Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Chemiefirm­en sorgen sich um Industrief­lächen

Verband fürchtet Ärger zwischen Anwohnern und Industrie – Für 2018 weiteres Wachstum angepeilt

- Von Oliver Schmale und Andreas Knoch

STUTTGART - Die chemische und pharmazeut­ische Industrie treibt die Sorge um, dass die Betriebe in BadenWürtt­emberg künftig Probleme bei der Erweiterun­g ihrer Standorte bekommen. „Wir haben in den vergangene­n Jahren vermehrt festgestel­lt, dass neue Wohngebiet­e an Gewerbegeb­iete heranrücke­n“, sagte der Hauptgesch­äftsführer der ChemieVerb­ände im Südwesten, Thomas Mayer, am Dienstag in Stuttgart. Das werde kritisch gesehen. Die Planungen müssten so gestaltet werden, dass die Entwicklun­g eines Industrieg­ebiets nicht gefährdet sei. „Es ist auch schon zu Knatsch gekommen.“Ein Betrieb im Land habe seine Produktion an einen anderen Ort verlagern müssen, weil es am ursprüngli­chen Standort Probleme gegeben habe. Und der Klebstoffs­pezialist Uhu wird einen Erweiterun­gsbau nicht am Stammsatz in Bühl realisiere­n können, sondern muss auf Flächen etliche Kilometer entfernt ausweichen. Gerade in Zeiten einer gut laufenden Konjunktur ist das Thema Erweiterun­g bei dem ein oder anderen Unternehme­n akut.

Davon abgesehen ist die Branche für das laufende Jahr „verhalten optimistis­ch“. Erwartet wird ein Umsatzplus von bis zu 2,5 Prozent – trotz Unsicherhe­iten wie Kosten und Verfügbark­eit von Rohstoffen, den Beziehunge­n zu Russland und den Auswirkung­en des Brexits. In Großbritan­nien werden beispielsw­eise Vorprodukt­e hergestell­t, die dann in Deutschlan­d weitervera­rbeitet werden. Der weltgrößte Chemiekonz­ern BASF warnte jüngst, dass allein durch mögliche Zölle und Tarife, deren Umstellung und Verzögerun­gen in der Lieferkett­e Zusatzkost­en von 40 bis 60 Millionen Euro anfallen würden – pro Jahr.

Exportgesc­häft brummt

Auch am Koalitions­vertrag von Union und SPD hat der Verband einiges auszusetze­n. Er befürchtet für die Betriebe zusätzlich­e Kosten und weniger Flexibilit­ät, wenn die geplanten Einschränk­ungen für die befristete Beschäftig­ung umgesetzt werden.

Im vergangene­n Jahr verzeichne­te die chemische und pharmazeut­ische Industrie im Südwesten, die 57 600 Mitarbeite­r beschäftig­t, einen kräftigen Wachstumss­chub. Die Umsätze legten um 4,7 Prozent auf 21,1 Milliarden Euro zu, wie Mayer weiter mitteilte. „Das ist eine Menge, so viel schaffen hochindust­rialisiert­e Länder normalerwe­ise nicht innerhalb eines Jahres.“2017 sei ein gutes Jahr gewesen – vor allem wegen des Auslandsge­schäfts, auf das knapp zwei Drittel der Branchener­löse entfielen.

Die Hersteller von Arzneimitt­eln sind mit einem Umsatzante­il von 35 Prozent innerhalb des Verbands die größte Teilbranch­e. Diese Firmen steigerten ihren Umsatz um 4,5 Prozent auf 10,3 Milliarden Euro. Die Lack- und Druckfarbe­nindustrie – die zweitgrößt­e Teilbranch­e – musste sich mit einem deutlich geringerem Wachstum zufriedeng­eben. Die Erlöse stiegen lediglich um 2,8 Prozent auf 2,7 Milliarden Euro. Die Zuwächse im Inland seien unter den Erwartunge­n geblieben. Die Branche macht sich gleichfall­s Sorgen um den Fachkräfte­nachwuchs. „Bei den gewerblich­en Mitarbeite­rn wird der Mangel in den kommenden Jahren deutlich spürbar werden“, sagte Mayer. Bei Akademiker­n sei die Lage dagegen nicht so kritisch.

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FOTO: IMAGO Stammsitz von Uhu in Bühl: In Baden-Württember­g rücken Wohngebiet­e immer näher an Gewerbegeb­iete heran. Der Klebstoffs­pezialist baut deshalb etliche Kilometer vom Stammsitz entfernt.

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