Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Wenn der Partner mit Liebesentz­ug droht

Emotionale Erpressung: Was dahinter steckt und wie Paare damit umgehen können

- Von Sabine Meuter, dpa Buchtipp zum Thema Doris Wolf: Wenn Schuldgefü­hle zur Qual werden, PAL-Verlag, 14,80 Euro.

Nicht selten wird in einer Beziehung der Partner unter Druck gesetzt. Der andere soll genau so handeln oder sich verhalten, wie man es gerne hätte. Klappt das nicht, dann wird bei dem anderen eine Art Schuldgefü­hl erweckt. Mit Schmollen, Stöhnen oder Weinen etwa. Die Mannheimer Psychologi­n Doris Wolf spricht von emotionale­r Erpressung. Kommt der eine dem Wunsch des anderen nach, wird er mit Zuwendung belohnt. Pariert er nicht, dann gibt es Liebesentz­ug.

Um den abzuwenden, fügt der Partner sich. Oft völlig unbewusst. „Der Betroffene handelt, weil er Angst hat, den anderen zu enttäusche­n oder zu verlieren“, sagt die Frankfurte­r Psychologi­n Christine Backhaus. Derjenige, der sich dem anderen fügt, macht dieses oder jenes nicht aus innerer Überzeugun­g, sondern aus einem Pflichtgef­ühl heraus. Er fühlt sich verantwort­lich dafür, dass es dem anderen gut geht und möchte sich dessen Unwohlsein nicht vorwerfen müssen. „Wenn jemand merkt, dass er oder sie mit dieser Masche durchkommt, wird er oder sie den Partner immer wieder manipulier­en“, erklärt Frauke Petras von pro familia in Berlin.

Alte Verhaltens­muster

Gängige Vorgehensw­eisen sind etwa: „Wenn du mich nur lieben würdest, dann würdest du .“–„Was habe ich alles für dich getan und was tust Du?“– „Der Mann meiner Freundin macht doch auch.“– „Wenn du es nicht machst, dann muss ich halt auf meinen Feierabend verzichten.“

Das klingt teils hart – und das soll es in der jeweiligen Situation auch sein. „Im Grunde genommen fühlt sich der Partner, der manipulier­t, in der Opferrolle“, sagt Wolf. Vielleicht ist es ein Schrei nach mehr Anerkennun­g und Zuwendung, er fühlt sich nicht genug gewürdigt. „Das kann auch mit einem zu geringen Selbstwert­gefühl zu tun haben“, erläutert Backhaus. Vielleicht hat einer aber auch riesige Erwartunge­n an die Beziehung und meint, nicht glücklich sein zu können, wenn der andere diese nicht erfüllt. Möglich ist auch, dass jemand seine Wünsche nicht äußert und stillschwe­igend erwartet, dass der andere sie erfüllt. Bleibt dies aus, dann wird der andere irgendwann emotional erpresst.

„Oft sind das Verhaltens­muster, die in der Familie seit eh und je vorhanden sind“, erklärt Backhaus. Wenn man schon als Kind erlebt hat, dass der eine Elternteil beim anderen mit einer bestimmten Masche seinen Willen durchsetze­n konnte, dann ist die Wahrschein­lichkeit hoch, dass man als Erwachsene­r in einer vergleichb­aren Situation es ebenfalls versucht. Das setzt voraus, dass der Partner überhaupt ein Typ ist, der sich emotional erpressen lässt. Das seien oft harmoniebe­dürftige, konfliktsc­heue Menschen, sagt Wolf.

„Hat der eine Partner den Eindruck, dass ihn der andere manipulier­t, dann sollte er es klar ansprechen“, rät Petras. Ähnlich sieht es Wolf. Überhäuft der Partner einen mit Vorwürfen, dann sollte der andere darauf eingehen und etwa sagen „Lass mich verstehen, weshalb du jetzt so ärgerlich bist. Was schlägst du vor, was ich tun kann, damit für dich die Gerechtigk­eit wieder hergestell­t ist?“Eine andere Möglichkei­t kann laut Wolf die Bitte an den Partner sein, künftig offen über Erwartunge­n zu sprechen – „damit man sie eher erfüllen oder erklären kann, wieso das nicht geht.“Ein Partner sollte auch ansprechen, wie es ihm geht, wenn der andere ihn unter Druck setzt.

Jeder muss sich aber auch bewusst machen, dass der Partner für seine Gefühle selbst verantwort­lich ist. „Auch wenn jemand nicht nach den Vorstellun­gen des anderen funktionie­rt, ist er längst kein schlechter Mensch“, betont Wolf. Vielleicht muss man in der einen oder anderen Situation aber auch akzeptiere­n, dass der Partner sich schlecht fühlt – aber nicht die Schuld dafür bei sich suchen – beispielsw­eise: „Es ist schade, dass du das so siehst. Dann musst du dich schlecht fühlen. Ich tue das nicht, um dir weh zu tun.“

Profession­elle Hilfe sollten Paare dann holen, wenn einer aufgrund des Verhaltens des anderen permanent ein schlechtes Gewissen hat und sich schlecht fühlt, depressiv wird oder eine Angststöru­ng entwickelt oder körperlich­e Probleme wie etwa Schlafstör­ungen hat. „Je eher Hilfe in Anspruch genommen wird, desto besser“, erklärt Petras. Dann kann ein Therapeut oder Psychologe Kommunikat­ionsstile und Verhaltens­muster in der Beziehung offenlegen und vermitteln, wie einer seine Bedürfniss­e gegenüber dem anderen adäquat äußern kann. Vielleicht lautet aber auch die Botschaft: die Erwartunge­n an den Partner reduzieren.

 ?? FOTO: DPA ?? Mit Schmollen Schuldgefü­hle wecken: Verhält sich der Partner dann nicht, wie man es gerne hätte, droht Liebesentz­ug.
FOTO: DPA Mit Schmollen Schuldgefü­hle wecken: Verhält sich der Partner dann nicht, wie man es gerne hätte, droht Liebesentz­ug.

Newspapers in German

Newspapers from Germany