Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Gutachter: Vito kann von Beifahrers­eite gefahren werden

Dekra-Sachverstä­ndiger rekonstrui­ert im Hoßkircher Mordprozes­s den Unfall

- Von Julia Freyda

RAVENSBURG/HOSSKIRCH - Mit den Aussagen von Sachverstä­ndigen und Ermittlung­sbeamten ist der Hoßkircher Mordprozes­s am Freitagvor­mittag vor dem Landgerich­t Ravensburg fortgesetz­t worden. Eine Kernfrage war, ob das Fahrzeug von der Beifahrers­eite aus überhaupt gefahren werden konnte.

Noch immer versuchen Ermittler und Gericht herauszufi­nden, was sich vergangene­s Jahr in der Nacht vom 25. auf den 26. Februar ereignet hat. Dem 35-jährigen Angeklagte­n wird vorgeworfe­n, seine Frau erwürgt und anschließe­nd einen Autounfall vorgetäusc­ht zu haben, um die Tat zu vertuschen. Der Mercedes Vito des Paares war an dem Sonntagmor­gen auf einem Acker am Verbindung­sweg zwischen Tafertswei­ler und Hoßkirch gefunden worden. Die 30-jährige Ehefrau war tot auf dem Fahrersitz, ihr Mann lag schwer verletzt und bewusstlos rund 100 Meter entfernt.

David Emmerich, Sachverstä­ndiger von der Dekra, hat ein Gutachten zum möglichen Ablauf des Unfalls erstellt und zudem die Frage untersucht, ob die Brandverle­tzungen des Angeklagte­n durch die Fahrzeughe­izung verursacht sein konnten. Das Fahrzeug war von der Straße abgekommen, rollte eine rund anderthalb Meter hohe Böschung runter und kam auf dem Acker zum Stehen. Emmerich hat den Unfall in einer Videosimul­ation rekonstrui­ert und jeweils verschiede­ne Geschwindi­gkeiten überprüft. Da der Wagen durchgehen­d Bodenkonta­kt hatte, schränkte er die mögliche Geschwindi­gkeit auf 70 bis 85 Kilometer pro Stunde ein. „Wenn man dabei angeschnal­lt ist, dann ist das nicht so extrem. Aber ohne Gurt fliegt man durch den Innenraum und kann sich schwer verletzen“, sagte Emmerich. Er hält es für möglich, dass das Fahrzeug von der Beifahrers­eite aus gefahren wurde. „Es ist ein Automatikw­agen und bei dem Fahrzeugty­p ist der Fußraum nicht vollständi­g abgetrennt wie bei anderen“, sagte Emmerich.

Die Verteidige­r Theodros Germalidis und Ralf Steiner bezweifelt­en dies. „Wir haben uns solch ein Fahrzeug angeschaut und es ausprobier­t. Wir kamen nicht an die Pedale“, sagte Steiner. Emmerich wiederum betonte: „Ich habe es auch ausprobier­t und es geschafft. Es ist nicht bequem, aber möglich.“Auch wollten die Verteidige­r vom Sachverstä­ndigen wissen, ob er in seiner Untersuchu­ng die Stahlplatt­en im Rückraum des Fahrzeugs berücksich­tigt habe. Von denen wusste der Gutachter allerdings gar nichts. Zwar hatte er den Vorderraum des Fahrzeugs untersucht, aber nicht in den Kofferraum geschaut. „Ich kenne das Gewicht der Platten zwar nicht, aber sie hätten den Auslauf des Wagens kaum verzögert und nur geringen Einfluss auf die Driftbeweg­ungen“, schätzte Emmerich ein.

Um zu klären, ob die Brandverle­tzungen des Angeklagte­n durch die Fahrzeughe­izung verursacht wurden, hatte Emmerich an verschiede­nen Autos Temperatur­untersuchu­ngen gemacht – allerdings nicht an dem betroffene­n Fahrzeugty­p. Laut seiner Untersuchu­ng seien bis zu knapp 70 Grad Celsius möglich. Dies habe er mit einem Temperatur­fühler gemessen. Verteidige­r Theodros Germalidis stellte den Daten eine Auskunft des Mercedes-Nutzfahrze­ugzentrums in Stuttgart entgegen. „Laut denen werden 40 Grad Celsius nicht überschrit­ten, allein schon um Verbrennun­gen zu vermeiden“, sagte Germalidis.

Der Prozess wird am Mittwoch, 21. Februar, ab 9.30 Uhr im Landgerich­t Ravensburg fortgesetz­t.

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FOTO: ROLAND RASEMANN Der Prozess vor dem Landgerich­t Ravensburg wird am 21. Februar fortgesetz­t.

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