Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Mehr Erleichterung als Bedauern über den Verzicht
SPD-Spitzenpolitiker begrüßen mehrheitlich die Entscheidung – Juso-Chef Kühnert nach wie vor gegen eine Große Koalition
STUTTGART (lsw) - Mit Erleichterung, aber auch etwas Bedauern hat die baden-württembergische SPDSpitze den Verzicht von Bundesparteichef Martin Schulz auf das Außenamt aufgenommen. SPD-Landeschefin Leni Breymaier sagte am Freitag in Stuttgart, sie habe höchsten Respekt vor Schulz’ Entscheidung. „Wenn er der Politik damit ganz abhandenkäme, wäre das ein herber Verlust.“Gleichwohl erweise Schulz mit diesem Schritt der SPD einen Dienst. SPD-Landtagsfraktionschef Andreas Stoch sagte, Schulz’ Verzicht sei die einzig richtige Entscheidung. Ohne diesen Schritt wäre nach seinen Worten die gesamte Diskussion um den Regierungseintritt der SPD von dieser Personalie überlagert worden. Für Juso-Landeschef Leon
Hahn hat Schulz mit seiner Entscheidung ein Stück Glaubwürdigkeit der SPD wiederhergestellt. „Er ermöglicht uns, über die Inhalte des Koalitionsvertrags zu sprechen.“Hahn forderte aber auch eine personelle Erneuerung der SPD. „Nach der Entscheidung über den Koalitionsvertrag werden wir darüber sprechen
müssen, wie die Partei von einer jungen Generation neu aufgebaut werden kann.“
Juso-Chef Kevin Kühnert wollte sich nicht konkret zu der Entscheidung äußern. „Jetzt, nachdem die Personalie vom Tisch ist, wollen wir
nicht die nächste Personalie aufrufen.“Kühnert will nach wie vor an seiner bundesweite Kampagne gegen die Große Koalition festhalten. Hamburgs Bürgermeister Olaf
Scholz (SPD) hat den Verzicht als „respektable Entscheidung“bezeichnet. Schulz habe sicherstellen wollen, dass es strikt um die Sache gehe, nämlich um den Koalitionsvertrag, erklärte der SPD-Bundesvize am Freitag. „Der ist gut für den Zusammenhalt in unserem Land, weil die SPD viel für die Bürgerinnen und Bürger erreicht hat. Jetzt geht es darum, um Zustimmung zu werben.“
Auch SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil und der amtierende Justizminister Heiko Maas (SPD) zollten Schulz für seine Entscheidung Respekt. „Martin Schulz hat sich in den vergangenen Monaten für die SPD aufgeopfert“, erklärte Klingbeil am Freitag in Berlin. „Sein wichtigstes Ziel war immer, einen Aufbruch in der Europapolitik zu gestalten. Nun stellt er seine persönlichen Ambitionen zurück zum Wohle der Sozialdemokratie. Das verdient unseren Respekt.“Maas sagte: „Er (Schulz) stellt das Wohl der Partei und des Landes damit über seine persönlichen Ziele. Das macht auch den Blick frei, um die politische Debatte wieder auf die wirklich wichtigen Dinge zu lenken.“Dies seien die Inhalte des Koalitionsvertrages. Grünen-Fraktionschefin Katrin
Göring-Eckardt bedauert die Umstände des Rückzugs. „Menschlich kann einem das für alle Beteiligten nur leidtun“, sagte sie. „Das ist eine besondere Art der Selbstgeißelung. Offensichtlich versucht die Sozialdemokratie mit einem Akt der Verzweiflung, die Reißleine zu ziehen und opfert dafür auch den anständigen Umgang untereinander.“