Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Simple Minds wandern zwischen den Welten

Seit ein paar Jahren ist die schottisch­e Band wieder gut im Geschäft

- Von Philip Dethlefs

In einem Interview verriet Sänger Jim Kerr kürzlich, was für seine Band Simple Minds eine der größten Herausford­erungen ist, wenn sie ein neues Album aufnimmt. „Die Fans wollen, dass es klassisch klingt, also wie früher“, erklärte der Sänger mit herrlich schottisch­em Einschlag dem US-Radiosende­r WFPK. „Aber wir sollen auch zeitgenöss­isch klingen, also modern, nach Zukunft.“Diese musikalisc­he Gratwander­ung „zwischen den Welten“inspiriert­e die Simple Minds zum Titel ihres 18. Studioalbu­ms „Walk between Worlds“.

Mit Album und Tournee feiert die Band aus Schottland in diesem Jahr den 40. Jahrestag ihres ersten Livekonzer­ts – und auch ihren zweiten Frühling. Das letzte Studioalbu­m „Big Music“(2014) wurde von Fans und Kritikern gleicherma­ßen bejubelt. Das britische Musikmagaz­in „Mojo“nannte es „ihr bestes Album seit 30 Jahren“, der „Guardian“eine „Rückkehr zur Topform“. Die Band konnte es selbst kaum glauben. Auch die Konzerthal­len waren zuletzt immer voll, das Unplugged-Album „Acoustic“(2016) samt zugehörige­r Tournee kam ebenfalls gut an.

Darauf ausruhen wollten sich die Simple Minds keinesfall­s. Deshalb schlägt die Band mit „Walk between Worlds“wieder einen etwas anderen Kurs ein. Schon bevor das Unplugged-Projekt zustande kam, hatten Jim Kerr und Gitarrist Charlie Burchill an neuen Songs gearbeitet. Doch „Acoustic“habe ihnen einen entscheide­nden kreativen Schub gegeben und die Richtung noch mal geändert. Vieles wurde verworfen. „Unser Sound sollte minimalist­ischer und emotionale­r klingen, so als wären wir eine ganz neue Band“, erklärte Kerr zur neuen Platte.

Der Opener „Magic“, zugleich die erste Singleausk­opplung, wirkt zwar noch etwas dünn und harmlos. Doch dann geht es los. Das mitreißend­e „Summer“drängt sich schon eher fürs Radio auf und wird schnell zum Ohrwurm. „Utopia“begeistert mit schrägen Synthesize­rn, die an die New-Wave-Ära erinnern, in der die Schotten sich mit Werken wie „New Gold Dream“oder „Sparkle In The Rain“einen Namen machten, bevor der Überraschu­ngshit „Don’t You (Forget about Me)“alles für sie änderte.

Recycelter Refrain

Auf ihrem neuen Album kehrt die Band zurück zum frühen SynthieSou­nd, der jedoch – ganz im Sinne der von Kerr beschriebe­nen Fanwünsche – in ein modernes Gewand gesteckt wurde. Besonders gut gelungen ist das bei „The Signal And The Noise“, das auch dank der atmosphäri­schen Gitarrenkl­änge von Burchill ein klassische­r SimpleMind­s-Songs ist. Bei „Sense of Discovery“recycelt die Band sogar den Refrain ihres eigenen 85er-Hits „Alive And Kicking“. Das hätte nach hinten losgehen können, klingt aber ganz natürlich und geradezu wunderbar.

Vielleicht der schönste der neuen Songs ist die melancholi­sche, mit Streichern unterstütz­te Hymne „Barrowland Star“– mit sechseinha­lb Minuten der längste Track des Albums. Die Nummer basiert auf einer instrument­alen B-Seite aus den 1990er-Jahren. Mit Liedern wie „Oh Jungleland“oder „Waterfront“besangen die Simple Minds schon früher ihre Heimatstad­t. „Barrowland Star“setzt dem Barrowland Ballroom, der legendären Konzerthal­le in Glasgow, ein Denkmal. Im Februar wird die Band wieder in ihrer „Lieblingsh­alle“(Kerr) auftreten.

Album ohne Drummer Gaynor

„Walk Between Worlds“unterschei­det sich tatsächlic­h vom Vorgänger – auch dadurch, dass Schlagzeug­er Mel Gaynor erstmals seit 2002 nicht an Bord ist. Statt seiner wuchtigen, stadiontau­glichen Drums sind nun überwiegen­d eher unauffälli­ge, aber treibende Rhythmen zu hören. Das ist nicht unbedingt besser, aber es wirkt sich auch nicht negativ aus. Man darf gespannt sein, wie die Band das live umsetzt.

Auffällig ist außerdem, dass die Simple Minds wieder auf längere Songs setzen. Das Album umfasst nur acht Tracks, die aber eine Laufzeit von gut 40 Minuten ausmachen. Das erinnert nicht zufällig an die typische Länge von Schallplat­ten in den 1980er-Jahren. „Es ist ein Oldschool-Album: die zwei Seiten spiegeln auch die klassische LP wider, mit der wir aufgewachs­en sind“, verriet Kerr vorab. „Klasse statt Masse“lautet wohl das Motto. Warum es – wie heutzutage bei so vielen Künstlern – eine Deluxe Edition mit drei zusätzlich­en Titeln gibt, bleibt deshalb ein Rätsel.

Auf der kommenden Tournee, die im Juli und August auch fünf Auftritte in Deutschlan­d beinhaltet, wollen die Simple Minds „Walk Between Worlds“zumindest bei einigen Konzerten in voller Länge spielen. Kerr und Burchill sind offenbar sehr stolz auf ihr neues Album – und das mit Recht. Wie eine „ganz neue Band“klingen sie zwar nicht, aber eine gewisse Neuerfindu­ng darf man ihnen durchaus zugestehen. Was jedoch wichtiger ist: Die musikalisc­he Gratwander­ung ist gelungen. Die Simple Minds klingen auf „Walk Between Worlds“richtig gut.

Live: 22.7. Karlsruhe, Das Fest; 1.8. Meersburg, Schlosspla­tz.

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FOTO: DEAN CHALKLEY/DPA Die schottisch­e Band Simple Minds tritt am 1. August in Meersburg auf.

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