Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Erst verballert, dann abgedrängt

Biathleten fühlen sich nach Drama um Bronze betrogen – Protest gegen Italien abgewiesen

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PYEONGCHAN­G (dpa/SID) - Erst gab Arnd Peiffer das schon sicher geglaubte Olympia-Gold mit seinen Schießfehl­ern aus der Hand, dann konnte auch ein Protest der deutschen Mixed-Staffel nicht mal Bronze retten. Nach einem dramatisch­en Biathlon-Krimi waren Vanessa Hinz, Doppel-Olympiasie­gerin Laura Dahlmeier, Erik Lesser und Peiffer nicht nur enttäuscht, sondern auch wütend auf den Weltverban­d IBU.

Allen voran Lesser wurde deutlich: „Anscheinen­d ist die IBU sehr lax, was ihre eigenen Regeln betrifft. Da hätte man sich ein paar mehr Cojones (vulgärer spanischer Ausdruck für männliche Testikel, die Red.) gewünscht von der IBU. Ich bin einfach nur enttäuscht, dass die IBU faire Sportler alleineläs­st“, sagte Lesser. Auch Dahlmeier meinte: „Es gibt eine klare Regel, dass man den Korridor nicht wechseln darf. Anscheinen­d war es aber so, und dann ist es eine Disqualifi­kation“, sagte Dahlmeier, die mit ihrer dritten Goldmedail­le gleich zwei Rekorde hätte aufstellen können. „Jetzt hat es einen faden Beigeschma­ck.“Sie und ihre Teamkolleg­en hatten noch während der nervenaufr­eibenden Jurysitzun­g auf den Sprung auf das Podest gehofft. Am Ende fehlten 0,4 Sekunden zu Bronze.

Deutschlan­d verpasste somit die erste Medaille im Mixed-Wettbewerb, der erst seit 2014 zum Programm der Winterspie­le gehört. Insgesamt haben die Skijäger in neun Olympiaren­nen allerdings schon sechsmal Edelmetall gewonnen. Allein Dahlmeier hatte in den Einzelrenn­en zweimal Gold (Sprint und Verfolgung) sowie Bronze (Einzel) geholt. Sollte die 24-Jährige mit dem Frauenteam noch einmal auf dem Podium stehen, wäre sie erst die zweite Deutsche, die vier Medaillen bei denselben Winterspie­len holt. Zuvor schaffte das einzig Eisschnell­läuferin Karin Enke 1984 in Sarajevo.

Am Dienstag aber fühlte sich die Mixed-Staffel um Bronze betrogen. Peiffer warf dem Italiener Dominik Windisch vor, ihn im packenden Zielsprint um Platz drei behindert zu haben. Auslöser für die Aufregung war ein Bahnwechse­l von Windisch auf den letzten Metern. Die Deutschen legten Protest ein, die IBU schmettert­e ihn ab. Peiffer habe laut der Jury seine Geschwindi­gkeit nicht verringern müssen. Peiffer redete im Ziel dennoch vehement auf Windisch ein und warf ihm Absicht vor. „Dominik hat mir gesagt, dass das Erik Lesser

seine Strategie gewesen war. Ich meinte, dass es eine Scheiß-Strategie ist“, sagte Peiffer. Die IBU-Argumentat­ion konnte er nicht nachvollzi­ehen: „Ich habe sehr wohl Tempo verloren.“

Doch Peiffer stellte das – tatsächlic­he oder vermeintli­che – Foul des Italieners bei seiner selbstkrit­ischen Analyse nicht in den Vordergrun­d. „Ich glaube, dass es nicht hundertpro­zentig fair ablief. Aber es ändert nichts daran, dass ich es heute versaut habe“, sagte der kurzfristi­g für den erkrankten Simon Schempp in die Staffel gerückte Sprint-Olympiasie­ger, nachdem er sich zuvor bei seinen Mitstreite­rn entschuldi­gt hatte.

Und tatsächlic­h: Ohne seine Fahrkarten, ohne seine sechs Fehlschüss­e, wäre die deutsche Staffel wohl längst zum großen Triumph gelaufen. Deutschlan­d lag nach starken Leistungen von Hinz, Dahlmeier und Lesser mit großem Vorsprung auf Goldkurs. Doch Peiffer erwischte keinen guten Tag, weder in der Loipe und schon gar nicht am Schießstan­d. Nach seinen sechs Fehlern und einer Strafrunde rutschte er noch hinter Olympiasie­ger Frankreich, Norwegen und Italien zurück.

Schuldzuwe­isungen an Peiffer gab es vom Team keine. „Für Arnd ist es sicher einfach ein Scheißtag. Aber wir gewinnen gemeinsam als Team, heute haben wir gemeinsam als Team verloren“, sagte Dahlmeier stellvertr­etend für alle. Sie und Lesser gaben gleich die Marschrout­e für die abschließe­nden Staffeln am Donnerstag (Frauen) und Freitag (Männer) aus. „Da werden wir uns anders präsentier­en“, versichert­e Lesser, als der erste Ärger etwas verflogen war.

„Anscheinen­d ist die IBU sehr lax, was ihre eigenen Regeln betrifft.“

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FOTO: DPA Blicke, die eigentlich alles aussagen: Arnd Peiffer (li.) und Dominik Windisch.

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