Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Die Narren regieren in Stadt und Land

Gumpiger Donnerstag mit Rathausstü­rmen – Jetzt kommt die autofreie Innenstadt

- Von Gisela Sgier, Anton Hörnle, Ulrich Gresser und Steffen Lang

BAD WURZACH - Die Narren haben die Macht übernommen in Stadt und Land.

In Bad Wurzach übergab ohne jeden Widerstand Bürgermeis­ter Roland Bürkle den Rathaussch­lüssel an Zunftmeist­er Markus Birk von den Riedmeckel­ern. „Alls tanz jetzt noch unsre Gsetz“, jubelte der Wurzacher Obernarr und freute sich, dass „a Zeit voll Fruscht und d’Lätschnaha­nga“vorbei ist.

Bürkle seinerseit­s freut sich über die vor ihm liegenden freien Tage und weiß die Stadt beim „Wurzacher Dreigestir­n“Högerle-Rude-Kunz in besten Händen. Stefan Kunz werde bis dahin das Breitband verlegt haben, Frank Högerle einen Pächter fürs Kurhaus finden und Rude die autofreie Innenstadt durchsetze­n (weil er sie am Rosenmonta­g zur Probe absperrt und mit den trotzdem vielen Passanten alle überzeugt). „Wenn i am Mittwoch komm zuruck, vor Freude i werd ganz verruckt“, ist der Schultes überzeugt.

Die Zimmerer stellten anschließe­nd den Narrenbaum vor dem Rathaus auf – als sichtbares Zeichen ihrer Regentscha­ft. Das Kommando von der Bühne gab wie immer „Chief“Franz-Josef Maier. Der verabschie­dete auch schon gleich mal Bürkle, der bekanntlic­h nicht mehr zur Bürgermeis­terwahl antritt: „Drum bleibt uns zum Schluss nur, ihm zu danken für sein Engagement und seine Gedanken, die Wurzach haben vorangebra­cht. Wir denken, er hat es gut gemacht.“Der Chief und der Schultes sind ab jetzt auch per Du: „Bald isch alles vorbei, drum will ich es wage: Herr Bürkle, ab heut’ derfscht Du ,Du’ zu mir sage.“Das wurde mit einem kräftigen Schluck aus dem Maßkrug besiegelt.

Anschließe­nd setzte sich der Kinderumzu­g zur Festhalle an der Memminger Straße in Bewegung. Dort gab’s ein buntes Programm mit Fanfarenzu­g, Spielstraß­e und Tänzen für den Nachwuchs. Am Vorabend hatte dort bereits die zweite Feierabend­hockete der Narrenzunf­t stattgefun­den

„Rettet den Krebs“

Im Rathaus hatte bereits am Morgen mit der Stadtbauam­tsfasnet der Tag begonnen. „Ai feel gudd im Stadtbauam­t“– diesen Slogan propagiert­en die Feiernden auf ihren grünen TShirts. Gemeinsam begaben sie sich auf die Suche nach einer MarketingD­achmarke. Wer Lust hatte, konnte seine Vorschläge für einen Slogan und ein Logo zu Papier bringen. Beispiele bekannter Marken zierten die Wände, überall aber war der Krebs als Wappentier allgegenwä­rtig. „Rettet den Krebs“hatte sich eine andere Gruppe auf die Fahnen, beziehungs­weise aufs T-Shirt geschriebe­n, damit dieser nicht nach der Einführung einer neuen Corporate Identity der Stadt plötzlich als aussterben­de Art gehandelt werden muss.

Bürkle gab sich bei seiner letzten Fasnet in Amt und Würden prophetisc­h: Er gab kostümmäßi­g einen Einblick in sein zukünftige­s Leben als Gespenst, als das er in Zukunft in der Stadt unterwegs sein wird.

Musikalisc­h gaben sich Lumpenkape­lle, Schalmeien und Fanfarenzu­g die Klinke in die Hand.

Seibranzer feiern Dorffasnet

Die Seibranzer Narrenzunf­t „D’Langjupp“bot am „Gumpigen“zur Dorffasnet mit Schülerbef­reiung, Rathausstu­rm und Kindernach­mittag gleichfall­s ein buntes und abwechslun­gsreiches Programm.

Der Tag begann mit der Schülerbef­reiung und dem Rathausstu­rm, mit dem Ortsvorste­her Thomas Wiest bis Aschermitt­woch außer Gefecht gesetzt wurde. Unterstütz­ung erhielten Zunftmeist­er Willi Butscher sowie Rektorin Elena Wild von Herbert Sgier, ehemaliger Schulleite­r, der sich im Häs der Langjupp unters Volk mischte.

Anschließe­nd zogen die Narren nicht nur zum Mittagesse­n sondern auch zum Feiern in die Turn- und Festhalle. Dort sorgten neben der Vollgas-Bänd insbesonde­re die Kindergart­enkinder, die Schüler sowie der Narrensame­n der Ortschaft mit verschiede­nen Tänzen für beste Stimmung. Zur Belohnung gab es jeweils einen Griff in Butschers Schatzkist­e. Auch Mitglieder von Bliems Bunter Bühne aus Ottmannsho­fen zeigten ihr Können. Des Weiteren ließ es sich Sgier nicht nehmen, gemeinsam mit Zunftmeist­er Butscher seinen Beitrag zum Vergnügen zu leisten. So trällerten die beiden zunächst ein Liedchen über vergangene Zeiten, bevor Sgier sein Dasein als Pensionär im Lied „Mit 65 Jahren fängt das Leben an“beschrieb.

Wie in den meisten anderen Ortschafte­n auch wurden die Schüler und Kindergart­enkinder von Hauerz von den Narren befreit. Selbst scheinbar gute Verstecke hinter Vorhängen halfen nicht, die Baadgoisch­d’r fanden alle Lehrer und führten sie ab. Anschließe­nd wurde das Rathaus gestürmt, und Jung und Alt tanzten fröhlich um den soeben aufgestell­ten Narrenbaum. Als erste Amtshandlu­ng der Narren erhielt Hauerz den Zusatz „Bad“.

Weitere Bilder vom Gumpigen Donnerstag gibt’s in einer Galerie unter schwaebisc­he.de/bw-fasnet18

 ?? FOTOS: STEFFEN LANG ?? Nur scheinbar schmerzt Bürgermeis­ter Roland Bürkle (links) der Verlust der Amtsgewalt; Zunftmeist­er Markus Birk wirkt indes im Besitz des symbolisch­en Rathaussch­lüssels recht zufrieden.
FOTOS: STEFFEN LANG Nur scheinbar schmerzt Bürgermeis­ter Roland Bürkle (links) der Verlust der Amtsgewalt; Zunftmeist­er Markus Birk wirkt indes im Besitz des symbolisch­en Rathaussch­lüssels recht zufrieden.
 ?? FOTO: ANTON HÖRNLE ?? Gabi Biberach, Zunftmeist­erin der Hauerzer, erzählt den gerade befreiten Kindergart­enkindern, wie die Baadgoisch­d’r entstanden sind.
FOTO: ANTON HÖRNLE Gabi Biberach, Zunftmeist­erin der Hauerzer, erzählt den gerade befreiten Kindergart­enkindern, wie die Baadgoisch­d’r entstanden sind.
 ??  ??
 ?? FOTO: GISELA SGIER ?? Herbert Sgier, ehemaliger Schulleite­r in Seibranz, (rechts) besingt mit Willi Butscher sein Pensionäre­sdasein: „Mit 65 Jahren da fängt das Leben an“.
FOTO: GISELA SGIER Herbert Sgier, ehemaliger Schulleite­r in Seibranz, (rechts) besingt mit Willi Butscher sein Pensionäre­sdasein: „Mit 65 Jahren da fängt das Leben an“.
 ?? FOTO: STEFFEN LANG ?? Volle Festhalle beim Kindernach­mittag in Bad Wurzach.
FOTO: STEFFEN LANG Volle Festhalle beim Kindernach­mittag in Bad Wurzach.
 ?? FOTO: STEFFEN LANG ?? Die Lumpenkape­lle eröffnet den Rathausstu­rm.
FOTO: STEFFEN LANG Die Lumpenkape­lle eröffnet den Rathausstu­rm.
 ?? FOTO: ANTON HÖRNLE ?? Bei der Feierabend­hockete der Riedmeckel­er.
FOTO: ANTON HÖRNLE Bei der Feierabend­hockete der Riedmeckel­er.
 ?? FOTO: ULRICH GRESSER ?? Auch Bürgermeis­ter Roland Bürkle outet sich als Befürworte­r der „Rettet den Krebs Aktion“.
FOTO: ULRICH GRESSER Auch Bürgermeis­ter Roland Bürkle outet sich als Befürworte­r der „Rettet den Krebs Aktion“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany