Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Zu Fuß unterwegs für Gerechtigkeit
Wallfahrer informieren im Pius-Scheel-Haus über die Misereor-Hungertuch-Aktion
BAD WURZACH - Was motiviert Menschen, sich für eine gute Woche mit einem 2x3-Meter-Hungertuch von Rottenburg aus bis nach München auf den Weg zu machen? Zu Fuß, mit Schlafplätzen in einfachen Gemeindehäusern und Schulen? „Wir laufen für die Gerechtigkeit in der Welt“, erklärt Elke Hildebrand von Misereor bei der Informationsveranstaltung im Bad Wurzacher Pius-Scheel-Haus den Zweck der Hungertuchaktion.
Die knapp 60 Wallfahrer, die sich aus ganz Deutschland zusammengefunden haben, haben es sich zum Ziel gesetzt, das Hungertuch rechtzeitig bis Sonntag nach München zu bringen, um dort die diesjährige Misereor-Fastenaktion mit einem Gottesdienst zu eröffnen. Dieses Jahr steht die Aktion unter dem Motto „Heute schon die Welt verändert?“und wendet sich verstärkt Indien zu.
Seit 1958 gibt es Misereor bereits, 1978 kam die Idee auf, in der Fastenzeit mit einem speziellen Motto inhaltliche Schwerpunkte zu setzen. Die Hungertuchtradition hingegen stammt schon aus dem Mittelalter. Damals wurden auf die Tücher, die den Altar verdecken, markante Bibelabbildungen aufgestickt, was unter anderem dem Analphabetismus der Bevölkerung geschuldet war. Misereor bedient sich dieser Tradition und lässt alle zwei Jahre ein Hungertuch gestalten, was auf eine bestimmte Problematik aufmerksam machen möchte.
Das jetzige Hungertuch mit dem Namen „Ich bin, weil Du bist“zieren zwei Menschen im Profil, die sich gegenüberstehen und sich anblicken, die Arme auf der jeweilig anderen Schulter. Getrennt werden die beiden durch den Farbunterschied zwischen rechter und linker Bildhälfte. Der Künstler aus Nigeria will damit zu einer Begegnung auf Augenhöhe und zu gegenseitiger Achtung aufrufen, trotz aller Unterschiede.
„Dort haben die Menschen eine andere Lebenseinstellung“, sagte Elke Hildebrand, „da ist die Gemeinschaft wichtiger als die Bedürfnisse des Einzelnen“. Sie machte auf die Ressourcennutzung aufmerksam: „Wir in Europa verbrauchen momentan 1,5 Welten“.
Mit der Aktion wolle man den Sinn für Gerechtigkeit schärfen und zu mehr weltlichem Gemeinschaftsgeist aufrufen. „Besonders schön ist“, fügte Angelika Becker-Held hinzu, die ebenfalls bei Misereor arbeitet, „dass auch in Indien mit dem gleichen Bild und dem gleichen Motto die Fastenaktion begangen wird.“
Gegen Ende sprachen die Wallfahrer von ihrer Begeisterung für die Aktion. „Es ist einfach eine großartige Aktion“, sagte Elke Hildebrand, „und ein großes Stück Öffentlichkeitsarbeit, was ein einzelner Misereor-Mitarbeiter nie leisten könnte“. Selbst wenn man manchmal, wie Angelika Becker-Held schmunzelnd berichtete, mit Demonstranten oder Müllmännern verwechselt werden würde, sei das letztendliche Ziel, „die Anliegen von Misereor zu verbreiten“.