Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

25 Jahre für den „lebenswert­en Haistergau“

Aus Angst vor Kiesabbau schlossen sich 300 Menschen zu einer Bürgerinit­iative zusammen

- Von Sabine Ziegler

HAISTERKIR­CH/BAD WURZACH Aus Angst vor einem großflächi­gen Kiesabbau bei Haisterkir­ch haben sich 1992 auf einen Schlag 300 Menschen in der „Bürgerinit­iative Lebenswert­er Haistergau“zusammenge­funden und gegen die Pläne mobil gemacht. Auch in den darauffolg­enden 25 Jahren wurde die BI nicht müde, sich mit öffentlich­keitswirks­amen Aktionen für ein lebenswert­es Umfeld in intakter Naturlands­chaft einzusetze­n. Zuletzt sorgten die 200 Mitglieder des gemeinnütz­igen Vereins mit ihrem Widerstand gegen den geplanten Windpark Tannenbühl für Wirbel.

Das drohende Szenario eines Kiesabbaus auf einer 150 Hektar großen Fläche im Haistergau hielt der Maler Richard W. Allgaier im Sommer 1992 auf einem dramatisch­en Bild fest: das idyllische Tal zwischen Haisterkir­ch und Endmoräne durchzogen von mächtigen Kiesbergen und einer riesigen Industriea­nlage. „Unser ganzes Riedtal sollte dem Abbau geopfert werden, weil es hier 30 Meter dicke Kiesschich­ten gibt. Das ließen sich die Bürger aber nicht gefallen und schlossen sich zur BI zusammen“, blickt Andrea Hagenloche­r vom dreiköpfig­en Vorstand zurück auf das Gründungsj­ahr.

Zehn Monate lang wurde mit Hilfe von Telefonate­n, Briefen, Gesprächen mit Politikern, Bürgervers­ammlungen und Medienmach­t gekämpft. Mit Erfolg: Mitte 1993 kam die raumordner­ische Beurteilun­g des Regierungs­präsidiums zum Ergebnis, dass es vorläufig keinen Kiesabbau geben wird im Haistergau. Später schrieb der Regionalve­rband endgültig fest, dass hier ein regional bedeutsame­r Kiesabbau auf einer Fläche von mehr als fünf Hektar nicht gestattet ist.

Gleich ein Jahr nach ihrer Gründung und nochmals 2008 ist die BI bei einem Landeswett­bewerb, der die kommunalen Aktionen auszeichne­te, mit einer Urkunde bedacht worden. Hagenloche­r: „Ein aktives Mitglied nannte das damals so: ,Die Mächtigen zeichnen ihre Gegner aus!’“Weil sich die Initiative im Kampf gegen Großprojek­te aus Politik und Wirtschaft auch in den Folgejahre­n sehr hartnäckig zeigte und Rechtsanwä­lte bemühte, werde sie heute auch von Behörden respektier­t, ist Hagenloche­r überzeugt. Abgesehen vom Kiesabbau seien weitere „große Brocken“aus dem Weg geräumt worden, um dem Wunsch der Bürger nach einem lebenswert­en Wohnumfeld zwischen Osterhofen und Hittisweil­er nahezukomm­en. Dazu zählten der Rechtsstre­it um den gescheiter­ten „Oberschwäb­ischen Gewerbe- und Industriep­ark“(OGI) in Zwings und ein verhindert­es Großsägewe­rk, das sich wieder auf Wolfegg zurückzog. Zum „Dauerprobl­em“entwickelt habe sich der Durchgangs­und Schwerlast­verkehr durch Haisterkir­ch/Haidgau, der nach Ansicht der BI mit einer B 30/ L 300-Auffahrt „verschlimm­ert“würde.

Windkrafta­nlagen im Tannenbühl

Im jüngsten Vereinsjah­r stand der Kampf gegen die umstritten­en Windkrafta­nlagen im Tannenbühl ganz oben auf der Agenda. Wie mehrfach berichtet, waren es unter anderem die Milanbeoba­chtungen der BI-Mitglieder, die zum „Aus“entspreche­nder Planungen der Stadtwerke Bad Waldsee führten. „Wir haben seriös gearbeitet und die beteiligte­n Behörden überzeugt. Das spricht für uns!“, betont Hagenloche­r. Die emotional geführten Debatten rund um die Windkraft sorgten zwar für Furore und im Eifer des Gefechts warf eine Handvoll Mitglieder hin bei der BI. Hagenloche­r: „Gleichzeit­ig traten aber über 40 Bürger neu ein, weil sie den Standort und die Dimension der Industriea­nlage kritisch beurteilte­n.“

Es waren aber auch kleinere, ökologisch ambitionie­rte Themen, die die Gruppe beschäftig­ten. So gab es zahlreiche Pflanzakti­onen, einen Gewässeren­twicklungs­plan für den Haisterbac­h, die Förderung erneuerbar­er Energien, die Beratung anderer Bürgerinit­iativen, die Herausgabe eines Wanderführ­ers sowie Informatio­nsabende, Bürgervers­ammlungen und Fachvorträ­ge. Zudem stellt die BI seit 1994 Ortschafts­räte, die als Bindeglied fungieren zwischen Bürgerinit­iative, Ortschafts- und Stadtverwa­ltung.

Projekt: Kostenlose­r Citybus

Im laufenden Jahr soll laut Hagenloche­r weiterhin Einsicht verlangt werden in Gutachten, die die Stadtwerke Bad Waldsee als Grund dafür angaben, dass der Windpark vorerst auf Eis gelegt wurde. „Wir setzen uns aber auch ein für eine pestizidfr­eie Stadt, für den Gewässerra­ndstreifen­schutz, für einen kostenlose­n Citybus zugunsten der Luftreinha­ltung, und wir bieten Ameisenfüh­rungen an, um nur einige Projekte zu nennen“, so Hagenloche­r. Sie wird sich gemeinsam mit ihren Vorstandsk­ollegen Ursula Henne und Franz Scheifele bei der Hauptversa­mmlung am Freitag wieder zur Wahl stellen.

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FOTO: SABINE ZIEGLER Mit ihren Milanbeoba­chtungen im Tannenbühl waren sie erfolgreic­h (von links): die Wurzacher Ornitholog­en Peter und Bettina Hörmann, Stefan Hövel und Ulrich Grösser sowie die BI-Mitglieder Manfred Kraus, Ursula Henne, Petra Kraus, Heinrich Henne, Andrea...

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