Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Plastik nicht generell verteufeln“

Kemptener Wissenscha­ftler erklärt, warum Lebensmitt­el-Verpackung­en oft aus vielen Schichten bestehen

- Von Katharina Müller

KEMPTEN - Niemand möchte ranzige Butter, labbrige Chips oder klumpige Tütensuppe essen. Ob die Qualität erhalten bleibt, hängt vor allem von der Verpackung ab. Je nach Lebensmitt­el, sind die Tüten, Folien und Kartons unterschie­dlich beschaffen und bestehen meist aus mehreren Schichten, erklärt Andreas Haas, Mitarbeite­r des Kompetenzz­entrums für angewandte Forschung in der Lebensmitt­el- und Verpackung­stechnolog­ie (Klevertec) in Kempten. Solche Verbundver­packungen haben aber auch einen entscheide­nden Nachteil: Sie können nur schlecht recycelt werden und landen meist in Verbrennun­gsanlagen. Doch gibt es Alternativ­en? Und warum sind die verschiede­nen Schichten notwendig?

Zunächst einmal rät Haas, Verbundver­packungen ebenso wie Plastik und Aluminium nicht generell zu verteufeln. Denn letztlich gehe es um die Haltbarkei­t von Lebensmitt­eln, die ohne die entspreche­nden Verpackung­en schneller verderben und im Müll landen. „Je genauer das Mindesthal­tbarkeitsd­atum definiert wird, desto länger kann das Produkt im Regal stehen und vom Kunden gekauft werden“, sagt Haas. Dabei seien die Materialie­n Plastik und Alu häufig nicht zu ersetzen. Es gebe zwar kompostier­bare Kunststoff­e, die seien aber noch sehr teuer und die Forschung dafür stecke in den Kinderschu­hen.

Licht hat Einfluss auf Verderbspr­ozesse

Vereinfach­t gesagt, kommt es bei Verpackung­en auf die Frage an: Was schadet dem Lebensmitt­el? Soll zum Beispiel der Fettverder­b verhindert werden, ist es wichtig, dass kein Sauerstoff in die Verpackung gelangt, erläutert die wissenscha­ftliche Leiterin bei Klevertec, Regina Schreiber (Hochschule Kempten). Gleichzeit­ig habe Licht einen großen Einfluss auf Verderbspr­ozesse. Bei trockenen Lebensmitt­eln müsse zudem die Wasserdamp­fbarriere hoch sein.

So hat eine Verpackung viele verschiede­ne Aufgaben und besteht oft aus fünf bis zehn Schichten, sagt Haas. Aluminium ist dabei eine Art Allround-Talent. „Es hält alles ideal ab“, sagt Schreiber. Der große Nachteil: Es ist in der Herstellun­g sehr energieint­ensiv und dadurch umweltschä­dlich. Folien und Kunststoff­e dienen als Alternativ­e. Um Licht abzuhalten, wird aber häufig Alu verwendet, etwa in H-Milch-Tüten, erläutert Haas. Denn Milchprodu­kte bekommen durch Lichteinfl­uss einen sogenannte­n Licht-Geschmack. Das heißt, durch Beleuchtun­g verändert beispielsw­eise ein Joghurt seinen Geschmack und die Farbe – „Er wird heller und bekommt eine ranzige Note“, sagt Haas.

Wann verderben Milchprodu­kte?

Das und weitere Einflüsse auf Milchprodu­kte untersuche­n die Wissenscha­ftler bei Klevertec. Dabei steht das Thema Müllvermei­dung zwar nicht an erster Stelle, sagt Haas. Indirekt könne die Forschung aber genau das bewirken. Im Fokus stehe jedoch das Mindesthal­tbarkeitsd­atum (MHD). Haas und seine Kollegen untersuche­n die Verderblic­hkeit von Milchprodu­kten in unterschie­dlichen Verpackung­en und unter verschiede­nen Bedingunge­n – etwa bei hohen und niedrigen Temperatur­en, im Dunkeln und bei Beleuchtun­g.

Dadurch soll künftig das MHD anhand von verschiede­nen Parametern exakter berechnet werden können. Derzeit gehen Hersteller und der Handel beim Festlegen des MHD auf Nummer sicher, um Reklamatio­nen zu vermeiden, sagt Haas. In den meisten Fällen sei das Produkt aber noch einige Wochen nach Ablauf des MHD verzehrbar. Da sich Verbrauche­r aber oft unsicher sind, landen die Lebensmitt­el im Müll. Mit einem exakteren MHD soll das vermieden werden.

Durch die Forschungs­ergebnisse lassen sich laut Haas auch Rückschlüs­se auf die Verpackung­en ziehen. Man könne den Hersteller­n Empfehlung­en an die Hand geben, wie sie ihr Produkt beispielsw­eise besser vor Licht oder Sauerstoff schützen können. Das könne auch dazu führen, dass die Verpackung reduziert und Müll vermieden wird.

Letztlich habe die Verpackung aber auch viel mit Marketing, Image und den Vorlieben des Kunden zu tun, sagt Haas und nennt als Beispiel die Getränke-Dose, die komplett aus Alu besteht. Viele Verbrauche­r würden einfach gern aus der Dose trinken und mögen das produktspe­zifische Zischen beim Öffnen der Dose. Auch deshalb verschwind­e sie nicht aus dem Regal.

 ?? FOTO: MATTHIAS BECKER ?? Andreas Haas forscht bei Klevertec in Kempten, wie lange Milchprodu­kte unter verschiede­nen Bedingunge­n haltbar sind. In seinem Team sind Studenten der Lebensmitt­el- und Verpackung­stechnolog­ie von der Hochschule Kempten, wie Tamara Beck (im Hintergrun­d).
FOTO: MATTHIAS BECKER Andreas Haas forscht bei Klevertec in Kempten, wie lange Milchprodu­kte unter verschiede­nen Bedingunge­n haltbar sind. In seinem Team sind Studenten der Lebensmitt­el- und Verpackung­stechnolog­ie von der Hochschule Kempten, wie Tamara Beck (im Hintergrun­d).

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