Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Freche Nachahmer
Der Schmäh-Preis Plagiarius geht an drei chinesische Hersteller, die deutsche Produkte exakt kopieren
FRANKFURT - Der Zwerg mit der goldenen Nase, der Plagiarius, geht in diesem Jahr wieder nach China. Der Negativ-Preis wird seit 42 Jahren auf der Frankfurter Konsumgütermesse, der Ambiente, an besonders dreiste Plagiate und Fälschungen vergeben. Das Küchen-Schneidgerät „Nicer Dicer Plus“hat es auf Platz eins geschafft.
Der Unterschied zum Original aus Deutschland ist nicht auf Anhieb zu erkennen, der Markenname ist gleich, allerdings ist das Plagiat aus billigem Kunststoff. Der enthalte zum Teil gesundheitsschädliche Substanzen, sagt Christine Lacroix, Sprecherin der Aktion Plagiarius, die die unrühmlichen Auszeichnungen vergibt. Zudem seien die Schneidwerkzeuge stumpf und würden leicht brechen.
Auch auf den beiden folgenden Plätzen finden sich chinesische Hersteller. Der zweite Zwerg geht an einen großen aufblasbaren Wasserspielpark. Der dürfte wahrscheinlich eine sechsstellige Summe kosten. Hier wurden selbst das Werbevideo und die zugehörige Musik eins zu eins übernommen. Platz drei belegt das Kinderrutschauto „Puky Racer“, wie es im Original heißt. Die Fälschung ist an der billigen Machart leicht zu erkennen.
Gefälscht wird aber nicht nur in China, sondern überall auf der Welt. Denn eine „Auszeichnung“wurde auch an einen deutschen Hersteller von Rahmenprofilen verliehen, der die Originale der Firma inditec optisch identisch nachbaut. In solchen Fällen seien es häufig ehemalige Vertriebsoder Produktionspartner oder ehemalige Mitarbeiter, die den Job gewechselt hätten, erklärt Lacroix.
Selbst auf der Ambiente in Frankfurt tauchen Plagiate auf, die der Zoll dann auf Kontrollgängen, unterstützt durch die Hinweise der Originalhersteller, versucht aufzuspüren und sicherzustellen. Bis zum 13. Februar werden mehr als 140 000 Fachbesucher erwartet, die neue Produkte in den Bereichen Wohnen, Schenken und gedeckter Tisch suchen. Das Angebot kommt von mehr als 4400 Ausstellern, von denen die Chinesen nach den deutschen Herstellern die zweitgrößte Gruppe sind.
Der Schaden durch Plagiate ist groß: So hat der Zoll im Jahr 2016 – jüngere Zahlen gibt es nicht – insgesamt Plagiate im Wert von 180 Millionen Euro sichergestellt. Doch das sei nur die Spitze des Eisbergs, denn der Zoll könne nur punktuell kontrollieren. Außerdem nutzen Fälscher inzwischen den Onlinehandel, um ihre Produkte abzusetzen. Das aber kann der Zoll noch schwerer nachverfolgen.
Falsch dosierte Medikamente
Der Schaden, der der deutschen Wirtschaft entsteht, wird auf 30 bis 50 Milliarden Euro jährlich taxiert, seriös lässt sich das jedoch nicht beziffern. Es werde mittlerweile alles gefälscht, was erfolgreich ist, sagt Volker Bartels, Vorsitzender des Aktionskreises gegen Produkt- und Markenpiraterie. Auch sicherheitsrelevante Bauteile wie Airbags, Bremsen, Motorsägen oder Medikamente: „Da werden Medikamente verkauft, die den falschen oder einen falsch dosierten Wirkstoff enthalten, mit Auswirkungen die ich mir gar nicht vorstellen möchte.“Um den Fälschern das Handwerk zu erschweren, sollten Unternehmer ihre gewerblichen Schutzrechte auf ihre Produkte anmelden, rät Lacroix. Denn dann könne man mit dem Zoll zusammenarbeiten und habe eine juristische Grundlage, um die Plagiatoren zur Rechenschaft zu ziehen. Den Verbrauchern rät sie, beim Einkaufen den gesunden Menschenverstand einzuschalten und zu beurteilen, ob der Preis realistisch sei. Schließlich würden gefälschte Produkte häufig unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen hergestellt.
Wie der Hersteller aus China sogar das Werbevideo des Wasserspielparks kopiert hat, sehen Sie auf der Webseite von Plagiarius unter: