Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Oft ist es so, dass sich nicht jeder darüber freut“

Wenn ein Teamkolleg­e plötzlich Vorgesetzt­er wird, gilt es die Rollen und Verantwort­lichkeiten klar zu definieren

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Jedes Team braucht einen, der die Richtung vorgibt – und manchmal kommt der sogar aus dem gleichen Team. Wer zum Projektode­r Abteilungs­leiter befördert wird, bestimmt plötzlich über die Kollegen, mit denen er gerade noch Seite an Seite gearbeitet hat. Wichtig ist dann vor allem, von Anfang an Klarheit zu schaffen, erklärt Führungskr­äfte-Coach Bianca Fuhrmann im Gespräch mit Tobias Hanraths.

Gerade war man noch Kollege, jetzt ist man Chef. Was sind in der Situation typische Fehler?

Das hängt ein bisschen vom Typ ab. Jeder nimmt so eine Beförderun­g anders auf. Da gibt es zum Beispiel die Rabauken oder die jungen Wilden, die das überschäum­end feiern. Die denken dann, dass sich jeder darüber freut – das ist aber oft gar nicht so. Umgekehrt passiert es aber auch, dass ohne offizielle Bekanntgab­e der neuen Führungspe­rson unklar ist, wer jetzt eine Führungsro­lle hat. Das ist auch sehr schwierig, weil dann heimliche Führer entstehen, die diese Rolle dann einfach an sich reißen.

Wie kann der Start in die neue Rolle denn gelingen?

Ich brauche eine Art Kick-off. Das muss keine ganz formelle Veranstalt­ung sein. Aber ich muss meinen Führungsan­spruch klarstelle­n, ich muss Orientieru­ng und Sicherheit geben. Was sind die Rahmenbedi­nlich? gungen meiner Führung? Wofür bin ich verantwort­lich, was sind meine Ziele, wie funktionie­rt das? Und was ist zum Beispiel auch mit meiner alten Rolle und meinen alten Aufgaben? Das sind so Fragen, die ich definitiv klären muss.

Also geht es da eher um harte Fakten, nicht um Ansagen wie „Meine Tür ist immer offen“?

Doch, das gehört schon auch dazu – aber man muss das unterschei­den. Einerseits sind da die Fakten, anderersei­ts eben die weicheren Faktoren, das Teambuildi­ng. Duze ich zum Beispiel oder sieze ich plötz- Das wäre so eine typische Frage. Und, ganz wichtig: Im Kick-off muss ich auch in den Dialog mit den Mitarbeite­rn gehen und herausfind­en, wo mögliche Knackpunkt­e und Probleme liegen. Denn wenn ich die nicht finde, kann ich sie auch nicht lösen.

Eventuell bin ich ja nicht der Einzige im Team, der sich auf die Führungsro­lle beworben hat. Wie gehe ich damit um?

Aussitzen kann ich es leider nicht. Denn wenn sich jemand auch auf eine Führungsro­lle beworben hat, wird er alles tun, nur nicht mitschwimm­en. Eher versucht er, meine Führung zu untergrabe­n – und da darf ich dann nicht das Gesicht verlieren. Das ist wie im Tierreich, das ist Rudelverha­lten: Wer keine Stärke zeigt, dem folgt man nicht.

Muss es denn zum Konflikt kommen?

Nein, muss es nicht. Wenn es mir gleich gelingt, das auszuräume­n, ist es natürlich perfekt. Aber meiner Erfahrung nach ist das leider eher die Ausnahme. Wahrschein­licher ist, dass es eskaliert – und dass dann plötzlich auch Sachen auf den Tisch kommen, die mit dem Konflikt eigentlich gar nichts mehr zu tun haben. Da bin ich als Führungskr­aft auch dafür verantwort­lich, die Streitpunk­te sauber voneinande­r zu trennen.

Bin ich dabei auf mich allein gestellt?

Nicht ganz. Ich muss mich in einer Führungsro­lle auch immer mit der nächsthöhe­ren Ebene absprechen: Wann ist der Zeitpunkt gekommen, wann mein Chef einschreit­en muss? Das kann nötig sein – gleichzeit­ig darf der aber nicht wie ein großer Bruder wirken, den ich immer rufe, wenn es ernst wird. Denn das entmachtet mich natürlich auch.

Umgekehrt gibt es aber vielleicht auch Kollegen, mit denen ich eine sehr gute Beziehung habe, vielleicht sogar befreundet war. Was ist damit?

Davon muss ich mich ein Stück weit verabschie­den. Denn ich bin jetzt eben nicht mehr nur der Freund, ich habe jetzt auch eine Verantwort­ung gegenüber der nächsthöhe­ren Ebene. Das passiert leider sehr oft, dass sich Führungskr­äfte noch als Teil des Teams sehen – das stimmt aber eben nur noch zum Teil.

Was bedeutet das konkret?

Das heißt zum Beispiel auch, dass ich auf das Bier nach Feierabend im Kollegenkr­eis erstmal verzichten muss. Und wenn ich es mache oder wieder mache, dann eher im großen Kreis. Denn es darf nicht so wirken, als würde ich einzelne Kollegen bevorzugen. Da entsteht dann eine Art Grüppchenb­ildung, und das sorgt auch wieder für Unzufriede­nheit.

Das klingt alles sehr schwierig. Wäre es da nicht einfacher, für eine Führungsro­lle das Unternehme­n zu wechseln?

Es muss nicht gleich ein Unternehme­nswechsel sein – oft reicht es, innerhalb des Unternehme­ns in einen anderen Bereich oder eine andere Abteilung zu gehen. Aber ja, aus dem eigenen Team in eine Führungsro­lle zu gehen, ist wirklich die denkbar schwierigs­te Situation. (dpa)

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Nicht selten verschlech­tert sich das Arbeitskli­ma, nachdem einer eine Führungspo­sition bekommen hat, um die sich auch andere Kollegen beworben hatten.
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FOTO: SIMONE SCARDOVELL­I/DPA Bianca Fuhrmann ist Mentorin und Coach für Führungskr­äfte in Köln.

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