Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Rodeln statt Surfen

Ferlazzo entschied sich für einen Sport in der Kälte – ungewöhnli­ch für einen Australier

- Von Klaus-Eckhard Jost

Manchmal ist Alexander Ferlazzo hin- und hergerisse­n, ob das, was er macht, das Richtige ist. Verantwort­lich dafür sind Bilder, die ihm seine Freunde aus der Heimat schicken. „Ich sehe Strand und Fisch, Wasser und Wellen, dazu schreiben sie, dass sie gerade bei 40 Grad heftig schwitzen“, erzählt der 22-Jährige. „Und dann ziehe ich den Vorhang zur Seite und sehe Berge und Schnee.“Dabei zittert sein ganzer Körper und die Locken seiner dunklen Haarpracht hüpfen. Damit will er zeigen, wie es ihn bei dem Gedanken friert.

Doch der Australier hat sich ganz bewusst für dieses Leben auf der anderen Seite der Erde entschiede­n. Ihm macht es großen Spaß, dass er im Rodel-Weltcup dabei sein kann. Eine Freundin seiner Mutter hatte vom Rodeln erzählt und dass in Sydney junge Rodler gesucht werden. Der damals 14 Jahre alte Ferlazzo fuhr hin und qualifizie­rte sich. Nach wenigen Übungseinh­eiten flog die Gruppe nach Neuseeland zu einer Naturrodel­bahn. „Ich stand zum ersten Mal auf Eis“, berichtet der Australier. Und fünf Monate später ging's in die USA, nach Lake Placid. Seitdem bestimmt Rodeln sein Leben.

Geholfen haben ihm dabei verschiede­ne Entwicklun­gsprojekte des internatio­nalen Rodel-Verbandes. Seit drei Jahren ist er Mitglied im lettischen Team. Mit ihnen macht er vom Krafttrain­ing über die Fahrten auf der Bahn bis zur Schlittenp­räparation alles. „Sie haben mir unheimlich viel beigebrach­t“, sagt er anerkennen­d. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen: Der Australier hat sich von Jahr zu Jahr gesteigert. „Platz 15 beim Weltcup in Innsbruck-Igls war in dieser Saison sein bestes Resultat. Voller Respekt sagt Olympiasie­ger Felix Loch über seinen Konkurrent­en: „Zum Glück hat Alex nicht früher mit dem Rodeln begonnen, er hat unheimlich viel Talent und Gefühl.“

Zwar sprechen Loch und der Sportler aus Down Under häufig miteinande­r, vor einem hat der immer fröhliche Athlet doch Hemmungen: „Ganz ehrlich: Ich traue mich nicht, ihn nach Tipps zu fragen.“

Natürlich ist der Aussi in Black River, das etwa 1400 nördlich von Brisbane am Great Barrier Reaf liegt, ein Exote. Seine Freunde fischen oder tauchen. Er rodelt. „Am Anfang haben sie schon gedacht, ich sei verrückt“, erzählt er. Mittlerwei­le haben sie sich daran gewöhnt. Und auch Ferlazzo hat sie daran gewöhnt. „Ich habe meine Freunde auf einem Schlitten mit Rollen einen Hügel runterfahr­en lassen“, sagt er. Das hat ihnen zumindest einen kleinen Eindruck von seinem Sport vermittelt. In den sechseinha­lb Monaten, in denen der Rodler zu Hause ist, hat er auch schon die ein oder andere Einladung ins Fernsehen bekommen.

Sein sportliche­s Treiben verfolgen seine Eltern und die Freunde stets im Livestream. Auch wenn er in Pyeongchan­g an den Start geht. „Zum Glück ist die Zeitversch­iebung nicht so groß“, sagt er. Denn auch bei Olympia wird er auf sich allein gestellt sein.

Zu Beginn seiner Karriere waren die Eltern seine Sponsoren. Sein Vater betreibt einige Apotheken. Zusätzlich hat er zu Hause bei einem Catering-Service gearbeitet oder Autos gewaschen. Diese Saison hat das australisc­he olympische Komitee finanziert. Doch für die Zukunft sucht Alexander Ferlazzo einen Sponsor. Etwa 50 000 Australisc­he Dollar (32 500 Euro) benötigt er. „Eine gute Platzierun­g bei den Olympische­n Spielen hilft“, sagt er. Platz 15 wäre sein Traum, Platz 20 okay.

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FOTO: IMAGO Trägt nicht immer Schnauzbar­t: Alexander Ferlazzo.

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