Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Keine Tabuzonen für Blitzer
Geschwindigkeitsmessung aus Kapelle heraus ärgern Bad Wurzacher.
BAD WURZACH - Darf ein Blitzgerät in einer Kapelle stehen? Ja, sagt das Landratsamt Ravensburg. „Tabuzonen gibt es keine.“
Ein SZ-Leser hatte sich kürzlich in einer E-Mail darüber beschwert, dass aus der kleinen Kapelle in Iggenau, an der B 465 von Bad Wurzach nach Unterschwarzach, heraus „geblitzt“wurde. Er habe das kaum glauben können, schilderte er seine Überraschung, und sei extra noch einmal umgekehrt, um das zu überprüfen. „Ich frage mich ernsthaft, ob es sein muss, dass eine Geschwindigkeitsmessung im Kirchenraum der Kapelle platziert wird oder ob das nicht pietätlos ist?“Er vermutete, dass „die neue, teure Technik vom Regen geschützt werden“sollte. Trotzdem blieb für ihn die Frage, ob es nicht Richtlinien gebe, wo ein „Blitzer“aufgestellt werden darf und wo nicht.
Die Geschwindigkeitsmessung an jenem Tag war vom Landratsamt Ravensburg ausgegangen. Dessen Pressesprecher Franz Hirth bestätigt auf SZ-Anfrage, dass das Blitzgerät in der Kapelle aufgestellt worden war. „Allerdings nicht zum Zweck der Tarnung“, betont er, „sondern wegen des Regens.“Das Landratsamt werde für die Zukunft aber alternative Standorte prüfen, signalisiert er Verständnis für die Verwunderung des SZ-Lesers und sicherlich auch anderer Autofahrer.
Der Standort sei aber rechtlich in Ordnung. „Spezielle Tabuzonen“gebe es beim Aufstellen der Geräte nicht. Technisch bedingt ist ihr Einsatzbereich 0,5 bis 4,0 Meter von der Straße entfernt.
Der Landkreis ist mit drei mobilen Messgeräten in seinem Einsatzbereich unterwegs. Der umfasst dabei nicht den gesamten Landkreis, wie Hirth erklärt. Ravensburg, Weingarten, Wangen, Leutkirch (bilden zusammen mit den Gemeinden Aichstetten und Aitrach eine Verwaltungsgemeinschaft), Bad Waldsee (bildet zusammen mit der Gemeinde Bergatreute eine V er wal tungs gemeinschaft) sowieIsny, Fronreute und Wolpertswende haben eine eigene Verkehrs rechts zuständigkeit, zumindest für Gemeindestraßen.
Dass Messungen der Geschwindigkeit grundsätzlich notwendig sind, untermauert das Landratsamt mit Zahlen, die sich auf sein Zuständigkeits gebiet beziehen. Demnach ist durchschnittlich jeder elfte Autofahrer, der eine Kontrollstelle passiert, zu schnell unterwegs.
Das Landratsamt hat demnach nach mobilen und stationären G es ch windigkeits kontrollen im vergangenen Jahr insgesamt 5500 Bußgeld bescheide erlassen, davon 310 Fälle mit Fahrverbot. Insgesamt habe der Landkreis im vergangenen Jahr durch Bußgelder und Verwarnungen 1,32 Millionen Euro eingenommen.
In 1920 Fällen wurde das Verfahren vom Landratsamt eingestellt. Gründe dafür sind laut Hirth in wenigen Fällen die nicht zweifelsfreie Auswertbarkeit der Fotos sowie hauptsächlich Fahrzeuge, die im sogenannten hoheitsrechtlichen Einsatz unterwegs waren, also zum Beispiel Rettungswagen, Notärzte, Feuerwehr und Polizei.