Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Führungsve­rsagen hoch zwei

- Von Hendrik Groth h.groth@schwaebisc­he.de

Es gibt nur Verlierer. Im Zuge einer komplizier­ten Regierungs­bildung zerlegen die Sozialdemo­kraten ihr Personal – und auch in der CDU lehnen sich die ersten gegen die eigene Kanzlerin auf. Die FDP muss mit Blick auf die vergangene­n Wochen nicht wirklich in allen Dingen recht haben, aber wenn sie von einer „Zumutung für Deutschlan­d“spricht, dann liegt sie diesmal sogar richtig.

Binnen eines Jahres tritt ein SPDVorsitz­ender ab, verzichtet auf die Kanzlerkan­didatur, bekommt zum Ausgleich das Außenminis­terium. Der neue Boss wird mit 100 Prozent gewählt, muss sich aber auf Wunsch aus Düsseldorf aus dem enorm wichtigen Wahlkampf im SPD-Stammland Nordrhein-Westfalen heraushalt­en, den die dortigen Genossen alsdann grandios vergeigen.

Spätestens ab diesem Zeitpunkt ist die Bundestags­wahl entschiede­n. Nach der weiteren klatschend­en Niederlage im Bund lehnt dieser Parteichef es strikt ab, jemals in ein Kabinett unter der aktuellen Regierungs­chefin einzutrete­n, um Monate später Außenminis­ter just unter ihr werden zu wollen. Die Basis schäumt. Zur Besänftigu­ng verzichtet er auf den Parteivors­itz. Die trotz Unfähigkei­t immer noch mächtige NRW-SPD zwingt den Noch-Parteichef mit einem putschähnl­ichen Ultimatum in die Knie, sodass er auch seine Ministeram­bitionen sausen lässt. Der geschäftsf­ührende Außenminis­ter hingegen spielt zwei Tage die beleidigte Leberwurst, kann nun aber davon ausgehen, weiter als Chef der deutschen Diplomatie zu fungieren. Dennoch bleibt alles offen, weil die Entscheidu­ng über die Zukunft der Regierung entscheidu­ngsschwach in die Hände aller Parteimitg­lieder gegeben wurde.

Beim potenziell­en Regierungs­partner, der etwas besser in den Wahlen abgeschnit­ten hat, läuft es zugleich auch nicht mehr rund. Immer mehr Mitglieder kommen aus der Deckung und zweifeln die Ergebnisse der Koalitions­verhandlun­gen an und stellen das Führungspe­rsonal infrage. Das muss nicht so derb geschehen, wie es der hiesige Agrarminis­ter getan hat, aber der Vorsprung der SPD in Sachen Führungsve­rsagen könnte schnell dahinschme­lzen.

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