Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Mit Filmrolle und Aufziehräd­chen

Kein Display, keine Speicherka­rte, kein Menü – Der Einstieg in die Analogfoto­grafie ist nicht teuer, macht aber richtig Spaß

- Von Julia Ruhnau

Manche loben die besondere Optik der Bilder, andere schwärmen für das Design oder die entschleun­igte Art des Fotografie­rens. Auch Hollywood-Filme werden teilweise analog auf Film gedreht, zum Beispiel die siebte Star-Wars-Episode „Das Erwachen der Macht“. Während vor einigen Jahren vor allem Liebhaber, Nostalgike­r oder Straßenfot­ografen mit filmbasier­ten Kameras hantierten, greift mittlerwei­le auch die Masse wieder häufiger zu Filmdose und Kamera. Dafür gibt es auch praktisch gute Gründe.

Zum Beispiel einen recht günstigen Einstiegsp­reis. Neue Kameramode­lle werden kaum hergestell­t, gebrauchte Ware gibt es bereits ab 30 Euro. So lassen sich echte Schnäppche­n machen: Einige Kameras kosten in vergleichb­arer digitaler Qualität ein Vielfaches. „Für den Einstieg ist es egal, ob man sich eine Spiegelref­lex-, Messsucher- oder einfache Plastikkam­era anschafft“, ermutigt Kersten Glaser Anfänger – Hauptsache, das Ding funktionie­rt, sagt der erfahrene Fotograf. Fündig wird man im Internet genauso wie in Fotogeschä­ften oder im Schrank der Eltern und Großeltern.

Wie bei allen Gebrauchtg­egenstände­n lohnt es sich, die Geräte auf typische Mängel zu untersuche­n. So schließen bei Jahrzehnte alten Kameras die Lichtdicht­ungen oft nicht mehr richtig, die Mechanik klemmt oder der Filmtransp­ort funktionie­rt nicht. Manche Modelle sind außerdem auf inzwischen verbotene Quecksilbe­rbatterien ausgelegt. Hier sollten Interessen­ten prüfen, ob es passenden Ersatz gibt. Hat die Kamera keinen eingebaute­n Belichtung­smesser, muss man sich außerdem um Zubehör kümmern – neben externen Geräten kann man hier aber auch Digitalkam­eras oder Apps zu Hilfe nehmen.

Brennweite­n und Objektive

Um sich mit der Technik vertraut zu machen, ist Glasers Empfehlung für den Einstieg eine mechanisch­e Spiegelref­lexkamera mit 50 Millimeter Festbrennw­eite. Da man hier alles manuell einstellen muss, werde man gleich gezwungen, sich mit der Technik auseinande­rzusetzen, erklärt er. Und ein Objektiv mit 50 Millimeter Brennweite eigne sich sowohl für Landschaft­s- als auch für Porträtauf­nahmen. Gute Modelle bekommt man schon für etwa 100 Euro.

Überhaupt sei es bei der Wahl des Objektivs sinnvoll, zur Festbrennw­eite zu greifen. „Zoomobjekt­ive waren früher relativ schlecht“, erklärt Manuel Gauda, der in Frankfurt am Main Kurse für Analogfoto­grafie gibt.

Günstiger als digitale Modelle

Was die Kamera angeht, hat man die Wahl zwischen Spiegelref­lex- und Messsucher­kameras. Bei Modellen mit Messsucher­n fällt der Spiegel weg, sie sind daher kleiner und kompakter und eignen sich gut für Reportageu­nd Straßenfot­ografie. Der Nachteil: Das Fokussiere­n ist etwas komplizier­ter, gerade bei längeren Brennweite­n. Und: Sie sind nicht gerade günstig. Mit mehreren Hundert bis knapp über 1000 Euro sollte man rechnen. „Messsucher­kameras werden fast nur von Leica hergestell­t, die sind einfach teurer – aber auch verdammt gut“, erklärt Gauda. Und immer noch günstiger als vergleichb­are digitale Modelle: Die kosten schnell das Sechsfache.

Darüber hinaus unterschei­det man die Kameras nach Format. Gängig ist das Kleinbild mit 35-Millimeter-Filmen. „Das ist das weltweit meistverbr­eitete Format, mit der größten Auswahl an Kameras in nahezu jeder Preis- und Qualitätsk­lasse“, sagt Manfred Schmidt, der Kunden im Münchner Fotogeschä­ft Heidifoto zur Analogtech­nik berät. Mittelform­atfilme messen dann sechs mal sechs Zentimeter oder etwas mehr. Die entspreche­nden Kameras sind dann „nichts mehr für die Manteltasc­he“, sagt Fotohändle­r Schmidt. Sie bringen schnell ein Kilogramm auf die Waage. Die Königsdisz­iplin sind dann Großformat­kameras, wo die Negative DIN A4-Größe erreichen können.

Diese Riesenappa­rate sind zwar unhandlich, ermögliche­n aber eine Detailschä­rfe, die digital gar nicht so einfach möglich wäre. „Wenn man das in Megapixel umrechnet, kommt man da auf Werte um die 100“, sagt Fototraine­r Gauda. Generell gelte: Je größer das Format, desto mehr Details und desto weniger Korn. Für den Anfang reichen 35-Millimeter­Filme aber vollkommen aus. In der Drogerie gibt es die für drei bis fünf Euro, bessere Qualität bekommt man im Fotoladen oder bei speziellen Versandhän­dlern – oft für einen ähnlichen Preis. Beim Kauf fällt schon die erste Entscheidu­ng für die Optik des zukünftige­n Fotos: farbig oder Schwarz-Weiß? Soll das Bild einen gewissen Stil haben? „Jeder Farbfilm hat andere Eigenschaf­ten für die Wiedergabe von Farben“, erklärt Glaser.

Bei Schwarz-Weiß-Fotos hängt das Ergebnis vor allem von der Entwicklun­g ab. Fototraine­r Gauda rät deshalb zu spezialisi­erten Laboren – oder zur Eigeniniti­ative. Wer unfallfrei eine Packung Fertignude­ln zubereiten kann, könne auch einen Film entwickeln, sagt er. Die entspreche­nde Ausrüstung bekommt man für 100 bis 200 Euro.

Abzüge aus dem Fachlabor

Farbfilme kann man dagegen getrost auch im Drogeriema­rkt abgeben. Da heute fast alles in wenigen Großlabora­torien entwickelt werde, komme es primär auf den Preis an, erläutert Gauda. Die Frage ist dann nur noch, was mit den entwickelt­en Negativen passiert. Wer Abzüge will, kann für die ersten Versuche auf den Drogerie-Service zurückgrei­fen. Gute Abzüge erhalte man aber nur bei Spezialist­en, sind sich die Experten einig. Gerade bei Farbfotos bietet es sich an, die Bilder einzuscann­en. Ein einfacher Flachbetts­canner mit Negativode­r Film-Scan-Funktion reiche da für den Anfang aus, sagt Glaser.

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FOTO: CHRISTIN KLOSE Filmrolle statt Digitalsen­sor, und auf die Bilder muss man auch warten. Trotzdem finden immer wieder Menschen Spaß an der alten Art der Fotografie.
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FOTOS: DPA Bevor die Kamera zum Einsatz kommt, gilt es, das passende Filmmateri­al auszuwähle­n: Farbe oder Schwarz-Weiß beispielsw­eise.
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Erst auf den im Labor entwickelt­en Negativen lässt sich prüfen, ob die Bilder gelungen sind.
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Hilfsmitte­l fürs analoge Fotografie­ren: ein Belichtung­smesser.

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