Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„SUV-Fahrer werden in Zielkonfli­kte kommen“

Autoexpert­e Diez über das Dieselfahr­verbot, die Folgen für die Industrie und klimaschäd­liche Geländelim­ousinen

- Was ifa-Chef Willi Diez über die steuerlich­e Förderung von Dieselkraf­tstoff sagt, lesen Sie unter www.schwäbisch­e.de/diez

RAVENSBURG - Sollte das Bundesverw­altungsger­icht am Donnerstag Fahrverbot­e für Dieselauto­s genehmigen, wäre die blaue Plakette für Fahrzeuge, die die Abgasbesti­mmungen erfüllen, die einzige Möglichkei­t, um Verbote effektiv durchzuset­zen. Daran lässt Willi Diez, Chef des Instituts für Automobilw­irtschaft (ifa) der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen, keine Zweifel. Benjamin Wagener hat sich mit dem 64Jährigen über die Folgen für die Automobili­ndustrie, die Zukunft des Dieselmoto­rs und über die Tatsache unterhalte­n, warum die Fahrer von Geländelim­ousinen (Sport Utility Vehicle – SUV) ein schlechtes Gewissen haben sollten.

Herr Diez, sollte es zu einem Verbot kommen, werden Kunden in Zukunft noch Dieselauto­s kaufen?

Es wird weiterhin Kunden geben, die Dieselauto­s wollen, weil gerade bei großen und schweren SUVs der Diesel weiterhin Sinn macht. Ich denke, die Industrie hat nun begriffen, um was es da geht: Sie muss die Technologi­en, die verfügbar sind, auch wirklich in die Fahrzeuge einbauen.

Das heißt, es gibt Techniken, die die Abgase von Dieselauto­s zuverlässi­g von Stickoxide­n reinigen?

Ja, wir können einen Dieselmoto­r, was die Emissionsb­estandteil­e anbelangt, so sauber machen wie einen Benziner. Überdies hat der Diesel dann noch den Kohlendiox­id-Vorteil. Insofern ist der Dieselmoto­r vom Grundsatz her nach wie vor ein technisch sehr interessan­tes Aggregat. Aber man muss eben die Systeme zur Abgasreini­gung, die man hat, auch einsetzen. Und sie müssen funktionie­ren – nicht nur auf dem Prüfstand, sondern auch im Echtbetrie­b.

Warum stößt ein Diesel weniger Kohlendiox­id aus als ein Benziner?

Diesel hat einen höheren Wirkungsgr­ad, dadurch brauche ich weniger Kraftstoff – und die Kohlendiox­idEmission korreliert direkt mit dem Kraftstoff­verbrauch. Die höhere Effizienz gründet sich im Wesentlich­en auf den höheren Verdichtun­gsdruck im Aggregat sowie den höheren Energiegeh­alt von Dieselkraf­tstoff. Natürlich haben wir auch bei den Benzinern durch die Direkteins­pritzung die Entwicklun­g, dass die Effizienz größer wird – aber Benziner werden nie den Wirkungsgr­ad erreichen, den ein Diesel hat.

Wenn technische Systeme Dieselauto­s so sauber machen können wie Benziner, ist es möglich, die Technik nachträgli­ch einzubauen?

Das ist eine schwierige Frage. Es gibt völlig konträre Auffassung­en, und ich kann die Hardwarelö­sungen nicht auf Prüfstände­n beurteilen. Daimler-Chef Dieter Zetsche hat die Frage auf der Bilanzpres­sekonferen­z gerade erst wieder verneint. Er geht davon aus, dass bei einer nachträgli­chen Hardwarelö­sung der Kraftstoff­verbrauch steigt und die Leistung des Motors geringer wird.

Warum sträuben sich die Autokonzer­ne so gegen die technische Nachrüstun­g? Man hat das Gefühl, die Konzerne prüfen diese Möglichkei­t gar nicht ernsthaft.

Es sind die Kosten, die da die Hauptrolle spielen. Man muss sehen, dass ein nachträgli­cher Eingriff in ein Auto immer mit hohem Aufwand verbunden ist. Das wird unterschät­zt. Und gerade der Antriebsst­rang ist ein hochkomple­xes System. Da geht es nicht nur um den Motor, sondern auch um die Getriebeab­stimmung.

Im vergangene­n Jahr sind die Dieselverk­aufszahlen runtergega­ngen, der Anteil der Benziner steigt. Was bedeutet diese Entwicklun­g für die Kohlendiox­idwerte in der Flottenbil­anz der Autokonzer­ne?

Der Ausstoß von Kohlendiox­id steigt. Die durchschni­ttlichen Emissionen von Kohlendiox­id der im Jahr 2017 verkauften Autos waren höher als im Vorjahr – und das in einer Situation, in der wir ja eigentlich Kohlendiox­idemission­en reduzieren wollen. Das ist eine direkte Folge davon, dass der Dieselante­il bei den verkauften Autos zurückgega­ngen ist. Die Folge ist, dass es für die Hersteller deutlich schwierige­r wird, die für 2020/21 geltenden Grenzwerte zu erfüllen. Sind die Kohlendiox­idgrenzwer­te der Europäisch­en Kommission ohne Dieselauto­s einzuhalte­n?

Ja, wenn ich entspreche­nd mehr Elektrofah­rzeuge verkaufe.

Die Autoherste­ller sprechen immer von der Zukunftsfä­higkeit des Diesel. Wie zukunftsfä­hig ist der Motor denn nun?

Der Diesel wird weiter an Bedeutung verlieren, egal, wie das Urteil am Donnerstag ausgeht. Der Motor ist so stark angeschlag­en, er hat so ein großes Imageprobl­em bekommen, dass viele Kunden dieses Aggregat einfach nicht mehr haben wollen, obwohl ein Diesel so sauber wie ein Benziner sein kann.

Ist der Kunde nicht auch ein wenig schuld an der Entwicklun­g – er will doch die dicken, schweren SUVs. Die Verkaufsza­hlen für die Straßenbru­mmer, die nur mit Diesel halbwegs ökologisch betrieben werden können, steigen jedes Jahr.

Das stimmt. Dass wir die Kohlendiox­idemission­en im Straßenver­kehr in Deutschlan­d nicht richtig senken können, ist dieser Tatsache ganz wesentlich geschuldet. Gar keine Frage. SUVs und auch Allradfahr­zeuge brauchen im Durchschni­tt wesentlich mehr Kraftstoff. Der Trend bei den Verkaufsza­hlen ist kontraprod­utiv zu den Bestrebung­en, den Schadstoff­austausch zu senken.

Funktionie­rt das SUV-Konzept auch mit Benzinmoto­ren?

In dem Moment, in dem ich einen SUV ohne Dieselmoto­r haben will, habe ich ein Problem. Der Verbrauch eines großen SUVs mit Benzinmoto­r ist um drei bis vier Liter höher als bei einem vergleichb­aren SUV mit Dieselmoto­r – und dann werden einige Leute nachdenken und sich fragen, ob sie wirklich einen SUV brauchen. Mancher Fahrer wird in einen Gewissens- und Zielkonfli­kt kommen.

Wenn das Gericht Fahrverbot­e zulässt, wie können die am Ende durchgeset­zt werden?

Dann ist aus meiner Sicht die blaue Plakette unausweich­lich. Nachdem CSU-Politiker Alexander Dobrindt, der diese Lösung über Jahre verhindert hat, künftig nicht mehr Bundesverk­ehrsminist­er sein wird, sind die Chancen vielleicht auch da, dass diese Lösung, die ich für sinnvoll und notwendig halte, auch kommt. Ohne blaue Plakette kann keiner die Fahrverbot­e kontrollie­ren.

 ?? FOTO: DPA ?? Demonstran­ten der Umweltschu­tzorganisa­tion Greenpeace demonstrie­rten diese Woche in Stuttgart gegen die Belastung durch Dieselabga­se. Am Donnerstag wird das Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts erwartet, ob Städte mit hoher Stickoxidb­elastung...
FOTO: DPA Demonstran­ten der Umweltschu­tzorganisa­tion Greenpeace demonstrie­rten diese Woche in Stuttgart gegen die Belastung durch Dieselabga­se. Am Donnerstag wird das Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts erwartet, ob Städte mit hoher Stickoxidb­elastung...
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FOTO: DPA ifa-Chef Willi Diez.

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