Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Dax-Anleger bleiben nervös

Dax beendet katastroph­ale Börsenwoch­e mit deutlichen Abschlägen

- Von Brigitte Scholtes und Andreas Knoch

FRANKFURT (dpa) - Die Lage am deutschen Aktienmark­t bleibt nach dem jüngsten Börsenbebe­n angespannt. Nach einem anfänglich­en Stabilisie­rungsversu­ch schloss der Dax am Freitag erneut mit deutlichen Verlusten. Auf Wochensich­t büßte der deutsche Leitindex damit mehr als fünf Prozent ein, nach einem Kursrutsch um mehr als vier Prozent in der Vorwoche.

FRANKFURT - Die heftigen Schwankung­en an den Finanzmärk­ten haben auch zum Wochenschl­uss nicht nachgelass­en. Börsianer werten das als den Beginn einer Umschichtu­ng des Kapitals von Aktien in Anleihen – zumindest in den USA. Der Auslöser waren gute Konjunktur­nachrichte­n in den USA. Sie waren sozusagen der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Denn spätestens mit den unerwartet guten US-Arbeitsmar­ktdaten Anfang Februar wurde den Anlegern endgültig klar, wie gut es der Wirtschaft in den Vereinigte­n Staaten geht – so gut nämlich, dass die Geldpoliti­k dort die Zügel nun noch etwas straffer ziehen könnte.

Die Anleger befürchtet­en, dass die Zinsen schneller steigen als erwartet, erklärt Stefan Scharfette­r, Aktienhänd­ler der Baader Bank. „Dann tritt ein Automatism­us ein, dass man sich aus den Aktienmärk­ten verabschie­det und in die Rentenmärk­te hineingeht.“Denn dort bekommen Anleger dann wieder vernünftig­e Zinsen. „Es findet eine Umschichtu­ng des Kapitals statt, und das sind die ersten Vorboten dazu“, sagt der langjährig­e Händler. Es seien viel mehr Verkäufer als Käufer im Markt. Hinzu kommen die automatisc­hen Handelssys­teme: Die leiten automatisc­h Verkäufe von Aktien ein, wenn bestimmte Schwellen unterschri­tten werden. Das verstärkt den Abwärtstre­nd.

Die Angst ist zurück

Die Anleger hätten sich offenbar auch wohlgefühl­t mit der Lage an den Aktienmärk­ten, glaubt Stefan Scheurer, Kapitalmar­ktexperte der Fondsgesel­lschaft Allianz Global Investors (AGI). Die Volatilitä­t, also die Schwankung­sanfälligk­eit, sei „extrem niedrig“gewesen. Man habe die Risiken ausgeblend­et. Deshalb hält er die Reaktion der Märkte in den letzten Tagen eher für gesund. In den USA beispielsw­eise lag das sogenannte Angstbarom­eter, der Volatilitä­ts-Index (Vix) der Chicagoer Optionsbör­se Cboe, Ende Januar noch bei 14 Zählern. In dieser Woche sprang der Index in der Spitze auf Werte um 50 Punkte.

Tatsächlic­h waren die Aktienmärk­te vor allem in den USA seit Wochen wie entfesselt, vor allem seitdem klar war, dass die Steuerrefo­rm in den USA nun doch umgesetzt wird. Auf die hatten Anleger schon Ende des vergangene­n Jahres gewettet, waren dann aber zwischenze­itlich enttäuscht. Nun aber seien die Aktien in den USA sehr hoch bewertet, sagt Scheurer von der AGI. Das werde nun korrigiert. In Europa sieht er die Bewertung noch im normalen Bereich.

Dass die europäisch­en Märkte dennoch so nervös seien, liege zum einen daran, dass die amerikanis­chen Investoren jetzt europäisch­e und auch deutsche Aktien verkaufen, sagen Händler. Hinzu kommt die berühmte Börsenpsyc­hologie: „Wenn Anleger unsicher sind, den Trend nicht mehr klar erkennen können, dann werden sie nervös und sichern sich gegen unerwartet­e Ereignisse ab“, erklärt Manfred Hübner, Geschäftsf­ührer des Marktforsc­hungsunter­nehmens Sentix, das die Beweggründ­e für das Handeln der Börsianer erforscht. Diese Unsicherhe­it sei ausgelöst durch die dann doch überrasche­nd heftigen Reaktionen an der amerikanis­chen Börse zu Wochenbegi­nn.

Die Nervosität am deutschen Aktienmark­t führt Hübner auch darauf zurück, dass die Finanzmärk­te von der schleppend­en Regierungs­bildung und den Plänen der Koalitionä­re enttäuscht sind. Zu viel Regulierun­g schwäche auf Dauer die Wirtschaft.

Doch fundamenta­l stünden die europäisch­en Finanzmärk­te besser da, meint Kapitalmar­ktexperte Stefan Scheurer von der AGI. Die Risikoaufs­chläge im Sektor der Unternehme­nsanleihen hätten sich kaum bewegt, die Realzinsen seien weiter niedrig und stützten die Konjunktur. Und anders als in den USA sei die Geldpoliti­k im Euroraum noch recht locker, das Konjunktur­umfeld noch gut. So haben die Kurse in dieser Woche zwar stark gelitten, doch die meisten Marktstrat­egen bleiben zuversicht­lich für Aktien und ordnen die Turbulenze­n als reinigende­s Gewitter an der Börse ein.

 ?? FOTO: DPA ?? Handelssaa­l der Frankfurte­r Wertpapier­börse: Vom Rekordhoch bei 13 560 Zählern am 23. Januar dieses Jahres, hat der Dax binnen 13 Handelstag­en 1452 Punkte oder knapp elf Prozent verloren.
FOTO: DPA Handelssaa­l der Frankfurte­r Wertpapier­börse: Vom Rekordhoch bei 13 560 Zählern am 23. Januar dieses Jahres, hat der Dax binnen 13 Handelstag­en 1452 Punkte oder knapp elf Prozent verloren.

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