Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Narren übernehmen die Macht

Mit Rathausstü­rmen in vielen Städten hat die Hochfasnet begonnen.

- Von Simon Nill

LEUTKIRCH - Oberbürger­meister Hans-Jörg Henle ist abgesetzt: Seit dem Leutkirche­r Rathausstu­rm am Donnerstag haben die Narren das Zepter in der Hand. Jedenfalls bis Aschermitt­woch. Per Rutsche setzten sie Verwaltung­smitarbeit­er und Stadträte vor die Tür.

Vor dem Ritt auf dem Hosenboden verkündete Thomas Blum, Präsident der Narrenzunf­t Nibelgau, dass dem bisherigen „Drama im Rathaus“nun ein Ende gesetzt werde. Damit die Mitarbeite­r aus ihrem, laut Blum „gesunden Büroschlaf erwachen“, kletterten die Hexen ins Gebäude und nahmen sie in närrischen Arrest. Weil der traditione­lle Einstieg über den Rathausbal­kon nicht möglich war – dieser befindet sich in diesen Tagen beim Restaurier­en – sprangen die Narren kurzerhand die aufgestell­te Rutsche nach oben. Als Hilfe diente eine eingelasse­ne Leiter.

Stolz präsentier­te eine der Hexen wenige Augenblick­e später – vor rund 100 Zuschauern in der Innenstadt – den symbolisch erbeuteten Rathaus-Schlüssel. „Jetzt ergreifen wir die Macht und regieren mit unserem Prinzenpaa­r“, kommentier­te Blum. Zuvor hatten die Narren sämtliche Stadträte und Verwaltung­smitarbeit­er per Rutsche auf die Marktstraß­e befördert. Während Bürgermeis­terin Christina Schnitzler als Zweite ihren Arbeitstag beendete, landete Henle – mit Bauhelm und weißer Fahne ausgestatt­et – erst einige Augenblick­e später im kommunalpo­litischen Fegefeuer. „Zwei Unglücke kommen selten allein“, meinte Blum schmunzeln­d zum Rutsch der beiden Mitarbeite­r an der Rathausspi­tze.

Blum trägt Anklagepun­kte vor

Anschließe­nd trug der Chef der Nibelgauer die Anklagepun­kte vor, die die Narren dem „Oberschult­es“samt Stadtverwa­ltung zur Last legen. Ein zentrales Thema: die Bahnhofssa­nierung. Offensicht­lich gibt es laut Blum nicht nur bei Stuttgarte­r Bahnprojek­ten dynamische Kostenentw­icklungen. So seien auch die Kosten in

Leutkirch um etwa eine Million Euro gestiegen. Deshalb schlugen die Narren vor, „in der Unterführu­ng die Wände an Graffitikü­nstler zu vermieten.“Die Schuld an der Misere schob Oberbürger­meister Henle indes vor allem der Deutschen Bahn in die Schuhe: „Da stellat ihr Narren die richtigen Fragen, bei der Bahn als Bauherr, da kannst verzagen.“

Froh sind die Narren hingegen darüber, dass ihrem Oberbürger­meister bei der Rathaus-Sanierung nicht die historisch­e Stuckdecke auf den Kopf gefallen ist. Eine kreative Lösung präsentier­en sie am Donnerstag in puncto Nachnutzun­g des Gebäudes, in dem bis vor kurzem eine Feneberg-Filiale untergebra­cht war. Die Idee der Narren: Auf dem Dach eine

Aussichtst­errasse mit Gaststätte einrichten, die „bekömmlich­es HärleBier“anbietet.

Spekuliert wird auch über ein Parkhaus an dieser Stelle: „Ein Parkhaus statt Feneberg, an der Fußgängerz­one als Beginn, das wäre für Räte und Handel ein großer Gewinn“, erklärte der bis Mittwoch abgesetzte Henle.

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FOTO: STEFFEN LANG
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FOTOS: COKO/HEB Hat trotz Amtsentheb­ung gut lachen: OB Hans-Jörg Henle.
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Dieses Jahr klettern die Narren über die Rutsche ins Rathaus.
 ??  ?? Christina Schnitzler schmeißt Konfetti aus der Leutkirche­r Schatzkist­e.
Christina Schnitzler schmeißt Konfetti aus der Leutkirche­r Schatzkist­e.
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Die Narren haben den Schlüssel.

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