Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Brandstift­ung am Berliner Platz in Lindau landet zum zweiten Mal vor dem BGH

Anwälte haben Revision eingelegt – Sie sind noch immer davon überzeugt, dass ihr Mandant keine Gefahr für die Allgemeinh­eit ist

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LINDAU (jule) - Die Brandstift­ung am Berliner Platz in Lindau landet schon wieder vor dem Bundesgeri­chtshof. Anwältin Olga Sommer gibt auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“an, dass sie und ihr Kollege Moritz David Schmitt Revision gegen das Urteil des Landgerich­ts Kempten eingelegt haben. Erst im Mai vergangene­n Jahres hatten Deutschlan­ds oberste Richter ein Urteil des Landgerich­ts im selben Fall aufgehoben.

Im Grunde geht es noch immer um die Frage, ob der Mann, der im Juli 2015 ein Haus am Berliner Platz angezündet hat, auch in Zukunft eine Gefahr für die Gesellscha­ft darstellt. Die Staatsanwa­ltschaft Kempten findet: Ja. „Ich glaube nicht, dass er eine Gefahr für die Allgemeinh­eit ist“, sagt Anwältin Olga Sommer.

Rückblick: Vor fast drei Jahren hatte der damals 56-jährige Mann im Keller eines Hauses mit einem Feuerlösch­er einen Gashahn aufgeschla­gen und Feuer gelegt. Feuerwehr und Stadtwerke verhindert­en Schlimmere­s, beinahe wäre es zu einer Gasexplosi­on gekommen. Ein Feuerwehrm­ann fand den Brandstift­er nach der Evakuierun­g des Hauses. Im Frühjahr 2016 eröffnete das Landgerich­t Kempten das Verfahren gegen den Beschuldig­ten. Nach vielen Wochen teils zäher Verhandlun­g gestand er die Tat. Während der Verhandlun­g wurde deutlich, dass der Angeklagte an Verfolgung­sund Vergiftung­swahn leidet: Den Brand soll er gelegt haben, um sich vor der sogenannte­n Organisati­on zu schützen. Aus Angst vor dieser Organisati­on, die in Wirklichke­it nicht existiert, war er in den Keller geflüchtet. Das Feuer legte er offenbar in der Hoffnung darauf, dass Feuerwehr oder Polizei ihn retten. Im Krankenhau­s hatte er später Angst, von den Angestellt­en vergiftet zu werden und verweigert­e Medikament­e.

Die Richter am Kemptener Landgerich­t befanden ihn schließlic­h wegen seiner psychische­n Krankheit für schuldunfä­hig. Eine Einweisung in die Psychiatri­e ordneten sie aber nicht an, sodass der Angeklagte nach der Urteilsver­kündung am 9. August 2016 wieder auf freiem Fuß war.

Gegen dieses Urteil legte die Staatsanwa­ltschaft Revision ein. Sie war der Ansicht, dass der Mann auch weiterhin gefährlich ist. Der Fall landete vor dem Bundesgeri­chtshof (BGH) in Karlsruhe. Dort kam es sogar zur mündlichen Verhandlun­g. Das passiert vor dem BGH nur selten. Der Strafsenat hob das Urteil des Landgerich­ts schließlic­h auf, eine neue Kammer rollte die Verhandlun­g vergangene­s Jahr erneut auf. Die Richter des Revisionsv­erfahrens entschiede­n anders als die erste Kammer: Am 15. Dezember ordneten sie die Unterbring­ung des Angeklagte­n in einem psychiatri­schen Krankenhau­s an. Die Einweisung in eine psychiatri­sche Anstalt gehört zu den härtesten Strafen, die das deutsche Rechtssyst­em vorsieht. Denn sie ist, im Gegensatz zu einer Gefängniss­trafe, zeitlich unbegrenzt.

Gegen dieses Urteil haben nun aber die Anwälte des Angeklagte­n Revision eingelegt. Bis Ende Februar haben sie laut Hanspeter Zweng, Sprecher des Landgerich­ts Kempten, Zeit, ihre Revision zu begründen. „Ich habe die Befürchtun­g, dass der BGH noch einmal drüber schauen muss“, sagt Olga Sommer im Gespräch mit der SZ. Sie halte ihren Mandanten trotz seiner psychische­n Probleme für ungefährli­ch. „Stellen Sie sich vor, wir würden jeden mit psychische­n Problemen einsperren. Dann wären 50 Prozent der Gesellscha­ft weggesperr­t.“

Ihr Mandant tue ihr leid. „Er ist in seiner Welt gefangen. Der Angeklagte ist gleichzeit­ig ein Geschädigt­er.“Allerdings räumt auch Sommer ein, dass der Fall schwierig ist. „Dieses Verfahren macht, glaube ich, keinem Spaß.“

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