Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Mildes Urteil mit Signalwirkung in Wangen
Frau wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Geldstrafe verurteilt
WANGEN - Schuldig gesprochen worden ist jetzt eine 29-jährige Frau, die in einer therapeutischen Wohngemeinschaft im ZfP Weißenau lebt. Das Amtsgericht Wangen sah den Tatbestand des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in drei Fällen als erfüllt an. Die Verwarnung mit Strafvorbehalt, was einer „Geldstrafe zur Bewährung“gleichkommt, wollte der Richter als Signal verstanden wissen, „dass es so nicht geht“.
Die Begleitumstände zu diesem Fall hörten sich ebenso tragisch an wie sie erschütterten. Bis sie 18 Jahre alt wurde, hatte die Angeklagte bereits 20 Aufenthalte in Kliniken der Kinder- und Jugendpsychiatrie hinter sich. Ihre Lebensmüdigkeit und die damit verbundenen Selbstverletzungen setzten sich danach verstärkt fort.
„Es waren seitdem bis zu 50 stationäre Behandlungen nötig“, berichtete der zu Rate gezogene Facharzt aus der allgemeinpsychiatrischen Station in Wangen. Und er diagnostizierte bei der Frau, die vor Weißenau in einer Wohngruppe in Wangen gewohnt hatte, eine „ausgeprägte emotional instabile Persönlichkeitsstörung“.
Zwischen September und Weihnachten 2016 hatte sich die Angeklagte an drei Tagen gegen die Einlieferung in die Klinik am Engelberg verbal und mit Händen und Füßen gewehrt. Und das, obwohl sie in der Polizeiwache zuvor ihre Suizidabsichten mitgeteilt, sich persönlich hilfesuchend an diese gewandt hatte. „Ich war nicht gut drauf, habe mich in einem Ausnahmezustand befunden“, sagte die 29-Jährige und erklärte: „Das Geschehene tut mir leid. Ich arbeite an mir, damit so etwas nicht wieder vorkommt.“
Noch ein weiteres Delikt kam hinzu. Als es die Frau im Juni 2017 in der geschlossenen Tagesgruppe in Weißenau nicht mehr aushielt, als sie „raus wollte, aber nicht durfte“, betätigte sie kurzerhand den Notruf. Danach öffnete sich die Tür, sie konnte das Gebäude verlassen, „um mir etwas anzutun“. Eine Anzeige wegen „Missbrauch von Notrufen“folgte.
Der sachverständige Arzt, der die Angeklagte seit rund acht Jahren kennt, sprach von zahlreichen Polizeieinsätzen. Der anfänglich „halbwegs stabile Krankheitszustand“habe sich aber immer instabiler gezeigt, sagte er und fasste zusammen: „Es wurde schwieriger und gefährlicher. So wollte sie einmal von einer Eisenbahnbrücke hinunterspringen, was dann aber verhindert wurde.“
Es müssen laut Mediziner „traumatisierende Kindheitserlebnisse“gewesen sein, die in der Patientin „wie ein Film ablaufen“. Um daraus wieder herauszukommen, würden Hilferufe gestartet, „die aber paradoxerweise nicht angenommen werden“. Nach der Beruhigung erfolge dann die Gegenwehr. Seelische Abartigkeit oder das Fehlen von Einsicht sei nicht das Thema, allerdings sei die Steuerungsfähigkeit „erheblich vermindert“. Der Arzt schloss seinen Bericht mit den Worten: „Seit die Frau in der rund um die Uhr betreuten Wohngruppe lebt, hat sich ihr Zustand stabilisiert. Allerdings ist die Verweildauer hier auf zwei Jahre begrenzt.“
Nachdem der Rechtsbeistand auf Freispruch plädierte, die Staatsanwaltschaft zuvor auf das Verhängen einer Geldstrafe, war es für den Richter am Amtsgericht klar: „Der Vorsatz der Körperverletzung ist erfüllt. Die Angeklagte hat um sich geschlagen und mit den Füßen gegen die Beamten getreten.“Mit der Sanktion tat sich der Richter allerdings schwer. Einmal, weil man von einer „eingeschränkten Schuldfähigkeit“sprechen könne, zum anderen, weil eine Geldstrafe „wenig zielführend ist“.
Der Richter verwarnte die nicht vorbestrafte Angeklagte und verurteilte sie zur Zahlung von 50 Tagessätzen à fünf Euro, die „vorbehalten“bleibt. Die Bewährungszeit wurde auf zwei Jahre festgesetzt. Zudem wurde der 29-Jährigen auferlegt, „in der Wohngruppe zu verbleiben“.