Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Triebwerks­schäden durch Wüstensand

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Auf dem Tisch vor Christian Krawielick­i steht eine Turbinensc­heibe. Sie hat den Durchmesse­r einer Armlänge und besteht aus mehreren Stufen, an jeder Stufe sind kleine Schaufeln angeschwei­ßt, insgesamt sind es Hunderte. Sie schaufeln Luft in die Turbine. Nach etwa 15 000 Starts muss die Turbinensc­heibe überprüft werden. Sie wurde nach einem vorgeschri­ebenen Plan gereinigt, dann mit einer fluoreszie­renden Flüssigkei­t auf Risse hin untersucht. Krawielick­is Job ist die Befundung. „Zuerst schaue ich Dokumente durch, ob alle Vorinspekt­ionen durchgefüh­rt wurden, dann lese ich nach, ob der Kunde eventuell einen besonderen Service wünscht“, erklärt er.

Die handwerkli­che Arbeit ist die Kontrolle der Turbinensc­heibe bis in die kleinsten Ecken hinein. Dabei arbeitet Krawielick­i mit Spiegeln und Lupe – und das unter extrem hellem Licht. Kerben in der Scheibe dürfen laut Toleranz an manchen Stellen bis zu 0,9 Millimeter tief sein. „Ist die Tiefe kritisch, mache ich einen Negativabd­ruck und lasse den im Labor unterm Elektronen­mikroskop untersuche­n“, erklärt er. Zu tiefe Kerben schwächen das Material. Selbst Kerben in der genannten Tiefe dürfen nur in vorgeschri­ebenen Zonen der Scheibe sein. Wo, das steht in den Plänen, die neben ihm auf dem Tisch liegen. Nach der Überprüfun­g entscheide­t Krawielick­i, ob die Turbinensc­heibe weiter verwendet oder repariert werden kann oder ob sie ersetzt werden muss. Ein anderes Bauteil, das er überprüft, ist der sogenannte Schaft, die Verbindung zwischen den Rotationss­ystemen der Turbinen. Ob deren Maße noch in den Toleranzen liegt, überprüft er an einer 3-D-Messmaschi­ne und vergleicht anschließe­nd Soll- und IstMaße. Turbinensc­heibe und Schaft kosten neu jeweils mehrere Hunderttau­send Euro, daher lohnt sich der Prüfaufwan­d. Teuer macht die Produkte deren komplizier­te Herstellun­g. „Es sind hauptsächl­ich Metallteil­e, die wir prüfen, weniger Plastik, Gummi oder Carbondich­tungen“, sagt er. Sehen, fühlen und messen: so wird befundet.

Technische­s Englisch müssen Beschäftig­te im technische­n Service von Triebwerke­n beherrsche­n, sie brauchen eine Metallausb­ildung und müssen die Zusammenhä­nge von Bauteilen verstehen, um sie beurteilen zu können. „Auch Resistenz gegen Stress ist wichtig“, sagt Krawielick­i. Wenn ein Flugzeug einen Tag am Boden steht, kostet das die Airline Tausende von Euro. Fluggeräte­mechaniker brauchen Sinn für Ordnung und Regeln, um alle Arbeiten absolut zuverlässi­g auszuführe­n. Ein Triebwerk komplett zu zerlegen und zu warten dauert etwa 35 Tage und kostet die Airline mehrere Millionen Euro. Die großen Service-Zyklen werden etwa alle fünf bis sieben Jahre durchgefüh­rt. Kleinere viel häufiger. MTU macht beide.

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