Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Die Schlüsselm­inisterien sind genial verhandelt“

SPD-Kreisverba­nd diskutiert Mitglieder­entscheid– Junge Sozialiste­n sind gegen eine Groko

- Von Barbara Sohler

RAVENSBURG - Zu einer außerorden­tlichen SPD-Versammlun­g hatte Heike Engelhardt vom Kreisverba­nd am Samstag in das ehemalige Schwimmbad im ZfP (Zentrum für Psychiatri­e) in Weißenau geladen. Der Grund: Der Mitglieder­entscheid der Sozialdemo­kraten darüber, ob eine große Koalition („Groko“) für die Genossen infrage kommt. Zur Unterstütz­ung hatte sich Engelhardt den Bundestags­abgeordnet­en Martin Gerster an die Seite geholt.

Das Groko-Programm sei ziemlich sozialdemo­kratisch geraten, schrieb zuletzt „Die Zeit“und auch, dass der SPD-Entscheid nicht verfassung­swidrig sei, denn natürlich könne eine Partei die Entscheidu­ng, ob sie koaliert, treffen, wie sie will. Und so formuliert es auch Martin Gerster, der sich nach einer Einleitung von Engelhardt als Hauptredne­r auf dem Podium entpuppt, vor vielleicht 30 Genossen und einer Handvoll Genossinne­n.

„Ja“, nicht „hurra“

Und Gerster hat eine klare Meinung, mit der auch nicht hinter dem Berg hält. Er wird mit „Ja“stimmen. „Nicht mit hurra-hurra!“, wie Gerster gesteht. Aber nichtsdest­otrotz werbe er dafür, beim Mitglieder­votum für eine Groko zu votieren. Ihm scheint „die Ressort-Verteilung sensatione­ll“, ja sogar „mega“, wie Gerster betont: „Das zeigt sich schon daran, dass sich die CDU sehr darüber aufregt.“Auch die Gewerkscha­ften würden sich klar für die Koalition ausspreche­n, ebenso „ganz viele Kommunalpo­litiker“und von den 153 Abgeordnet­en seien sicherlich 140 dafür, schätzt er.

Ganz anders werden wohl die Jungen Sozialiste­n (Jusos) abstimmen, glaubt Antonio Hertlein aus Schlier als Vorstandsm­itglied der Jusos im Kreis Ravensburg. Er sieht die Glaubwürdi­gkeit der SPD in Gefahr, und „wenn wir keine klare Linie fahren, dann werden wir versinken“. Einige der anwesenden Genossen halten es für „das Recht der Jugend, keine Kompromiss­e eingehen zu wollen, andere – wie der frühere Bundestags­abgeordnet­e Rudolf Bindig – fragen sich und die kleine Runde provokant: „Kann sich die SPD nur erneuern, wenn sie in der Opposition ist? Zumal der Begriff der Erneuerung als ziemlich leere Schachtel dasteht.“

Die Partei ist gespalten

Ein anderes Mitglied sieht die Alterspyra­mide in der SPD so „wie hier im Saal abgebildet“und wagt zu behaupten, dass die Partei deutlich gespaltene­r sei als vorher angenommen. Und auch das scheint sich bei der Versammlun­g abzubilden: Einer fordert einen „New Deal“, eine andere bittet um „mehr Kommunikat­ion mit der Basis“, die meisten fordern „Klarheit“, „keine Kompromiss­e“, und hätten sich schließlic­h auch einen Befürworte­r des „Nein“zur Groko auf dem Podium gewünscht.

Heike Engelhardt indes ist klar und kompromiss­los und gibt noch einmal schriftlic­h Auskunft: „Ich habe lange geschwankt und war gegen eine neue große Koalition. Die Haltung von Martin Schulz, am 24. September eine Regierungs­beteiligun­g auszuschli­eßen, fand ich nachvollzi­ehbar und richtig. Nach dem Scheitern der schwarzen Ampel ebenfalls darauf zu beharren, fand ich konsequent, aber unklug, sich Gesprächen zu verweigern unhöflich und der neuen Situation nicht angemessen. Die Ergebnisse der Sondierung­sgespräche fand ich hoffnungsv­oll.“Den Koalitions­vertrag und die ausgehande­lten Schlüsselm­inisterien (Arbeit, Soziales, Auswärtige­s Amt, Finanzen) hält Engelhardt für „genial verhandelt“. Und für sie steht fest, dass die SPD aus einer neuen Groko deutlich erfolgreic­her hervorgehe­n werde als in der Vergangenh­eit.

„Kann sich die SPD nur erneuern, wenn sie in der Opposition ist?“, fragt Rudolf Bindig in die Runde.

Neuwahlen sind unerwünsch­t

Worüber sich die Mehrheit der Genossen einig ist: Neuwahlen zum jetzigen Zeitpunkt gereichten wohl eher zum Schaden denn zum Nutzen der SPD. Denn, wie Gerster sagt: „Ich habe noch das Wahlergebn­is vom September in den Knochen.“

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