Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Führungsversagen hoch zwei
Es gibt nur Verlierer. Im Zuge einer komplizierten Regierungsbildung zerlegen die Sozialdemokraten ihr Personal – und auch in der CDU lehnen sich die ersten gegen die eigene Kanzlerin auf. Die FDP muss mit Blick auf die vergangenen Wochen nicht wirklich in allen Dingen recht haben, aber wenn sie von einer „Zumutung für Deutschland“spricht, dann liegt sie diesmal sogar richtig.
Binnen eines Jahres tritt ein SPDVorsitzender ab, verzichtet auf die Kanzlerkandidatur, bekommt zum Ausgleich das Außenministerium. Der neue Boss wird mit 100 Prozent gewählt, muss sich aber auf Wunsch aus Düsseldorf aus dem enorm wichtigen Wahlkampf im SPD-Stammland Nordrhein-Westfalen heraushalten, den die dortigen Genossen alsdann grandios vergeigen.
Spätestens ab diesem Zeitpunkt ist die Bundestagswahl entschieden. Nach der weiteren klatschenden Niederlage im Bund lehnt dieser Parteichef es strikt ab, jemals in ein Kabinett unter der aktuellen Regierungschefin einzutreten, um Monate später Außenminister just unter ihr werden zu wollen. Die Basis schäumt. Zur Besänftigung verzichtet er auf den Parteivorsitz. Die trotz Unfähigkeit immer noch mächtige NRW-SPD zwingt den Noch-Parteichef mit einem putschähnlichen Ultimatum in die Knie, sodass er auch seine Ministerambitionen sausen lässt. Der geschäftsführende Außenminister hingegen spielt zwei Tage die beleidigte Leberwurst, kann nun aber davon ausgehen, weiter als Chef der deutschen Diplomatie zu fungieren. Dennoch bleibt alles offen, weil die Entscheidung über die Zukunft der Regierung entscheidungsschwach in die Hände aller Parteimitglieder gegeben wurde.
Beim potenziellen Regierungspartner, der etwas besser in den Wahlen abgeschnitten hat, läuft es zugleich auch nicht mehr rund. Immer mehr Mitglieder kommen aus der Deckung und zweifeln die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen an und stellen das Führungspersonal infrage. Das muss nicht so derb geschehen, wie es der hiesige Agrarminister getan hat, aber der Vorsprung der SPD in Sachen Führungsversagen könnte schnell dahinschmelzen.