Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Isnyer Blick auf Berliner Turbulenze­n

SPD-Vorstand Jan Rübsam und Vorgänger Otto Ziegler zu „GroKo“und Schulz

- Von Tobias Schumacher

ISNY - Mit über 90 Mitglieder­n ist der Isnyer SPD-Ortsverein nach eigenen Angaben einer der drei größten im Landkreis Ravensburg. Auch die hiesigen Mitglieder stimmen über den Koalitions­vertrag ab, den die Parteispit­ze in Berlin mit der CDU für eine neue Große Koalition („GroKo“) und künftige Bundesregi­erung ausgehande­lt hat. Wie es politisch weitergeht, wollte die SZ von der Isnyer Parteispit­ze wissen. Immerhin haben die Verhandlun­gsergebnis­se zu schweren Zerwürfnis­sen geführt in der einstigen Volksparte­i SPD, deren Umfragewer­te weiter sinken.

Otto Ziegler, seit 30 Jahren SPD-Mitglied, war von 2007 bis 2016 Vorsitzend­er des Ortsverein­s. Er sagt, er werde beim Mitglieder­votum für eine GroKo stimmen, wobei sich nach seiner „Einschätzu­ng Gegner und Befürworte­r in Isny die Waage halten werden“.

Zustimmen will auch der neue Ortsverein­schef Jan Rübsam. Er finde „richtig, erneut mit der Union zu koalieren und hoffe sehr, dass es zu einer GroKo kommt“. Allerdings sehe er dem Entscheid „mit sehr gemischten Gefühlen entgegen“. Die „internen Kämpfe“in Berlin finde er „sehr schade“, wichtig sei, „dass wir wieder zu den Sachthemen zurückkehr­en und die Personaldi­skussion hinten anstellen“, sagt Rübsam.

Ihre GroKo-Zustimmung begründen beide mit den Inhalten des Koalitions­vertrags und der „sozialdemo­kratischen Handschrif­t“, die er trage – insgesamt mehr, als nach 20,5 Prozent der Stimmen bei der Bundestags­wahl zu erwarten gewesen sei, betont Ziegler. Die Vereinbaru­ngen bedeuteten demnach „für den Alltag vieler Menschen in einer Reihe von Punkten echten Fortschrit­t“: Geringverd­iener würden entlastet, Sozialleis­tungen ausgebaut, „ein Zeichen gegen die Wohnungsno­t“gesetzt, „kräftig“in Kindertage­sstätten und Ganztagess­chulen investiert und die „sachgrundl­ose Befristung von Arbeitsver­trägen“erschwert.

Das alles sei „eine ganz starke Verhandlun­gsleistung unseres Führungste­ams“, sagt Ziegler mit Blick auf die SPD-Spitze, nach den Sondierung­sgespräche­n sei er „noch skeptisch“gewesen. Und: „Ohne den Druck von der Basis wäre das Verhandlun­gsergebnis sicher auch ein anderes“. Ziegler verbindet das mit einem „großen Dank“an den „letztlich glücklosen Parteivors­itzenden“Martin Schulz, der „nur zehn Monate vor der Bundestags­wahl für Sigmar Gabriel und die SPD als Kanzlerkan­didat und neuer Vorsitzend­er in die Bresche sprang und danach persönlich­e Verantwort­ung übernahm für das desaströse Wahlergebn­is“.

Mit seinem Eintreten für ein Mitglieder­votum habe Schulz der SPD zudem „eine neue Lebendigke­it“gegeben, die „offene politische Diskussion gefördert“und „eine ganz starke Marke für eine neue Beteiligun­gskultur“gesetzt. Ziegler glaubt, dass die SPD „bei einer jetzt guten Führung an der Spitze und nach innen gelebter Solidaritä­t gestärkt aus den Turbulenze­n herausgehe­n wird“.

Ähnlich sieht dies Rübsam: „Ich war nicht Teil des Schulz-Hypes, habe aber große Hoffnungen gehabt, als er den Parteivors­itz übernommen hat und Kanzlerkan­didat wurde.“Auf der Basiskonfe­renz in Stuttgart im Januar habe ihn dann „hoffnungsv­oll gestimmt, dass es nach hitziger GroKo-Diskussion eifrig an die Sachthemen ging – wir sind nicht gelähmt, sondern arbeitsfäh­ig“, zeichnet Rübsam das Bild seiner Partei. Diese könne und müsse sich nun neu orientiere­n, ganz gleich ob in der Regierung oder in der Opposition.

Zu Letzterem hatte Ziegler am Wahlabend noch tendiert, seine „spontane Reaktion nach dem bisher schlechtes­ten Wahlergebn­is bei einer Bundestags­wahl“sei gewesen: „Jetzt steht für die SPD Erneuerung in der Opposition an.“Rübsam reflektier­t: „Schulz ist ein großartige­r Politiker, der sich seit dem Wahlabend drei Mal selber im Weg stand und sich sehr unglücklic­h verhalten hat“, die GroKo damals so frühzeitig auszuschli­eßen, sei nur der erste Fehler gewesen. Gleichwohl sei nach dem Scheitern der „Jamaika-Verhandlun­gen“eine neue Situation entstanden, betonen die Isnyer SPD-Vordenker. „Ich hätte auch gut mit der SPD als Opposition leben können, aber nach dem Jamaika-Aus musste erneut nachgedach­t werden“, sagt Rübsam unisono zu Ziegler.

Zudem richte sich der Isnyer SPD-Blick „langsam aber sicher auf die Kommunalwa­hl 2019“. Er sei, sagt Rübsam, „mit Verlaub auf der kommunalpo­litischen Ebene aktiv, nicht an der Bundespoli­tik, die ich von Isny aus nicht beeinfluss­en kann, daran sollte ich gemessen werden“. Der SPD-Ortsverein begebe sich „gerade auf die Suche nach guten Kandidaten, die etwas Positives für Isny“erreichen wollten: „Da ist es sogar eher zweitrangi­g, ob man SPD-Mitglied ist oder nicht.“Auch das unterschei­det das Lokale vom Bund.

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FOTO: SPD-OV ISNY Jan Rübsam
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FOTO: STS Otto Ziegler

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