Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
CDU setzt auf Kramp-Karrenbauer als Generalsekretärin
Kanzlerin Merkel für Ministerpräsidentin des Saarlands – Lob von Spahn und Strobl
BERLIN/SAARBRÜCKEN - Die Idee stammt von ihr selbst. Nach der historischen Wahlschlappe der Union bei der Bundestagswahl will Annegret Kramp-Karrenbauer neue CDUGeneralsekretärin werden und einen neuen Programmprozess anstoßen. CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel möchte die saarländische Ministerpräsidentin auf dem Parteitag der Christdemokraten am kommenden Montag zur Wahl vorschlagen. Die 55-Jährige soll den erkrankten Peter Tauber (43), der am Montag angekündigt hatte, sein Amt zur Verfügung stellen zu wollen, ablösen.
Kanzlerin Merkel freute sich über die Bereitschaft Kramp-Karrenbauers. Es sei alles andere als selbstverständlich, sagte Merkel am Montag nach Sitzungen der CDU-Spitzengremien in Berlin, dass eine erfolgreiche Ministerpräsidentin vom Staatsamt in ein Parteiamt wechsele. „Es freut mich, dass sie in einer schwierigen, in einer unruhigen Zeit für uns arbeiten möchte.“KrampKarrenbauer wolle sich dafür einsetzen, die CDU zusammenzuhalten und den Mitgliedern auch „wieder mehr Heimat zu geben“. Die Kanzlerin verwies darauf, dass die CDU nach vielen Herausforderungen auch wieder „Eigenbesinnung“und Diskussionen brauche. Es gehe darum, die Partei in all ihren Wurzeln zu kräftigen. Nachfolger Kramp-Karrenbauers in Saarbrücken soll der bisherige CDU-Fraktionschef Tobias Hans werden.
Aus Unionskreisen gab es viel Lob für die Personalentscheidung. CDUPräsidiumsmitglied Jens Spahn, der als Hoffnungsträger der Konservativen und als Merkel-Kritiker in der CDU gilt, begrüßte die Nominierung. „Wir als CDU stehen vor einem wichtigen Diskussionsprozess, auch über ein neues Grundsatzprogramm“, sagte Spahn. Im Kern gehe es um die Frage, wie die CDU als Volkspartei erfolgreich bleiben könne – „und darum, wie wir in einer erneuten Großen Koalition Profil behalten“. CDU-Vize Thomas Strobl, Parteichef in Baden-Württemberg, erklärte am Montag: „AKK hat Biss, sie ist furchtlos und hat Mut, sie steht für eine Politik der Zukunft.“
Die Entscheidung Merkels für Kramp-Karrenbauer gilt als Weichenstellung für die Zukunft. Der Saarländerin werden in der CDU beste Chancen für eine Nachfolge Merkels im Parteivorsitz und vielleicht auch im Regierungsamt gegeben. Die künftige Generalsekretärin kündigte eine Programmdebatte an. Die christlich-sozialen Wurzeln sollen dabei ebenso berücksichtigt werden wie die konservativen. Der Prozess solle „von der Basis an die Spitze“erfolgen.
BERLIN - „Eine gute Wahl“, sagt Junge-Unions-Chef Paul Ziemiak. „Eine sehr gute Entscheidung für die CDU“, lobt Thomas Bareiß, Bundestagsabgeordneter und konservativer Bezirkschef von Württemberg-Hohenzollern. „Annegret Kramp-Karrenbauer ist eine, die unsere Interessen gut vertreten kann.“
So viel Vorschusslorbeeren sind nicht selbstverständlich. Es ist die Überraschung des Tages, dass CDUChefin Angela Merkel die saarländische Ministerpräsidentin als neue CDU-Generalsekretärin nach Berlin holt. Junge Männer wie Paul Ziemiak oder Jens Spahn waren für diesen Posten gehandelt worden. Und jetzt: Eine 55-jährige, die seit sieben Jahren Ministerpräsidentin ist, verlässt ihr Amt, um ihrer Partei zu helfen. „Es hat mich berührt“, sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel an diesem Montag im Konrad-Adenauer-Haus und lächelt, denn die Idee sei von KrampKarrenbauer selbst gekommen. Es sei alles andere als selbstverständlich, dass eine erfolgreiche Ministerpräsidentin vom Staatsamt in ein Parteiamt wechsele.
Verzicht auf Kabinettsposten
Kramp-Karrenbauer steht neben ihr, unübersehbar im schock-pinkfarben-beigen Kleid. Ihr Motiv zum Wechsel nach Berlin erklärt sie so: Zurzeit erlebe die Bundesrepublik Deutschland eine ihrer schwierigsten politischen Phasen. Da reiche es nicht zu sagen, man sollte, man müsste, sondern da müsse man selbst etwas tun.
Sie hätte jederzeit einen Kabinettsposten haben können, sagen Merkel und Kramp-Karrenbauer übereinstimmend. Doch KrampKarrenbauer hat sich bewusst gegen einen Kabinettsposten und für das Engagement in der Partei entschieden. Denn man brauche starke Volksparteien „und keine durch Personen getragene Sammelbewegungen“, so Kramp-Karrenbauer mit Blick auf Frankreichs Präsident Emmanuel Macron oder Österreichs Kanzler Sebastian Kurz.
Saarlands zierliche Ministerpräsidentin spricht fließend französisch. Sie ist gerade zum zweiten Mal gewählt worden, mit über 40 Prozent führt sie eine Große Koalition in Saarbrücken an. Kramp-Karrenbauer gilt als mutig. So hat sie 2011 von Peter Müller, als dieser zum Verfassungsgericht wechselte, das Amt des Ministerpräsidenten mit einer Jamaika-Koalition übernommen, die sie aber schon Anfang 2012 aus Ärger über die FDP platzen ließ – symbolträchtig während des Dreikönigstreffens der Liberalen und nicht zur Freude der Kanzlerin. Nach Neuwahlen führte sie eine Große Koalition an und konnte dieses Regierungsbündnis auch 2017 fortsetzen.
Seit über 30 Jahren ist KrampKarrenbauer mit ihrem Mann, einem Bergbauingenieur, verheiratet und Mutter zweier erwachsener Söhne und einer Tochter. Sie ist katholisch und seit 37 Jahren in der CDU. Aus Versehen lobt Angela Merkel Kramp-Karrenbauer als erste Frau im Amt des CDU-Generalsekretärs. Sich selbst hat sie vergessen. Vor 20 Jahren, 1998, wurde Merkel CDUGeneralsekretärin, um denn zwei Jahre später den Vorsitz der CDU zu übernehmen. Ist die Saarländerin jetzt Merkels Kronprinzessin? Davon will AKK, wie sie genannt wird, nichts wissen. Sie eigne sich nicht als Kronprinzessin, noch nicht einmal an Fasnacht, so Kramp-Karrenbauer. Eher im Gegenteil. Denn AKK ist an Fasnacht schon als Putzfrau Gretel aus dem Saarland aufgetreten. Uneitel, bescheiden sind Attribute, die ihr gerne zugesprochen werden. In dieser Hinsicht ähnelt sie Angela Merkel. „Wir können uns aufeinander verlassen“, sagt Merkel. Das heißt aber nicht, dass sie immer einer Meinung wären. Annegret Kramp-Karrenbauer kann auch schon mal draufhauen. Sie setzte sich zwar nie von Merkels Flüchtlingspolitik ab. Aber sie will das Alter von Flüchtlingen genau feststellen lassen. Und Anfang 2017, als sie selbst um ihre Wiederwahl kämpfte, kündigte sie forsch für ihr Land ein Auftrittsverbot für türkische Politiker an. Dabei gab es keine einzige Anfrage für das kleine Saarland.
Auch wenn sie, anders als NochGeneralsekretär Peter Tauber, Vorbehalte gegen gleichgeschlechtliche Ehen äußert, gilt Kramp-Karrenbauer doch als liberale und soziale Politikerin. Wie will sie die Konservativen in ihrer Partei besser mitnehmen? Diese Frage beantwortet sie klug: Um Konservatives zu bewahren, müsse man progressiv sein.