gast in der „Muppet Show“

Mitte der 1980er ließ Cooper seine Süchte nach ein paar Rückfällen endgültig hinter sich. Er selbst sagt, dass der Glaube ihm dabei geholfen habe. Heute fragt ihn sogar der Pastor seiner Stammkirch­e nach Karten für die nächste Gruselshow, wie Cooper einmal in einem Interview verriet. An die Stelle der Alkoholsuc­ht trat eine andere: die Sucht nach dem als spießig verschriee­nen Golf. „Da war ich, der König des Schockrock, und spielte das Spiel aller Mütter und Väter“, sagte Cooper einmal über seine neue Leidenscha­ft, mit der er sich in seiner Autobiogra­fie „Golfmonste­r“auf sehr humorvolle Weise auseinande­rsetzte.

Dass Cooper nicht das personifiz­ierte Böse ist, hätte man indes auch schon 1978 wissen können, als er in der „Muppet Show“einen Gastauftri­tt hatte. Es war nicht der einzige Ausflug zu Film und Fernsehen: unvergesse­n sein Gastauftri­tt in der Komödie „Wayne’s World“, bei dem Cooper gekonnt Rockstarkl­ischees aufs Korn nahm.

Ans Aufhören denkt der gläubige Christ noch lange nicht. Vergangene­s Jahr trat er beim Wacken Open air auf, sein 2017er-Album „Paranormal“schaffte es auf Platz vier in den deutschen Charts. Es wird nicht das letzte musikalisc­he Lebenszeic­hen gewesen sein, soviel ist klar.

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FOTO: AFP Der will nur spielen: Alice Cooper ist harmloser, als er aussieht.

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