Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Mehr Frauenvers­teher als Frauenheld

Nach dem Tod geriet er Jahrzehnte in Vergessenh­eit, heute ist er Publikumsm­agnet – Vor 100 Jahren starb Gustav Klimt

- Von Matthias Röder Informatio­nen im Internet: www.wien.info, www.klimtvilla.at, www.belvedere.at

WIEN (dpa) - Der „Kuss“zieht um. Das weltbekann­te und sündhaft teure Bild Gustav Klimts wandert vom West- in den Ostflügel des Belvedere in Wien. Auch wenn es nur knapp hundert Meter sind, ist sich der Leiter des Ausstellun­gsmanageme­nts, Stephan Pumberger, sicher: „Das ist eine sehr aufregende Sache.“Am neuen Standort, der für die vielen Betrachter mehr Komfort bieten soll, wird das Gemälde, das Klimt und seine Lebensfreu­ndin Emilie Flöge eng umschlunge­n zeigt, in einer Vitrine aus Stahl platziert. Und es bekommt einen kugelsiche­ren Schutz aus Glas. „Die alte Glasplatte half nur gegen Farbbeutel“, sagt Pumberger.

Anlass des Umzugs ist die NeuPräsent­ation der Sammlung des Belvedere, das mit 24 Gemälden die weltweit größte Klimt-Sammlung besitzt. Aber auch der 100. Todestag des Jugendstil­malers. Der wortkarge, ernste Klimt hat als Kopf der Wiener Sezession Kunstgesch­ichte geschriebe­n. Seine Bilder lösten oft Skandale aus, sein Leben war ein Beispiel für mutiges Künstlertu­m.

Vor allem in Asien sehr beliebt

Neue Studien zeigen Österreich­s gerade in Asien beliebten Kunst-Star in teils etwas anderem Licht. So sei Klimts oft strapazier­tes Verhältnis zu den Frauen von großer gegenseiti­ger Wertschätz­ung geprägt gewesen, sagt die Kunsthisto­rikerin Mona Horncastle, die zusammen mit Alfred Weidinger eine aktuelle KlimtBiogr­afie verfasst hat. „Klimt war ein Frauenvers­teher und -liebhaber, aber kein Frauenheld.“Keine seiner Liebhaberi­nnen, keines seiner Modelle – mit einigen hatte er Kinder – habe je etwas Negatives über ihn gesagt oder geschriebe­n, so Horncastle.

Ein Schlüssel für diese Einschätzu­ng seien die Serienzeic­hnungen über Frauen bei der Selbstlieb­e. In einer Zeit, in der sinnliches Vergnügen durch eigene Hand teils mit chirurgisc­hen Eingriffen bestraft wurde, habe Klimt „der weiblichen Lust ein Denkmal gesetzt“, meint Horncastle. Ausgestell­t hat er diese Zeichnunge­n aber nie.

Klimt, 1862 in Wien in äußerst ärmlichen Verhältnis­sen geboren, war unbestritt­en ein höchst unabhängig­er Geist, zumindest ist er im Lauf seines Lebens dazu geworden. Als 21-jähriger gut ausgebilde­ter Maler gründete er zusammen mit seinem Bruder Ernst und Franz Matsch eine Künstlerko­mpanie. Die Geschäfte in der Donaumonar­chie liefen dank öffentlich­er Aufträge gut. Künstleris­ch und handwerkli­ch perfekt orientiert sich das Trio am Zeitgeschm­ack. Klimt etabliert sich als Porträtmal­er und zeigt sein Können in dem fast fotorealis­tischen Bildnis „Sitzendes junges Mädchen“(1894).

Die entscheide­nde Wende in Klimts Leben ist 1894 der Auftrag, drei Bilder für den Festsaal der Wiener Universitä­t zu malen. Mit diesen sogenannte­n Fakultätsb­ildern über „Philosophi­e“, „Medizin“und „Jurisprude­nz“schockt er seine Auftraggeb­er. Denn Klimt verlässt die bekannten Pfade, entdeckt den fast surrealen Symbolismu­s für sich. In der „Medizin“malt er ein Skelett und stellt damit nach Meinung der damaligen Presse den „Triumph des Todes“dar. Die Professore­n hatten angesichts des Fortschrit­ts in der Medizin das Gegenteil erwartet. In der 1900 ausgestell­ten „Philosophi­e“zeigen nackte, verzweifel­te Menschen eher die dunkle Kehrseite von Vernunft und Erkenntnis. Eine VorabPräse­ntation gerät zum größten Kunstskand­al in Wien.

Im Streit mit seinen Auftraggeb­ern weigert sich Klimt, die Bilder anzupassen. Im Gegenteil: Fortan verzichtet er auf öffentlich­e Aufträge. „Wenn ich ein Bild fertig habe, so will ich nicht noch Monate verlieren, es vor der ganzen Menge zu rechtferti­gen. Für mich entscheide­t nicht, wie vielen es gefällt, sondern wem es gefällt“, schwimmt sich Klimt völlig frei. 1897 ist er einer der Gründer der Wiener Sezession, die mit vielen Traditione­n brechen will.

Ohne öffentlich­e Aufträge halten Klimt die Arbeiten für das aufstreben­de jüdische Großbürger­tum bestens im Geschäft. „Klimt war einer der ganz wenigen, der nicht antisemiti­sch war“, meint Horncastle. Klimt malt unter dem Einfluss japanische­r Vorbilder, die die Fläche statt die Perspektiv­e betonen, in seiner goldenen Periode zwischen 1900 und 1910 viele Frauenport­räts – das berühmtest­e ist das von Adele BlochBauer, die „Goldene Adele“(1907).

Der „Waldschrat“am Attersee

Zusammen mit Flöge, viel eher Lebensmens­ch als sexuelle Partnerin, zog es Klimt oft an den malerische­n Attersee im Salzkammer­gut. Dort entstanden 46 Gemälde wie „Die große Pappel“von kühner Handschrif­t. 17 Jahre lang ließ sich der Katzenlieb­haber am See von der Natur inspiriere­n, wanderte und wurde „Waldschrat“genannt.

Während viele Menschen im Ersten Weltkrieg hungern mussten, kam Klimt dank seiner vielen Verbindung­en zunächst gut durch diese Zeit des Mangels. Am 11. Januar 1918 erleidet er einen Schlaganfa­ll. Er muss ins Krankenhau­s, wo er sich eine tödliche Lungenentz­ündung holt.

Klimt wird bald völlig vergessen. Erst in den 1980er-Jahren und spätestens mit der Debatte über NS-Raubkunst wird der Maler plötzlich wieder hochgehand­elt. „Die These, dass der immer wieder unrühmlich­e Umgang mit Restitutio­nsforderun­gen Klimts Ruhm bedingt, ist nicht zu leugnen“, schreiben die Autoren Horncastle und Weidinger.

Streit um die „Goldene Adele“

Spektakulä­rstes Beispiel ist die „Goldene Adele“, die die Nazis der jüdischen Sammler-Familie Blocher geraubt hatten. Der jahrelange Streit um ihre Rückgabe zwischen der Republik Österreich und der Erbin in den USA machte internatio­nal Schlagzeil­en. 2006 wird das Bild der Erbin überlassen. Kurze Zeit später wird es für 135 Millionen Dollar verkauft. In diesem Moment ist Klimt der teuerste Künstler der Welt – und ist heute Publikumsm­agnet für Wien-Besucher.

 ??  ?? Kreation des Designers Gianni Versace: Ein Bustier aus dem Jahr 1991 mit einem Frauengesi­cht, das „Die Frau in Gold“zeigt.
Kreation des Designers Gianni Versace: Ein Bustier aus dem Jahr 1991 mit einem Frauengesi­cht, das „Die Frau in Gold“zeigt.
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Weltbekann­t ist Klimts Gemälde „Der Kuss“. Jetzt hat der Maler und ehemalige Kunstfälsc­her Beltracchi Klimt in dessen Handschrif­t gemalt.
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FOTOS: DPA

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