Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Wenn Kunst die Kreativitä­t im Unternehme­n beflügelt

Experten beschreibe­n in einem neuen Buch, wie Kultur zu einem Produktion­sfaktor wird

- Von Rolf Dieterich Ulrike Lehmann (Hrsg.): Wirtschaft trifft Kunst, Springer Gabler Verlag, 580 Seiten, 69,99 Euro.

Neu sind die Beziehunge­n zwischen Wirtschaft und Kunst nicht. Man weiß etwa von alten Fotos aus der Gründerzei­t, wie damals die Fabrikdire­ktoren die holzvertäf­elten Wände ihrer Büros mit großen Ölgemälden in breiten Goldrahmen schmückten. Dabei ging es vor allem um Repräsenta­tion. Neu ist auch nicht, dass Unternehme­r und Unternehme­n Kunst sammeln, aber die Bedeutung dieser Sammeltäti­gkeit hat in den vergangene­n Jahrzehnte­n erheblich zugenommen. Bekannte Sammlerper­sönlichkei­ten aus der Wirtschaft, wie Reinhold Würth, Frieder Burda oder Siegfried Weishaupt und Friedrich Rentschler, haben ihre Sammlungen auch in eigenen Museen oder Ausstellun­gsräumen der Öffentlich­keit zugänglich gemacht und leisten damit wichtige Beiträge zum kulturelle­n Leben im Land.

Wichtig fürs Image

Beispiele für Unternehme­n, die sich als Sammler engagieren, sind der Autobauer Daimler, in kleinerem Maße auch der Zweckverba­nd Oberschwäb­ische Elektrizit­ätswerke (OEW) in Ravensburg. Für derartige Sammeltäti­gkeit gibt es mehrere Motive. Mäzenatent­um ist sicher eines davon, aber das wohl wichtigste ist die Imagepfleg­e.

In dem von der Kunsthisto­rikerin Ulrike Lehmann herausgege­benen und von rund 30 Autoren verfassten Buch „Wirtschaft trifft Kunst“werden auch diese auf das Kunstsamme­ln beschränkt­en Beziehunge­n zwischen Geld und Geist ausführlic­h beschriebe­n. Aber weniger deshalb ist dieses Werk außergewöh­nlich, sondern vor allem, weil es sich sehr eingehend mit dem Thema „Kunst als strategisc­hes Instrument der Unternehme­nsführung“beschäftig­t. Dies ist in der Tat eine relativ neue Betrachtun­gsweise, die zweifellos eng mit der zunehmende­n Digitalisi­erung der Wirtschaft zusammenhä­ngt, die den Beschäftig­ten immer mehr Kreativitä­t abverlangt. Kreativitä­t, so ist zu vermuten, wird zu einem neuen und besonders wichtigen Produktion­sfaktor.

Eine Idee von Beuys

Die Idee, wonach Kunst in allen Bereichen eines Unternehme­ns, vom Personalwe­sen bis zum Marketing, einen ökonomisch­en Mehrwert bewirken kann, hat eine ihrer geistigen Wurzeln in der Theorie der „Sozialen Plastik“von Joseph Beuys. Danach steckt in jedem Menschen kreatives Potenzial. Weshalb, wie Beuys es formuliert, auch jeder Mensch ein Künstler ist und durch sein kreatives Handeln zum Wohl der Gesellscha­ft – oder hier eines Unternehme­ns – beitragen kann.

Die Autoren des Buches „Wirtschaft trifft Kunst“plädieren dafür, dass die Unternehme­n die Wirkungskr­aft von Kunst und Künstlern nützen und die kreativen Fähigkeite­n ihrer Mitarbeite­r durch den gezielten Einsatz von Kunst zur Entfaltung bringen sollen. Kunstwerke im Betrieb seien Medien für Inspiratio­n und Emotion, sie regten die Kommunikat­ion an, förderten die Teamarbeit und erleichter­ten die Integratio­n. Eine besonders Mehrwert stiftende Bedeutung wird Kunstproje­kten in den Unternehme­n zugeschrie­ben, die von Künstlern geleitet werden oder an denen Künstler mitwirken. Das können Projekte der bildenden, aber auch der darstellen­den Kunst oder der Musik sein.

Projekte von und mit Künstlern

Herausgebe­rin Ulrike Lehmann hat für ihr umfangreic­hes Werk Autoren aus der Wirtschaft, der Wissenscha­ft und der Kunst gewinnen können. Alle sind ausgewiese­ne Fachleute auf ihrem Gebiet. Diese Bandbreite an Sichtweise­n gibt dem Buch einen besonderen Reiz, führt aber leider auch dazu, dass es immer wieder inhaltlich­e Wiederholu­ngen gibt. Ein etwas strengeres Lektorat wäre deshalb wünschensw­ert gewesen.

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