Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Platanen am Isnyer Marktplatz gefällt
Bauhofmitarbeiter fällen zwei Bäume, um archäologische Grabungen zu ermöglichen
Bürgermeister verweist auf Beschluss – Gemeinderäte sind uneins.
ISNY - Mitarbeiter des Baubetriebshofs haben am gestrigen Montagmorgen zwei der drei Platanen auf dem Marktplatz gefällt. Was zumindest bei zwei SPD-Gemeinderäten Verwunderung auslöste: Von Motorsägen beim Frühstücken hochgeschreckt, sei der erste Baum bereits gefallen gewesen, als er unten auf dem Marktplatz ankam, schilderte Erhard Bolender der „Schwäbischen Zeitung“. Er wohnt direkt gegenüber im Haus der Stadtapotheke.
Kurz vor 8 Uhr benachrichtigte er Peter Clement, Fraktionskollege und zweiter Bürgermeister. Vor Ort geboten die beiden den Arbeitern zunächst Einhalt. Passanten hätten Beifall bekundet, erzählten sie später.
Clement schickte eine Kurznachricht an Bürgermeister Rainer Magenreuter und telefonierte mit ihm – Wortlaut: „Da muss ich ernsthaft protestieren.“Nachdem er und Bolender den Marktplatz verließen, kamen die Bauhofmitarbeiter zurück. Kurz vor halb zehn lag die zweite Platane zersägt am Boden.
Auf die SZ-Nachfrage, wer die Fällung angeordnet habe, erklärte Magenreuter am Nachmittag: „Jeder in der Hierarchie der Verwaltung hat das mitgetragen, verantwortlich bin folglich ich.“Aber: Es liege ein einstimmiger Beschluss vor, der Gemeinderat habe am 19. Dezember 2016 (bei Befangenheit von Bolender als Anlieger) das Büro „Terranova“von Peter Wiech aus München mit der Planung zur Umgestaltung des Marktplatzes beauftragt. Magenreuter: „Grundlage dafür war der Entwurf des Planungsbüros mit der Großzügigkeit des Platzes mit nur einem Baum.“Das sei im Sitzungsprotokoll nachzulesen. Auf die entsprechenden Unterlagen wies er am Nachmittag auf Facebook hin (siehe auch Info-Kasten rechts).
Marktplatz-Jury nahm Verlust der Bäume in Kauf
Der Bürgermeister erinnert an die vorausgegangene Meinungsbildung: „Genauso war die Entscheidung der Jury und die überwiegende Meinung der Bürgerinnen und Bürger bei der Ausstellung der Entwürfe.“Bauamtschef Claus Fehr untermauert dies mit einem Zitat aus dem damaligen Jury-Protokoll: „Der Erhalt der südlichsten Platane wird begrüßt; der Verzicht auf die beiden nördlichen erlaubt eine großzügigere Gestaltung der Freiflächen, auch der Topografie.“Für den Gemeinderat saßen in der Jury Andreas Angele und Silvia Ulrich (CDU), Markus Immler und Gebhard Mayer (Freie Wähler), sowie Edwin Stöckle und Otto Ziegler (SPD), pro Fraktion war ein Mitglied stimmberechtigt.
Magenreuter begründet die Fällung zum jetzigen Zeitpunkt damit, dass „in den nächsten Wochen die archäologischen Grabungen durchgeführt werden, dazu mussten die Bäume, die in den Plänen nicht mehr vorgesehen sind, rechtzeitig gefällt werden“, was laut Naturschutzrecht nur bis 28. Februar erlaubt sei.
Clement sieht das differenzierter: Was damals beschlossen worden sei, „war nur ein Konzept, kein Umsetzungsbeschluss“. Zumal der Gemeinderat über Möblierung, Wasserspiel oder Freilegung des Stadtbachs am Marktplatz im Bauabschnitt 2 erst noch zu beraten habe: „Das ist alles noch nicht beschlussreif, was gestern passiert ist, geht so nicht, so werden Fakten geschaffen – das gibt eine heftige Nachfrage im Gemeinderat“, kündigt Clement an.
Freie Wähler und CDU verweisen auf Beschluss des Gemeinderats Sibylle Lenz von den Freien Wählern erklärte gestern Nachmittag gegenüber der SZ: „Auch wenn der Beschluss einstimmig gefallen ist, hätte ich es gut gefunden, bei so einem bekanntermaßen sensiblen Thema, man hätte das im Vorfeld der Fällung noch mal kurz aufgenommen, die Gründe dargelegt, warum die Fällung notwendig ist. Das wäre für mich eine gute Öffentlichkeitsarbeit und bedeutet das, was wir doch immer wollen – den Bürger mitnehmen.“Fraktionskollege Gebhard Mayer ergänzte gegenüber der SZ nüchterner: „Der Beschluss ist mehrheitlich abgestimmt worden.“
Von der CDU-Fraktion lag trotz Anfrage der SZ am frühen Nachmittag bis zum Redaktionsschluss keine Stellungnahme vor. Einzig Alexander Ort schaltete sich am Nachmittag in die auf Facebook von Clements „Protest“ausgelöste Diskussion ein: Auch er verwies auf den Gemeinderatsbeschluss, unterstrich die damalige Notwendigkeit, einen Investor auch für den Wohnungsbau in der Südlichen Altstadt zu gewinnen und in der Folge das Hallgebäude und den Marktplatz herzurichten: „Dieses Projekt wurde nach jahrelangem Planen den Bürgern gezeigt. Diese Planungen wurden mit großer Mehrheit für gut befunden“, betonte Ort.
Magenreuter erinnerte gegenüber der SZ außerdem an die seinerzeitigen Grundüberlegungen – möglichst große optische Wirkung, möglichst viele Nutzungsoptionen für den Marktplatz: „Aus meiner Sicht wirkt unser Marktplatz bereits jetzt großflächiger“, sagte er, nachdem die Platanen gefallen waren. „Das war, neben der hochwertigen Gestaltung und der Multifunktionalität, eines der Hauptziele der Überplanung des Marktplatzes.“
Die Unterlagen rund um den Marktplatz-Entscheid sind im Internet zu finden unter: https://www.stadt.isny.de/fileadmin/Mediendatenbank/PDF/ Sitzungen_Gemeinderat/Sitzungsvorlagen_2016/2016.11.21-grtop-7-gestaltung-marktplatzgesamt.pdf