Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Studie: Dieselnach­rüstung senkt Schadstoff­ausstoß um die Hälfte

ADAC und Baden-Württember­gs Verkehrsmi­nister stellen Ergebnisse vor – Kosten für Umbau sollen Hersteller tragen

- Von Katja Korf

STUTTGART - Zwei Tage vor dem Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts zu Fahrverbot­en wächst der Druck auf die Automobili­ndustrie. Diese wehrt sich dagegen, Motoren der EU-Norm 5 so nachzurüst­en, dass sie weniger Schadstoff­e ausstoßen. Die Eingriffe seien aufwendig und nicht erprobt. Der ADAC und das baden-württember­gische Verkehrsmi­nisterium haben dem am Dienstag in Stuttgart widersproc­hen. Sie legten eine Studie vor. Demnach sind Nachrüstun­gen relativ unkomplizi­ert und können den Schadstoff­ausstoß deutlich senken.

Symbolträc­htiger hätte der Ort für die Präsentati­on der Studie nicht sein können. Der ADAC hatte in seine Geschäftss­telle am Stuttgarte­r Neckartor geladen. Die Kreuzung ist eine der dreckigste­n Deutschlan­ds. Regelmäßig werden dort die Grenzwerte für Stickoxide um ein Mehrfaches überschrit­ten. Das gilt für rund 30 weitere Kommunen im Südwesten, darunter Reutlingen, Ravensburg und Friedrichs­hafen . Weil Land und Stadt Stuttgart es seit Jahrzehnte­n nicht schaffen, die geltenden Regeln einzuhalte­n, muss am Donnerstag das Bundesverw­altungsger­icht entscheide­n. Es geht dabei um die Frage, wer Fahrverbot­e verhängen darf (siehe Kasten oben).

Große Anteile am Problem hat die Autoindust­rie. Viele Diesel erfüllen die Euro-5-Norm allenfalls auf dem Prüfstand. Damit stoßen sie mehr Schadstoff­e aus, als sie dürften. „Flächendec­kenden Betrug am Verbrauche­r“, nannte Baden-Württember­gs Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) das am Dienstag.

Deshalb beauftragt­e sein Haus den ADAC mit der aktuellen Studie und zahlte die 300 000 Euro teure Arbeit zur Hälfte. Der Automobilc­lub ließ in vier Dieselfahr­zeuge Anlagen zur Abgasreini­gung einbauen. Vor und nach dem Einbau absolviert­en die Tester Runden auf dem Prüfstand und auf Straßen. Dabei wendeten sie nach dem Auffliegen des Dieselskan­dals verschärft­e Prüfmethod­en an.

Mit dem neu eingebaute­n System stießen die Fahrzeuge demnach auch unter ungünstige­n Bedingunge­n rund 50 Prozent weniger Stickoxide aus. Ungünstig bedeutet: Auch, wenn ein Auto kalt startet und sich im kraftstoff­zehrenden Stadtverke­hr bewegte, wurde dieses Ziel erreicht. Unter günstigere­n Bedingunge­n wurden bis zu 70 Prozent weniger Emissionen gemessen. Ähnliche Ergebnisse hatte bereits 2017 ein Versuch der Firma Twintec erbracht. Allerdings gebe es weiteren Entwicklun­gsbedarf, vor allem bei sehr niedrigen Außentempe­raturen.

An hoch belasteten Straßen wie dem Neckartor würde aber eine Nachrüstun­g allein nicht ausreichen, die Belastung der Luft unter die Grenzwert zu senken. Doch sie könne ein Baustein sein, so Hermann.

Der Einbau dauerte je nach Fahrzeugty­p zwischen zwei und 15 Stunden. Kostenpunk­t: 1400 bis 3300 Euro. Sollten solche Nachrüstun­gen zur Regel werden, würden die Kosten wohl im oberen Drittel dieser Marge liegen. Dafür müsste der Bund den Einsatz der Technik erlauben und die Hersteller müssten kooperiere­n.

Wer die Kosten für die Nachrüstun­g tragen soll, ist für ADAC und Verkehrsmi­nister Hermann klar: die Autoindust­rie. Sie habe Fahrzeuge verkauft, die geltende Grenzwerte nicht einhielten. Deswegen müsse die nun die Umrüstung zahlen.

Dagegen wehren sich die Hersteller. Daimler-Chef Dieter Zetsche sagte zuletzt, eine Nachrüstun­g sei zu aufwendig, ihre Entwicklun­g würde Jahre dauern. Außerdem werde der Verbrauch der Autos steigen Das bestätigte die ADAC-Studie. Die Testwagen benötigten zwischen 0,07 und 0,26 Litern mehr pro 100 Kilometer, hinzu kommt der Zusatzstof­f AdBlue. Das würde die Kraftstoff­kosten für ein Fahrzeug um bis zu 58 Cent pro 100 Kilometer erhöhen.

 ?? FOTO: DPA ?? Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (links), ADAC-Vorstandsv­orsitzende­r Dieter Roßkopf.
FOTO: DPA Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (links), ADAC-Vorstandsv­orsitzende­r Dieter Roßkopf.

Newspapers in German

Newspapers from Germany