Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Der Eisschwimmer aus Haidgau
Ulrich Munz schwimmt „Icemile“in Sonthofen über 1600 Meter im eiskalten Wasser
HAIDGAU/BAD WALDSEE - Eisschwimmen ist nichts für Warmduscher. Es nötigt dem Zuschauer Respekt ab, wenn Ulrich (Uli) Munz aus Haidgau den eiskalten Waldseer Stadtsee ohne Neoprenanzug auf einer Länge von 1000 Metern durchpflügt und nach 21 Minuten puterrot aus dem fünf Grad kalten Wasser steigt. Seit Wochen trainiert der 55Jährige hier für die „Icemile“an diesem Samstag im Sonthofersee, die als harte Nummer gilt. Davor hat er allerdings auch selbst gehörigen Respekt.
„Schau mal, da schwimmt einer ohne Anzug!“Ungläubig bleiben zwei Spaziergänger am Uferweg stehen und können es nicht so recht glauben, dass einer im Januar durch den Stadtsee krault. Das müssen Auswärtige gewesen sein, denn den Waldseern ist dieses Bild schon aus den vorigen Wintern vertraut: Eisschwimmer Munz, der zu den Mitbegründern der örtlichen Triathlonabteilung „fit4tri“zählt und mehrfacher „Iron-Man-Finisher“ist, trainiert dreimal pro Woche im eiskalten See. Erkennbar ist er schon von Weitem an seiner leuchtend gelben Restube-Boje, die aus Sicherheitsgründen an seiner Hüfte befestigt ist. Warum schwimmt einer im fünf Grad kalten Wasser, wo er doch auch im Hallenbad trainieren könnte?
55-Jähriger träumt von Antarktis
„Klar muss auch ich mich überwinden, in eiskaltes Wasser zu steigen, zumal ich es eigentlich gerne warm mag. Aber es ist diese Grenzerfahrung, die mich immer wieder aufs Neue herausfordert, und das Wissen, so etwas kann in diesem Moment nur ich“, sagt Munz. Bekleidet mit Badehose und Bademütze steigt er beim Freibadsteg hinein in die eisigen Fluten und reißt seine 1000 Meter herunter, die er sich für diesen Abend vorgenommen hat. Seine Frau Brigitte wartet am Ufer mit einem großen Handtuch auf ihn. „Ich bin jedes Mal erleichtert, wenn er wieder zurück ist und alles gut gelaufen ist.“
Eisschwimmen ist eben nicht ganz ungefährlich, und deshalb sollten Ungeübte und Menschen mit Herz-Kreislauf-Problemen davon Abstand nehmen. „Man muss sich da langsam herantasten und darf diesen Sport nicht unterschätzen, sonst kann es lebensgefährlich werden“, weiß Munz und verweist auf sein Luftkissen, das er auf dem See hinter sich herzieht.
„Die Hände werden bei diesen eisigen Wassertemperaturen schnell nicht mehr durchblutet, fühlen sich an wie Holzklötze, weil der Körper sich aufgrund der hohen Belastung auf die wesentlichen Organe konzentriert.
„Als ich das erste Mal bis zu den Knien im eiskalten Wasser stand, dachte ich nur: Die spinnen doch!“Eisschwimmer Uli Munz
Und wenn’s ganz dicke kommt, macht auch der Kopf nicht richtig mit, und es können Halluzinationen auftreten“, zeigt der kräftige Sportler potenzielle Risiken auf, die draußen im See tödlich enden können. „Das Ganze ist aber vor allem eine mentale Sache und inzwischen weiß ich genau, was ich meinem Körper zumuten kann und wann ich die Reißleine ziehen muss!“
Schwimmen hat den gebürtigen Albstadt-Ebinger schon früh fasziniert. Später wurde Triathlon seine sportliche Heimat, bevor er sich beim TSV Bad Saulgau wieder auf den Sport seiner Kindheit konzentrierte. Inzwischen hat’s ihm aber vor allem das „Bibberschwimmen“angetan, weil er damit sein Trainingsniveau auch über die Wintermonate halten kann.
„Als ich das erste Mal bis zu den Knien im eiskalten Wasser stand, dachte ich nur: Die spinnen doch!“Aber dann habe ihn der Ehrgeiz gepackt, er legte seine ersten 100 Meter im eiskalten Wasser zurück und war „sehr stolz“. Am liebsten schwimmt der gelernte Karosseriebauer an einer Eiskante entlang, wenn die Naturseen teilweise schon zugefroren sind. Munz: „Das ist faszinierend für mich, weil sich das Wasser dann ganz anders anfühlt!“
Und sein Trainingsaufwand lohnt sich. Inzwischen stand Munz schon mehrfach bei internationalen Meisterschaften im Eisschwimmen auf dem Siegertreppchen. Im Vorjahr war er WM-Dritter im bayerischen Burghausen im gut zwei Grad kalten Wöhrsee bei Außentemperaturen von minus 15 Grad. Und Deutscher Meister über 500 Meter bei den „3. Ice Swimming German Open“, die ebenfalls dort ausgerichtet wurden. Bei der diesjährigen nationalen Meisterschaft der Eisschwimmer sicherte er sich Anfang Januar in Veitsbronn über 1000 Meter Rang sieben seiner Altersklasse und den sechsten Platz über 500 Meter.
Und heute nun also die „Eismeile“im Allgäu: Nach den Vorgaben der ISSA (International Ice Swimming Association) müssen Munz und sein Eisschwimmer-Freund Hamza Bakircioglu dabei 1600 Meter im Sonthofersee zurücklegen, der mit rund zwei Grad nochmals ein paar Grad frischer ist als der Stadtsee. „Das macht den Kohl nicht mehr fett. Aber ich habe doch sehr, sehr großen Respekt davor, weil dies vor mir erst neun Deutsche geschafft haben“, berichtet Munz. Wenn alles gut geht, hat er noch ein weiteres Ziel vor Augen. „Einmal in der Antarktis schwimmen, das wär’s!“