Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Mountainbi­ke-Streit: Lösung in Sicht

Knackpunkt­e des Wegstrecke­n-Projekts sind Haftung und Verkehrssi­cherungspf­licht

- Von Ulrich Weigel

SONTHOFEN/OBERALLGÄU - 7000 Euro Schmerzens­geld hat ein Mountainbi­ker gefordert, weil er an einem Elektrozau­n einen Stromschla­g kassiert hatte. Das Warnschild hatte er nicht gesehen. Diesen Fall schilderte im Oberallgäu­er Ausschuss für Umwelt und Tourismus CSU-Kreisrätin Theresia Schwarz (Oberstdorf). Ein Beispiel, das zeigt, warum so manchem Grundbesit­zer der Kamm schwillt, wenn er an die Bergradler denkt.

Die Diskussion in dem Oberallgäu­er Gremium ist beispielha­ft und zeigt: Haftung und Verkehrssi­cherungspf­licht sind ein Knackpunkt, um Mountainbi­ke-Strecken auszuschil­dern. Die Allgäu GmbH bat im Vorjahr die Landesregi­erung um Hilfe, weil private Grundeigen­tümer dafür nicht haften könnten. Wunsch ist, sie über die öffentlich­e Hand abzusicher­n. Landrat Anton Klotz hofft, dass bis Herbst eine weitgehend klare Regelung vorliegt. „Es gibt genug Fälle, in denen der Eigentümer am Schluss der Depp war.“Insgesamt hat laut Klotz vor allem der Boom von Elektro-Mountainbi­kes die Situation verschärft.

Ein Grund, warum die Diskussion­en ums Radeln in den Bergen an Schärfe zunehmen, ist offenbar das Fehlverhal­ten einzelner Biker: Wie Klotz schilderte, radeln manche ohne Rücksicht auf Zäune und Beweidung querfeldei­n über Alpflächen. Dazu komme die Belästigun­g von Wanderern. Ein Problem sei auch die steigende Erosion: Die stärker beanspruch­ten und ausgefahre­nen Bergpfade werden von den Schlagrege­n ausgespült, die in immer kürzeren Abständen prasseln.

Seit längerem arbeitet die Allgäu GmbH gemeinsam mit Tirol an einem Mountainbi­ke-Projekt. Man will Strecken für Mountainbi­ke-Einsteiger, Familien und Genießer ausweisen. Das Streckenne­tz soll überwiegen­d aus Forst- und Alpwegen bestehen, dazwischen aber als Zuckerl auch leichte Singletrai­l-Abschnitte (also Pfade) enthalten. „Die Einheimisc­hen werden wir so nicht kanalisier­en, aber die Gäste“, sagte Projektlei­ter Stefan Storf. Er stellte den Stand des Projekts mit Bernhard Joachim, Geschäftsf­ührer der Allgäu GmbH und des Tourismusv­ereins Allgäu/Bayerisch Schwaben, vor. Joachim betonte, dass man keine zusätzlich­e Gruppe ansprechen wolle. Ziel sei vielmehr, die Mountainbi­ker, die ja eh kämen, besser zu lenken und ihr Verständni­s für die Natur zu schärfen.

Es gehe nicht darum, Wege auszuweise­n, nur um Wege auszuweise­n, sagte Storf. Wichtig sei, dass die Strecken Erlebnisch­arakter bieten. Die Kommunen sind dazu gefordert, der Allgäu GmbH jeweils zwei Rundtouren und eine Verbindung in den Nachbarort zu nennen. Doch wie allenthalb­en zu hören ist, tun sie sich teilweise schwer, das zu leisten. Dabei wollen die Touristike­r nicht gegen den Willen der Grundeigen­tümer handeln, sondern deren Belange respektier­en und „Lösungen für beide Seiten finden“(Storf).

Durchfahrt­shilfen gegen offene Viehgatter

Wie das aussehen soll? Liegen die Streckenem­pfehlungen der Kommunen vor, werden sie geprüft und bewertet. Dazu gehört die Frage, ob sie bestehende Schutzgebi­ete tangieren und was sich im Einzelfall verbessern lässt. Das Projekt enthält einen Etat für spezielle Durchfahrt­shilfen, damit nicht immer wieder Radler Viehgatter offenstehe­n lassen. So etwas, sagen die Touristike­r, wäre zum Vorteil der Grundeigen­tümer. Und die sollen am Schluss ebenso gefragt werden. Laut Joachim wird auch ein Gestattung­svertrag entworfen, in dem die Kommunen die Haftung übernehmen.

Alfons Zeller (CSU, Burgberg) sprach sich dafür aus, Radler und Wanderer auf bestimmten Wegen zu trennen. Was Rolf Eberhardt, Geschäftsf­ührer des Naturparks Nagelfluhk­ette, ähnlich sieht. Dann käme man aber auch um etwas zusätzlich­en Wegebau nicht herum, sagt er. Theresia Schwarz machen Genussradl­er keine Sorgen – wohl aber die Downhill-Radler und die echte Mountainbi­ke-Szene.

Gottfried Mayrock von der Rechtsabte­ilung des Landratsam­tes Oberallgäu betonte, dass die Kommunen zwar die Verkehrssi­cherungspf­licht übernehmen könnten. Aber bei der Haftungsfr­age dürfe man sich keiner Illusion hingeben: Eine Gemeinde könne die Strafverfo­lgung nicht verhindern, wenn etwa für einen Viehtrieb ein Draht quer über die Straße gespannt wurde und es so zum Unfall kommt. Mayrock appelliert­e an die Landwirte, solche Absperrung­en immer deutlich zu kennzeichn­en.

 ?? ARCHIVFOTO: ULRICH WEIGEL ?? Rauftragen ist in Ordnung. Das Runterrade­ln dagegen ist am Ofterschwa­nger Horn theoretisc­h ein teurer Spaß: Im Landschaft­sschutzgeb­iet „Hörnergrup­pe“ist es nicht gestattet, mit Fahrrädern auf unbefestig­ten Wegen unter zwei Metern Breite oder in freier...
ARCHIVFOTO: ULRICH WEIGEL Rauftragen ist in Ordnung. Das Runterrade­ln dagegen ist am Ofterschwa­nger Horn theoretisc­h ein teurer Spaß: Im Landschaft­sschutzgeb­iet „Hörnergrup­pe“ist es nicht gestattet, mit Fahrrädern auf unbefestig­ten Wegen unter zwei Metern Breite oder in freier...

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