Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Durchbruch für die jungen Wilden
Ochsenhausen schlägt Saarbrücken zweimal und schwingt sich in die Tischtennis-Elite Europas empor
OCHSENHAUSEN - Kürzlich im Champions-League-Hinspiel beim 2:3 gegen Saarbrücken war Jakub Dyjas, die Nr. 71 der Tischtenniswelt, so etwas wie die tragische Figur der TTF Ochsenhausen. Der 22-Jährige vergab gegen den 15 Jahre älteren Bojan Tokic einen Matchball und musste sich danach vorwerfen lassen, wieder mal im richtigen Moment die falschen Entscheidungen getroffen zu haben, also die kleinen, winzigen, am Ende aber ausschlaggebenden Dinge wie die Länge des Rückschlags oder die Art des Aufschlags falsch gemacht zu haben. Zwei Tage danach aber führte der EM-Dritte von 2016 und -Zweite im Doppel die TTF mit einem Sieg über Bastian Steger zu einem 3:0 in Bremen. Und am Wochenende zeigte Dyjas endgültig, dass er wieder auf dem Weg zur Topform ist.
Ein 11:1 zum Finale
Beim 3:1-Sieg im Rückspiel der Königsklasse am Freitag ließ sich Dyjas auch von zwei vergebenen Matchbällen gegen Tiago Apolonia im vierten Satz nicht aufhalten, er brachte den wichtigen Auftaktsieg nach Hause. Beim 3:2 in der Bundesliga gegen die Saarländer zwei Tage darauf mutierte er sogar zum Matchwinner. Zunächst schlug er den deutschen Nationalspieler Patrick Franziska mit 3:0, dann traf er im finalen fünften Spiel erneut auf Tokic. Wieder ging es nach einem 1:2-Rückstand in den fünften Satz, und was dieser Jakub Dyjas, den TTF-Präsident Kristijan Pejinovic für den Spieler mit dem größten Potenzial hält, so alles kann, sah man nun: Mit 11:1 fegte er den Slowenen vom Tisch. Der Mann aus Koszalin in Westpommern hatte nicht nur die Nerven behalten und die richtigen Entscheidungen getroffen, er spielte wie im Rausch. Und hatte damit den Fauxpas von Hugo Calderano, der im Auftakteinzel gegen Tokic drei Matchbälle versemmelt hatte, mehr als repariert.
Für TTF-Sportmanager Daniel Zwickl war all das kein Zufall: „Unser ältester Spieler heute am Tisch war 22, da sind Ups und Downs viel häufiger als bei so erfahrenen Spielern wie den Saarbrückern“, sagte der ungarische Ex-Nationalspieler. „Wir haben aber immer an unsere Qualität geglaubt und arbeiten sehr hart für den Erfolg, auch in mentaler Hinsicht, was sich gerade jetzt bei Jakub ausgezahlt hat. Solche Spiele wie heute bringen ihn und das gesamte Team weiter.“
Tatsächlich zeigten die TTF am Wochenende, dass sie inzwischen auch das Fehlen ihres besten Mannes wegstecken können. Der Franzose Simon Gauzy, Nr. 9 der Welt und mit 23 Lenzen Senior der oberschwäbischen Rasselbande, setzte wegen seinen Rückenproblemen weiterhin aus, im Saisonfinale aber dürfte er dabei sein.
Dann wollen die Ochsenhausener ihren ersten Titel seit vierzehn Jahren holen, zumindest aber wieder mal ein Finale erreichen. Die Chancen stehen gut, selbst wenn die nächste Hürde der deutsche Rekordtitelhamster Borussia Düsseldorf sein wird. In der Champions League treffen die TTF (zunächst Mitte März in Ochsenhausen) wieder mal auf das Team von Rekord-Europameister Timo Boll. Der 36-Jährige ist zwar Düsseldorfs Dauer-Matchwinner, Gauzy, Dyjas und Hugo Calderano aber haben ihn bereits geschlagen. Bei einem Sieg über den Meister wäre im Finale aber Russlands Titelverteidiger Orenburg um Dimitrij Ovtcharov, die Nr. 1 der Welt, wohl eine uneinnehmbare Hürde.
Bundesliga: Ziel ist Platz zwei
Besser stehen die Chancen in der Bundesliga, wo die TTF angesichts ihres leichten Restprogramms gegen die vier Ligaletzten beste Aussichten haben, am Ende der Hauptrunde auf Platz zwei zu landen und damit erst in einem potenziellen Finale in Frankfurt auf Düsseldorf treffen zu können. An nur einem Tag dürfte Boll theoretisch noch besser zu schlagen sein, auch er ist keine Maschine, auch wenn er national zuweilen daran erinnert.
Zunächst allerdings freuten sich die TTF über ihre Rückkehr in den erlauchten Kreis der Top vier in Europa: „Der Freitag war ein Durchbruch für uns, nach der Final-Four-Niederlage im Pokal gegen Saarbrücken und dem knappen Scheitern in der Champions League letztes Jahr gegen Düsseldorf. Jetzt gehören wir zur Spitze Europas und sind stolz darauf, das geschafft zu haben“, sagte Zwickl. Pejinovic blickte bereits nach vorne: „Ich traue uns im Halbfinale durchaus etwas zu, wobei sicher einiges davon abhängen wird, ob Simon Gauzy bis dahin wieder in guter Verfassung ist.“
Ihre juvenile Nervosität immerhin scheinen die TTF langsam in den Griff zu bekommen, und Hoffnungen dürfte ihnen ohnehin der Umstand machen, dass Tischtennisspieler wie archäologische Funde sind: je älter, desto besser. Sie müssen nur von ein paar Schlachten wie jenen am Wochenende gestählt worden sein.