Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Trump muss sich eine neue Taktik überlegen
US-Sonderermittler in der Russland-Affäre nennt Namen der Verantwortlichen – Einfluss auf Wahlergebnis kann er allerdings nicht belegen
WASHINGTON - Wann immer der Verdacht laut wurde, Russland habe die US-Präsidentschaftswahl des Jahres 2016 beeinflusst, hat sich Donald Trump darüber mokiert. Mal sprach der Präsident von einem Scherz, mal von Fake News, mal von einer Hexenjagd. Meist sah er Leute am Werk, die ihm den Sieg nicht gönnten.
Zumindest das mit dem Scherz klingt nur noch grotesk, seit Robert Mueller, der Sonderermittler der Russland-Affäre, in einer Anklageschrift nachgewiesen hat, wie russische Cyber-Experten versuchten, im Wahlkampf mitzumischen. Der frühere FBI-Chef, bekannt für seine Gründlichkeit, nennt Ross und Reiter. Die Belege, die er anführt, sind zu konkret, als dass Trump mit ein paar lockeren Tweets dagegenhalten könnte.
„Wir hatten hier eine kleine Krise“, zitiert Mueller aus einer E-Mail, die eine Russin namens Irina Kaverzina an Verwandte schrieb. Das FBI sei ihnen auf die Schliche gekommen, „also bin ich mit meinen Kollegen damit beschäftigt, Spuren zu verwischen“. Das mag klingen, als wäre es dem Skript eines Agententhrillers entliehen, doch nichts daran ist Fiktion. Kaverzina, fanden die Amerikaner heraus, saß in einem Büro in St. Petersburg, beschäftigt bei der Internet Research Agency (IRA), die wiederum der Unternehmer Jewgeni Prigoschin steuerte, ein enger Vertrauter Putins. Prigoschin soll dafür bezahlt haben, dass in den sozialen Medien Falschinformationen gestreut wurden. Von Leuten, die sich den Anschein gaben, als wären sie in Denver, Milwaukee oder Nashville zu Hause.
In Regie der IRA entstanden Initiativen, die sich „Secured Borders“oder „United Muslims of America“nannten. Bei Twitter meldete sich eine Gruppe zu Wort, die vorgab, im Namen der Republikanischen Partei von Tennessee zu sprechen, und es immerhin auf 136 000 Follower brachte. Trumps ältester Sohn, Donald junior, hat sich des Öfteren auf sie bezogen.
Was Mueller auf 37 Seiten auflistet, wiegt zu schwer, als dass Trump an seiner Taktik festhalten könnte. Bislang hat er die Rolle Russlands heruntergespielt. Nun muss er andere Argumente bemühen, und genau das hat er getan, in einem schnellen Schwenk, wie er typisch ist für seine Art. Die Russen, gibt Trump wieder, was Mueller dokumentiert, hätten 2014 mit ihrer Kampagne gegen die USA begonnen. Da habe er noch nicht mal seine Kandidatur erklärt – „Keine Kollusion!“Den Nachweis, dass Vertraute Trumps mit dem Kreml geheime Absprachen trafen, hat Mueller tatsächlich noch nicht erbracht. Ob er ihn jemals erbringen wird, bleibt offen. Auch die entscheidende Frage vermag der Sonderermittler nicht zu beantworten: Ob Russland das Votum tatsächlich zu Trumps Gunsten gedreht hat.