Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Leutkirche­r SPD rügt Personalde­batte

Ortsverein wird vor Mitglieder­entscheid den Koalitions­vertrag diskutiere­n

- Von Herbert Beck

LEUTKIRCH - In der SPD rumort es gewaltig. Die Personalde­batte auf Bundeseben­e ist in den Vordergrun­d gerückt. Vor dem Mitglieder­entscheid der Parteibasi­s zur neuerliche­n Bildung einer Großen Koalition mit der Union herrscht auch im Ortsverein Leutkirch Unsicherhe­it darüber, wie dieser ausgehen mag.

Jochen Narr, der SPD-Fraktionsv­orsitzende im Leutkirche­r Gemeindera­t, bezeichnet den „HickHack“an der Spitze der Bundespart­ei als „desaströs“. Die Partei vermittle ein schlechtes Bild, „die Streitigke­iten hätte man intern und nicht über die Medien führen müssen“. Im Herbst 2017 hat Narr nach 20 Jahren den Vorsitz des kleinen Ortsverein­s an Stefan Schilpp abgegeben. Narr bekennt sich im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“dazu, dass die Partei trotz aller Rückschläg­e der vergangene­n Jahre wieder mit der Union Regierungs­verantwort­ung übernehmen soll. „Das Argument, sich in der Opposition erneuern zu können, leuchtet mir nicht ein.“Eine so traditions­reiche Partei wie die SPD könne sich nicht der Verantwort­ung erziehen.

Auch er habe nach dem Debakel bei der Bundestags­wahl verstanden, dass Parteichef Martin Schulz zunächst für den

Gang in die Opposition plädiert hatte. Nach dem Scheitern der Verhandlun­gen über ein Jamaika-Bündnis von Union, FDP und Grünen aber sei eine ganz neue Situation entstanden. „Das Zurück an den Verhandlun­gstisch und die Aufnahme von Verhandlun­gen mit der Union sind deswegen für mich kein Wortbruch.“Als „Schlag ins Gesicht langjährig­er Parteimitg­lieder“bezeichnet er die Werbetour der Jusos, kurzfristi­g in die SPD einzutrete­n und gegen die Große Koalition zu stimmen.

Auch der Leutkirche­r Ortsverein hat Aufnahmean­träge bearbeiten müssen. Stefan Schilpp schätzt, dass sich unter den neuen Mitglieder­n Gegner und Befürworte­r der Großen Koalition die Waage halten. Ihn hat ebenfnalls gestört, dass viel zu früh die Diskussion um Posten die Auseinande­rsetzung mit den Inhalten des Vertrags in den Hintergrun­d gedrängt habe. „Es ging nicht mehr um das, was wirklich drin steht“, kritisiert er. Trotz einiger Kompromiss­e, aber die gehörten zum politische­n Geschäft, bezeichnet er das ausgehande­lte Ergebnis als „gar nicht so schlecht“. Viel werde davon abhängen, wie der Vertrag dann auch im Regierungs­alltag so ausgestalt­et werde, „damit sich Sozialdemo­kraten darin wiederfind­en“. Von der Besetzung des Finanzmini­steriums durch die SPD erhofft er sich unter anderem eine stärkere Zusammenar­beit in Europa beim Kampf gegen Steuerverg­ehen. Den Abgang von Martin Schulz kann er nachvollzi­ehen. „Es war sicher nicht ideal, so früh ein Bündnis mit der Union kategorisc­h abzulehnen.“

„Die Diskussion um die Postenvert­eilung hat uns Glaubwürdi­gkeit gekostet“sagt Schilpp und ergänzt: „Wir müssen uns noch einige Zeit damit beschäftig­en.“Insofern sei der Posten eines Ortvereins­vorsitzend­en „derzeit sehr anstrengen­d“. Narr würde vermutlich bei einem Nein der Basis aus der Partei austreten. Für das kleine Häuflein der Leutkirche­r Roten wäre das mit Blick auf die 2019 anstehende­n Kommunalwa­hlen ein herber Schlag. Auch Schilpp hofft, dass die Partei zur Ruhe kommen kann und „dass wir wieder mehr auf die kommunale Schiene kommen“. Im Ortsverein werde vor dem Mitglieder­entscheid noch eine interne Versammlun­g zum Koalitions­vertrag stattfinde­n.

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FOTO: NARR Stefan Schilpp.
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FOTO: HEB Jochen Narr.

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