Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Mildes Narrengerichtsurteil, magischer Hexenzauber
Narrenzunft „Lachende Kuh“präsentiert zum 55. Jubiläum großartiges Fasnet-Spektakel unter freiem Himmel
ISNY - Die „Kriminellen“sind abund festgesetzt, angeklagt und verurteilt worden – zu „Weißwurstfrühstück für das ehrenwerte, hohe Gericht“und einem Auftritt als Gesangs-Duo „Claus & Klaus“samt Gitarrenbegleitung von Rainer. Steigen soll der beim Zunftmeisterempfang im Adlersaal am Faschingsdienstag mit dem Lied: „Klingelingeling, hier kommt der Eiermann“. Allein das ist Strafe genug. Hinzu kommt: Sie müssen eine auf 40 Jahre angelegte Baustelle schon bis zum Gumpigen Donnerstag 2019 beenden...
In Windeseile hat die „Lachende Kuh“gestern das Isnyer Rathaus gestürmt und die Stadtspitze entmachtet in Person von Bürgermeister Rainer Magenreuter, Stadtbauamtschef Claus Fehr sowie „dem Ex-Hauptamtsund künftigen Ordnungsamtsleiter Klaus Hägele“, wie Zunftmeister Frank Müller die Angeklagten bei der Isnyer Freiluft-Narrengerichtsverhandlung vorstellte. Die feierte eine gelungene Premiere zum 55. Jubiläum der Narrenzunft.
Eine große Menschenmenge, dicht gedrängt zwischen Schmalzbrunnen und Gerichtsbühne vor dem Rathaus, verfolgte die Verhandlung unter Vorsitz von „Richter Alexander Hold“, der statt nach der nächsten Landtagswahl nach München lieber von Kempten nach Isny gekommen war. „Staatsanwältin Frau Bissig“(Ulrike Krapf-Grat, von der auch das Skript stammte), verlas die Anklage: „Baustellen in Isny, Schulzentrum, Haushalt, Steuererhöhungen, Personal, Polizei“und fragte, ob sich die Angeklagten dazu äußern wollen. „Nein, meine Mandanten möchten von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen“, schnitt Pflichtverteidigerin „Frau Schlichter“(Tanja Stolz) dem Trio das Wort ab, das nach als unflätig erachteten Zwischenrufen in der Verhandlung auch noch Klebeband über die Münder gepappt bekam.
„Keinen Überblick“, fuhr Bissig fort, hätten sie mehr über fast abgeschlossene und neue Projekte oder solche mittendrin – mit dem „Gipfel Bauprojekt Leiter“. Eine solche fehlte der „Lachenden Kuh“beim Rathaussturm bekanntlich in der Vergangenheit. Magenreuter hatte versprochen, jedes Jahr eine Sprosse springen zu lassen – das hätte in circa 40 Jahren auf den Rathausbalkon gereicht. Jetzt ist die Stadt schon bis zum nächsten Jahr zu einer „Leiter, die dem modernsten Sicherheitsstandard entspricht“, verdonnert.
Dem Einspruch gegen die Anschuldigung der Staatsanwältin, Bürgermeister Magenreuter wickle Geschäfte „unter Einfluss von Medikamenten ab“– weil er beim Schulzentrum bei 26 Millionen Euro Kosten über „Magendrücken“geklagt, auf 30 Millionen „schon gar nicht mehr reagiert“habe und bei 34 Millionen „von der schönsten Schule weit und breit begeistert“gewesen sei – gab Richter Hold statt.
Dass die Stadt nicht sparen könne, entkräftete die Pflichtverteidigerin mit einem Plakat aus einer Rathaustoilette, das zur „sparsamen“Verwendung von Klopapier auffordert. Die Anklage Steuererhöhung wurde ebenfalls fallengelassen. Und beim Personal, „dem ehemaligen Marketing-Chef, dem die Arbeit keinen Spaß mehr macht“, hätten ihre Mandanten schon gehandelt und eine neue Marketing-Chefin eingestellt, „die nach neun Jahren Oberstaufen nichts aus der Bahn wirft“, sagte Pflichtverteidigerin Schlichter. Wohl deshalb fiel das Urteil schließlich milde aus mit Leiter, Weißwurst und Gesang.
Inzwischen hatte sich die Dämmerung über die Szenerie gelegt, und unter Trommelschlägen begannen die „Stallhexen“ihren „Hexenzauber“. Eine nach der anderen rief Zunftmeister Müller her von den Gewässern rund um Isny , vom Ach-Ursprung, vom Biesenweiher, vom Bisamspitz. Auf der Bühne brodelte schaurig-weißlich-violett der Hexenkessel in schummriger Beleuchtung. Auf dem Pflaster der Wassertorstraße kreisten Gestalten mit roten Spitzkappen.
Beschwörende Verse in verzerrten Stimmen begleiteten die auftretenden Hexen, Kühe, Treiber, die sich auf die Suche nach einem „Jüngling“begaben, den es zu bannen galt.
Als dieser musste noch einmal Bürgermeister Magenreuter herhalten: Er wurde in einen hölzernen Käfig gesteckt, dem, als das Hexenwerk vollendet war, eine Gestalt in grünlichem Kuhkostüm entstieg: „Jetzt wisst ihr, wie eine Kuh entsteht“, jubilierte düster Zunftmeister Müller. Die atmosphärisch-mystische Aufführung erntete mächtig Applaus, wirklich magischer „Hexenzauber“.
Musikalisch entfacht worden war das Treiben von der Isnyer Guggenmusik, was vor allem den Kinder gefiel, die lachend und vergnügt auf der Straße tanzten. Und als zum fetzigen Abschluss die letzten Töne der Allgaier Urband aus Beuren verklangen, hatte sich die Straße zwar ein wenig geleert, doch so mancher nach fast zwei Stunden die Kälte vergessen und einem großartigen Rathaussturm beigewohnt.