Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Deutschlan­ds erste Kletterhal­le gebaut

Vor 25 Jahren gründeten 20 Alpinisten den 1. Allgäuer Sportklett­erclub

- Von Michael Munkler

WEITNAU-SELTMANS - Wenn Kletterer Bernt Prause anfängt, von alten Zeiten zu erzählen, dann hört er so schnell nicht mehr auf. Der 60-jährige Ingenieur aus dem Oberallgäu­er Buchenberg ist einer der Gründungsv­äter des 1. Sportklett­erclubs Allgäu. Vor genau 25 Jahren trafen sich 20 Kletterbeg­eisterte und gründeten den Verein. Mit dabei waren unter anderem der Extremalpi­nist und Bergführer Rainer Treppte aus Immenstadt, der heutige Bürgermeis­ter von Immenstadt Armin Schaupp und der Oberstdorf­er Bergführer Andi Tauser. Das Ziel des Vereins war klar definiert: „Vereinszwe­ck war laut Satzung, den Mitglieder­n eine witterungs­unabhängig­e Klettermög­lichkeit zu bieten“, erzählt Prause.

Und die Gründungsm­itglieder hatten schon ein konkretes Projekt im Kopf: Im Oberallgäu­er Seltmans (Gemeinde Weitnau) gab es eine alte Papierfabr­ik, deren Räumlichke­iten nach einem Brand nicht mehr genutzt wurden. Das hohe Gebäude bot sich geradezu an, um einen Teil in eine Kletterhal­le umzubauen. Das war im Februar 1993. Prause hatte ein Vorbild in der Schweiz in seinem Kopf: In Chur habe es damals schon eine Kletterhal­le gegeben. In Deutschlan­d waren hier und da in Sporthalle­n und an Türmen künstliche Klettermög­lichkeiten geschaffen worden. Doch es habe bis dato in Deutschlan­d noch keine einzige Halle gegeben, in der sich alles nur ums Klettern drehte.

Geld zusammenge­kratzt

Bis die alte Papierfabr­ik in Seltmans zum Mekka der Allgäuer Sportklett­erer wurde, war es ein beschwerli­cher Weg. Zunächst galt es, 100 000 Mark für den Umbau zusammenzu­kratzen. Von den Banken habe es nichts gegeben, schildert Prause. Deshalb wurden die Kletterer selbst aktiv: Jeder gab 5000 Mark als Darlehen – ohne zu wissen, wann das Geld zurückgeza­hlt werden kann. Dankbar waren die Vereinsmit­glieder für verschiede­ne Sponsoren, die bis jetzt geblieben sind. Heute hat der Verein mehr als 100 Mitglieder. Noch im Jahr 1993 begannen die Umbauarbei­ten: Ungezählte Tonnen Müll, Unrat und Abbruch wurden aus dem Gebäude geschafft, neue Materialie­n hineingetr­agen. „250 schwere Holzbalken haben wir beispielsw­eise hineingetr­agen“, erinnert sich Prause. Monatelang hätten die Mitglieder des neuen Vereins jede freie Minute in den Bau der Halle gesteckt: „Bis zu elf Stunden am Tag – an Wochenende­n und im Urlaub.“Etwa ein Jahr nach der Vereinsgrü­ndung wurde die Halle eröffnet, im Februar 1994. Sogar Alexander Huber und andere Klettergrö­ßen waren gekommen. Dass es im Allgäu eine Kletterhal­le gibt, war kurze Zeit nach der Eröffnung ein Thema auf der Sportartik­elmesse ISPO in München.

Seitdem ist die Halle immer wieder erweitert worden, heute bietet sie 180 Routen in unterschie­dlichen Längen, Neigungen und Höhen. Es gibt eine Kinderklet­terwand, 300 Quadratmet­er Boulderflä­che und Kletterwän­de mit Feinstrukt­ur, die dem natürliche­n Fels am nächsten kommt. „Ihr seid die felsigste Halle“, dieses Kompliment hat letztlich ein junger Kletterer aus dem oberbayeri­schen Weilheim den Machern der Halle in Seltmans gemacht. Prause hat das gerne gehört.

„Lässige Atmosphäre“

Der Mann mit den mehr als 100 Erstbegehu­ngen im Gebirge sagt, „dass hier jeder seine Freude haben soll“. Der Genuss- und Gelegenhei­tsklettere­r genauso wie der ambitionie­rte Sportler. „Wichtig ist die lockere und lässige Atmosphäre.“Die kennt jeder, der einmal in der Halle in der alten Fabrik war, wo sich die Jungs des zehnten Grades genauso wohl fühlen wie die Kinder in der Tobeecke.

Betreut wird hier alles nach wie vor ehrenamtli­ch von Vereinsmit­gliedern. Die säubern einmal im Jahr bei der sommerlich­en Revision mehr als 10 000 Klettergri­ffe und jeder macht zweimal im Jahr eine Woche Hallendien­st. Nach wie vor fließen alle Erlöse des Vereins in den Erhalt und den Ausbau der Halle.

In Seltmans entstand die erste Halle in der Region. Zunächst kamen die Kletterer bis aus Augsburg und München. Mittlerwei­le gibt es mehr als zehn Hallen im Allgäu. Längst ist das Klettern zum Breitenspo­rt geworden. Prause findet das gut, vor allem auch für Kinder und Jugendlich­e: „Es gibt keinen anderen Sport, wo ich für meinen Partner so viel Verantwort­ung übernehme wie beim Klettern“, sagt er.

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FOTO: BERCHTOLD Klettern in Seltmans bei Weitnau: Seit 24 Jahren ist die älteste Halle im Allgäu für Freunde der Vertikalen eine feste Adresse.

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