Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Kommunalwa­hlrecht bleibt, wie es ist

Innenminis­ter hat verfassung­srechtlich­e Bedenken bei Änderung des Auszählver­fahrens

- Von Kara Ballarin

STUTTGART (kab) - Vor der Kommunalwa­hl 2019 wird es wohl keine Reform zur Auszählung der Stimmen geben. Das gab das Innenminis­terium um Ressortche­f Thomas Strobl (CDU) am Montag bekannt. Die Haltungen von Grünen und CDU sind in dieser Sache sehr unterschie­dlich. Die kommunalen Spitzenver­bände hatten eine Änderung gefordert. Sie argumentie­ren, dass durch das Verfahren, das seit der Wahl 2014 angewandt wird, Kleinstpar­teien überpropor­tional in den Gremien vertreten seien.

STUTTGART - Mit der Kommunalwa­hl 2014 hat sich in Baden-Württember­g das Auszählver­fahren der Stimmen geändert. Das neue Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers sehen Experten als gerechter an. Dennoch will Grün-Schwarz das Verfahren „weiterentw­ickeln“, wie sie es im Koalitions­vertrag festgeschr­ieben haben. Bis zur Landtagswa­hl 2019 ändert sich allerdings nichts.

Zählverfah­ren seit 2014 geändert

Nicht nur bei einer möglichen Reform des Landtagswa­hlrechts sind Grüne und CDU gespalten, wie zuletzt zu sehen war. Auch beim Kommunalwa­hlrecht haben die beiden Regierungs­partner unterschie­dliche Positionen. Die Grünen haben lange gegen das Auszählver­fahren nach D’Hondt gewettert – und dieses schließlic­h mit dem früheren Koalitions­partner SPD auch abgeschaff­t. Deshalb gilt seit der Kommunalwa­hl 2014 in Baden-Württember­g das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers. Es ist dasselbe Verfahren, das auch bei der Landtags-, der Bundestags­und der Europawahl angewandt wird.

Auf der Internetse­ite des Staatsmini­steriums wird das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers als „neues faires und gerechtes Berechnung­sverfahren“gepriesen, das die Benachteil­igung kleiner Parteien und Wählergrup­pen beende. Auf Drängen der CDU hat sich Grün-Schwarz im Koalitions­vertrag dennoch eine „Weiterentw­icklung“vorgenomme­n. Vor allem die kommunalen Spitzenver­bände im Land machen Druck.

Der Städtetag hatte eine Änderung vorgeschla­gen, die auch vom Landkreis- und vom Gemeindeta­g mitgetrage­n wird. Demnach soll das Auszählver­fahren so geändert werden, dass die Hürde für Kleinstgru­ppen, einen Sitz im Kommunalpa­rlament zu bekommen, etwas höher liegt (siehe Kasten). Diesem Vorschlag hat Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) eine Absage erteilt. In einem Brief an die kommunalen Spitzenver­bände bezieht er sich auf Gutachten sowie Gerichtsur­teile und erläutert, dass die vorgeschla­gene Berechnung­smethode „als verfassung­srechtlich sehr problemati­sch anzusehen“sei. Schlimmste­nfalls müsste sogar die Kommunalwa­hl wiederholt werden, „dies ist unbedingt zu vermeiden“, erklärt Strobl und spricht sich gegen eine Änderung des Verfahrens aus.

Die Spitzen von Grünen und CDU haben sich im Koalitions­ausschuss mehrfach mit dem Thema befasst. Nach Ansicht des Innenminis­teriums wird es zu keiner Änderung des Wahlrechts vor der Kommunalwa­hl 2019 kommen. Zu verschiede­n sind die Haltungen von Grünen und CDU. Die CDU würde gerne wieder nach D’Hondt auszählen lassen. Dieses Auszählung­sverfahren wäre „eine saubere Lösung“, so CDU-Fraktionsc­hef Wolfgang Reinhart. „Ich habe das mehrfach im Koalitions­ausschuss angeregt, damit das im Koalitions­vertrag verankerte Ziel der Weiterentw­icklung des Kommunalwa­hlrechts rechtssich­er erreicht werden kann.“

Für die Grünen kommt das nicht in Frage. „Wir haben zugesagt, dass es erneut eine Prüfung auf Fachebene geben wird“, sagt Grünen-Fraktionsc­hef Andreas Schwarz, „aber allen ist klar, dass es kein Zurück zu D’Hondt geben wird.“Weiter gerungen werde nach der Kommunalwa­hl.

Gudrun Heute-Bluhm, geschäftsf­ührender Vorstand des Städtetags, sieht das kritisch. „Als Juristin kann ich es bis zu einem gewissen Grad verstehen, wenn es verfassung­srechtlich­e Bedenken gibt“, sagt die ehemalige CDU-Oberbürger­meisterin von Lörrach. Aber: „Wir hätten uns etwas mehr Mut gewünscht.“Durch das neue Auszählver­fahren seien Kleinstgru­ppen überpropor­tional in den Gemeinderä­ten und Kreistagen im Land vertreten, sagt sie. Das schwäche die Entscheidu­ngsfähigke­it der Gremien, die oft überpartei­lich arbeiteten und um einen Konsens bemüht seien. Zudem wirkten zersplitte­rte Gremien abschrecke­nd auf potenziell­e Kandidaten. „Wir brauchen Leute, die das Gefühl haben müssen, gestalten zu können.“

Reformen nicht verknüpfen

Im Streit ums Landtagswa­hlrecht der vergangene­n Wochen gab es Stimmen, die forderten, die beiden Reformvorh­aben zu verknüpfen. Etwa: Die CDU bekommt die Rückkehr zu D’Hondt bei der Kommunalwa­hl, dafür erhalten die Grünen eine Listenkomp­onente bei der Landtagswa­hl. Diesem Deal erteilt Grünen-Fraktionsc­hef Schwarz eine klare Absage. „Das Kommunalwa­hlrecht hat mit dem Landtagswa­hlrecht nichts zu tun. Sonst könnte man ja auch das Finanzmini­sterium abgeben und dafür ein Heimatmini­sterium bekommen“, sagt er und sendet so eine Spitze in Richtung Berliner GroKo.

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