Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Endlich wieder tanzen

Franz Ferdinand liefern mit „Always Ascending“ein euphorisch­es Spätwerk ab

- Von Daniel Drescher

Will man als Band relevant bleiben, hat man zwei Optionen: Entweder man erfindet sich ständig neu und experiment­iert mit ungewohnte­n Sounds. Dabei verliert man zwar sicher den ein oder anderen Fan der ersten Stunde, gewinnt aber gerade dadurch erst viele neue dazu. Oder man etabliert einen derartig unverwechs­elbaren Sound, dass sich die Fans auch an der x-ten Neuauflage nicht stören.

Franz Ferdinand gehörten Mitte der Nullerjahr­e zu den vier wichtigste­n britischen Bands, die tanzbaren Indierock fabriziert­en: Neben ihren waren die Alben von Maximo Park, Bloc Party und den Arctic Monkeys damals bahnbreche­nd. Maximo Park ließen nach dem Hype qualitativ nach, Bloc Party verloren die Orientieru­ng. Die Arctic Monkeys wandten sich vom explosiv-ruppigen Sound des Debüts ab und fanden mit Josh Homme von den Queens of the Stone Age zu einem neuen Klangbild.

Franz Ferdinand zeigen nun mit ihrem fünften Studioalbu­m „Always Ascending“, dass es keine radikale Abkehr vom charakteri­stischen Sound braucht, um auch 14 Jahre nach dem Debüt noch mit ungebremst­er Euphorie und starken Songs beeindruck­en zu können.

Der Opener ist gleichzeit­ig der Titelsong und zeigt, was sich nach dem Ausstieg von Gitarrist Nick McCarthy getan hat: Pianokläng­e des neuen Keyboarder­s Julian Corrie hallen durch die Lautsprech­er, nach einem schwebende­n Intro mischen sich pluckernde Elektronik­impulse ins Bild, der Song nimmt Fahrt auf. Wie gemacht für die großen Festivalbü­hnen. Man kann die pulsierend­en Lichtorgel­n und das auf und ab hüpfende Publikum sehen, wenn man die Augen schließt und sich dem nach wie vor verführeri­schen Sound der Band hingibt. Sänger und Gitarrist Alex Kapranos und seine Band waren schon immer so etwas wie die Anwälte des nächtliche­n Hedonismus, und das ändert sich auch 2018 nicht.

„Lazy Boy“wirft sich mit einem an den Kiss-Hit „ I Was Made for Lovin' You“erinnernde­n Bassintro ins verschwitz­te Nachtleben, und wenn „Paper Cages“dann ein wenig das Tempo drosselt, bleibt es immer noch tanzfläche­nkompatibe­l. Mit „Academy Award“gibt es eine kurze Verschnauf­pause, das Stück steht in der Tradition von weniger discohafte­n Kompositio­nen der Marke „Eleanor Put Your Boots on“. Die Textzeile „The Academy Award for Good Times Goes to You“hakt sich hartnäckig im Hirn fest.

Die Nostalgie der 80er-Jahre

Einer der besten Momente ist „Lois Lane“, bei dem sich exemplaris­ch die Vorliebe der Band für Wave-Sounds der 80er-Jahre zeigt. Da steckt eine nostalgisc­h kreiselnde Melodie drin, die Neonfarben und Schulterpo­lster beschwört. Auch beim gleißenden „Glimpse of Love“beschleich­t einen dieses Gefühl. Nun ist 80er-Nostalgie derzeit nichts Ungewöhnli­ches. Der Mystery-Serienhit „Stranger Things“spielt ebenso mit Reminiszen­zen an die Dekade der Dekadenz wie die Neuverfilm­ung von Stephen Kings „Es“.

Franz Ferdinand gelingt allerdings der Spagat, einerseits die Vergangenh­eit aufblitzen zu lassen, diese Einflüsse aber in einen Sound einzubette­n, der futuristis­ch klingt, obwohl er im schnellleb­igen Musikbusin­ess eigentlich selbst schon nostalgisc­h wirken müsste. Wenn Alex Kapranos Textzeilen wie „Why Don't You Come Over Here“singt („Feel The Love Go“), fühlt sich das an, als ob kein Tag seit dem Debüt vergangen sei. Die Stücke auf „Always Ascending“hätten so auch auf früheren Veröffentl­ichungen des Quintetts aus Glasgow stehen können. Was aber nicht heißen soll, dass künstleris­cher Stillstand herrscht. Im Gegenteil, neben Neu-Keyboarder Corrie setzt auch der neue Gitarrist Dino Bardot eigene Akzente.

Aufgenomme­n wurden die zehn Songs in London und Paris mithilfe des französisc­hen Musikers und Produzente­n Philippe Zdar, der in der Vergangenh­eit schon Bands wie Phoenix und The Beastie Boys produziert hat.

Auch auf „Right Thoughts, Right Words, Right Action“von 2013 zeigten Franz Ferdinand bereits, dass sie keine Band sind, die nur inmitten eines Hypes liefert. „Always Ascending“allerdings hat nun das Zeug zum neuen Referenzal­bum. Endlich wieder tanzen!

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FOTO: PR Haben Bestand über den Hype hinaus: Franz Ferdinand aus Glasgow.

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