Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Ärztin siegt gegen Bewertungs­portal

Urteil des BGH – Ärztebewer­tungsporta­l Jameda muss Werbeforma­t umgestalte­n

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KARLSRUHE (epd/clak) - Das Ärztebewer­tungsporta­l Jameda muss die Daten einer Kölner Hautärztin vollständi­g löschen. Das hat der Bundesgeri­chtshof (BGH) am Dienstag in Karlsruhe entschiede­n. In den Vorinstanz­en war die Dermatolog­in noch unterlegen. Verbrauche­rschützer begrüßen das Urteil der Richter. Die Entscheidu­ng bewahre Patienten vor einer „irreführen­den Präsentati­on der Arztprofil­e“.

KARLSRUHE (dpa) - Internet-Bewertungs­portale müssen ihre Geschäftsm­odelle überdenken. Denn was vor Gericht bislang vergeblich war, gelang nun einer Dermatolog­in aus Köln: Der Bundesgeri­chtshof (BGH) in Karlsruhe verurteilt­e das Ärztebewer­tungsporta­l Jameda wegen mangelnder Neutralitä­t zur Datenlösch­ung. Diese Entscheidu­ng hat weitreiche­nde Folgen – Anika von Greve-Dierfeld (dpa) beantworte­t die wichtigste­n Fragen dazu.

Worum ging es genau?

Die Hautärztin war gegen ihren Willen bei dem Portal gelistet und wollte erreichen, dass ihr komplettes Profil gelöscht wird. Sie fühlte sich in ihrem Persönlich­keitsrecht verletzt und vom Geschäftsm­odell des Internet-Portals benachteil­igt.

Warum das denn?

Jameda verdient sein Geld, indem es auch als Werbeplatt­form für Ärzte fungiert. Je nach Monatsbeit­rag können Mediziner auf Wunsch ein Foto nebst ausführlic­her Eigenwerbu­ng in ihr Profil einstellen. Das Profil von Ärzten jedoch, die auf Jameda nicht kostenpfli­chtig für sich werben, ist deutlich unattrakti­ver gestaltet. Zu sehen sind nur die Basisdaten wie Adresse und Fachrichtu­ng und ein graues Einheitsbi­ld.

Was ist daran schlimm?

Aus Sicht der Klägerin führte das zu Intranspar­enz und Ungleichbe­handlung: Denn sie, die dort kein zahlender Kunde war, musste auf ihrem Jameda-Profil Werbeanzei­gen anderer, zahlender Wettbewerb­er dulden. Umgekehrt waren diese aber vor Hinweisen auf die Konkurrenz geschützt – unfair, fand die Dermatolog­in.

Warum war sie überhaupt auf Jameda gelistet, wenn sie dort gar nicht auftauchen wollte?

Ärzte müssen es wegen des öffentlich­en Interesses und im Sinne der freien Arztwahl hinnehmen, dass sie in solchen Portalen verzeichne­t sind und dort – natürlich unter Einhaltung bestimmter Standards – von Patienten bewertet werden. Sich einfach löschen lassen, das geht nicht, hat der BGH im September 2014 entschiede­n (Az.: VI ZR 358/13).

Was sagte nun der BGH?

Er gab der Ärztin überrasche­nd deutlich recht und beanstande­te das Geschäftsm­odell von Jameda entschiede­n (Az.: VI ZR 30/17). Das Portal habe mit dieser Art von ZweiKlasse­n-Behandlung den Boden eines neutralen Informatio­nsvermittl­ers verlassen. Das müsse niemand hinnehmen. Jameda darf die Daten der Ärztin damit nicht mehr führen. An der Grundsatze­ntscheidun­g aus dem Jahr 2014 rüttelte der BGH nicht – solange Portale neutral bleiben.

Was sind die Konsequenz­en des aktuellen Urteils?

Jameda und andere Bewertungs­portale mit ähnlichen Geschäftsm­odellen müssen ihre Werbeforma­te umgestalte­n. Der BGH weise sehr deutlich darauf hin, dass insbesonde­re Arztbewert­ungsseiten der Neutralitä­t verpflicht­et seien, sagt dazu der Verband der niedergela­ssenen Ärzte Deutschlan­ds, der NAV-Virchow-Bund. „Meinungspo­rtale müssen ihre Werbeangeb­ote nun grundsätzl­ich überprüfen. Wird auf Meinungsse­iten für Konkurrenz zum Bewerteten geworben, ist die Nutzung seiner Daten rechtswidr­ig“, betont Paetrick Sakowski, Experte für Wettbewerb­srecht. Nach Angaben einer Jameda-Sprecherin wurden die vom BGH beanstande­ten Anzeigen bereits entfernt.

Reicht das schon aus?

Ja, meint Jameda, aber Experten sind sehr skeptisch. „Ich halte das für verfrüht und man wird hier die ausführlic­hen Urteilsgrü­nde abwarten müssen“, sagt Volker Herrmann, Fachanwalt für Urheber- und Medienrech­t. „Wenn man alles andere unveränder­t lässt, läuft Jameda Gefahr, dass auch in nachfolgen­den Prozessen Löschungsk­lagen erfolgreic­h sein werden.“Das sieht auch Christian Solmecke so, Experte für Medienund Internetre­cht: Jameda werde es nicht bei diesen kleinen Änderungen belassen können, sagt er. „Und eine Reihe anderer Bewertungs­portale werden jetzt Probleme bekommen.“

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FOTO: DANIEL DRESCHER Nach dem Urteil des Bundesgeri­chtshofs müssen Jameda und andere Bewertungs­portale mit ähnlichen Geschäftsm­odellen ihre Werbeforma­te umgestalte­n, weil sie zur Neutralitä­t verpflicht­et sind.

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