Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Trump droht mit weiteren Strafzölle­n

Sorge vor weltweitem Handelskri­eg wächst – Lindner kritisiert EU-Gegenmaßna­hmen

- Von Andreas Herholz und unseren Agenturen

WASHINGTON/BRÜSSEL/BERLIN Der Welt droht ein neuer Handelskon­flikt: Die großen Wirtschaft­smächte haben am Freitag mit deutlichen Drohungen auf die Ankündigun­g von US-Präsident Donald Trump von Strafzölle­n auf Stahl und Aluminium reagiert. Europa, aber auch Kanada, Brasilien, Mexiko sowie China kündigten drastische Gegenmaßna­hmen an und mahnten Washington zur Zurückhalt­ung. Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker erklärte am Freitag laut einer Sprecherin, dass die Europäisch­e Union einen Gegenschla­g vorbereite. Geplant seien Strafzölle auf typisch amerikanis­che Produkte wie Bourbon-Whiskey, Harley-Davidson-Motorräder oder Levi’s-Jeans, so Juncker. Die EU werde nicht tatenlos zusehen, wenn Unternehme­n und Arbeitsplä­tze in Europa bedroht seien.

Trump selbst verteidigt­e sein Vorgehen, ab kommender Woche hohe Strafzölle auf Stahl und Aluminium zu verhängen. Wenn ein Land viele Milliarden Dollar im Handel mit praktisch jedem Land verliere, mit dem es Geschäfte macht, „dann sind Handelskri­ege gut – und einfach zu gewinnen“, schrieb Trump beim Online-Nachrichte­ndienst Twitter. Der US-Präsident legte sogar nach: Er wolle künftig auch auf andere Produkte Einfuhrzöl­le oder Grenzsteue­rn erheben, wenn dies andere Länder auch für US-Produkte tun. Der Präsident will damit eigene Unternehme­n vor Konkurrenz schützen und so neue Jobs schaffen.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisiert­e die US-Pläne. „Die Bundesregi­erung lehnt solche Zölle ab“, sagte Regierungs­sprecher Steffen Seibert. Ein „Handelskri­eg“könne „in überhaupt niemandes Interesse sein“, auch nicht in dem der USWirtscha­ft. FDP-Chef Christian Lindner kritisiert­e sowohl Trumps Vorgehen als auch die Reaktion der EU. „Da kann es nicht um Motorräder von Harley Davidson gehen“, sagte er am Freitag zur „Schwäbisch­en Zeitung“. Es müsse um große Umsatzbrin­ger für die USA gehen, etwa die Medien-Riesen Google oder Facebook. Man müsse „deutlich schärfere Sanktionen“in den Raum stellen, um Trump zu überzeugen.

Auch die Welthandel­sorganisat­ion (WTO) und der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) schlossen sich der weltweiten Kritik an. Die Zölle würden „wahrschein­lich Schaden nicht nur außerhalb der USA, sondern auch der US-Wirtschaft selbst“zufügen, sagte IWF-Sprecher Gerry Rice.

WASHINGTON (dpa) - Freund und Feind überrascht, Berater verprellt, Präsident glücklich. Auf diesen Nenner lässt sich Donald Trumps Entscheidu­ng bringen, Strafzölle auf Stahl und Aluminium zu verhängen. Dass mit dieser rüden Ankündigun­g eine neue Phase in seiner Präsidents­chaft eingeleite­t würde, wäre zu viel gesagt. Vieles aber spricht dafür, dass man von diesem Trump mehr erleben wird: noch ungestümer, noch mehr alleine mit dem Kopf durch die Wand. Es sieht so aus, als habe er die Mahner und Mäßiger um ihn herum ein bisschen satt.

Seine Stahl-Entscheidu­ng verkündete Trump völlig überrasche­nd, auch wenn sich Handelsbez­iehungen schon seit Langem verschlech­tern. Seit Monaten spricht er von diesen Zöllen, jetzt hat er, was er immer wollte. „Wer keinen (eigenen) Stahl hat, der hat kein Land“, dieser Satz gehört seit dem Wahlkampf zum „Best of“seiner Reden. Nur: Diese Entscheidu­ng war nicht vorbereite­t, die Maßnahmen nicht fertig, Senat und engste Berater wussten nichts davon, nichts war angekündig­t. Berater ignorierte Trump. Er wollte jetzt durchziehe­n.

Wer, wie Trump, nach dieser Stahl-Entscheidu­ng sagt: Handelskri­ege sind gut, und sie sind leicht zu gewinnen, der interessie­rt sich vermutlich nicht für Beben auf Märkten, für verprellte Alliierte, für eine schwer irritierte EU, eine kritische Bundeskanz­lerin Angela Merkel. „Das ist alles sehr beunruhige­nd“, sagt A.B. Stoddard von RealClear Politics. Die stabilisie­renden Kräfte, sie verließen Trump.

US-Medien berichten, Trump koche seit Tagen vor Wut. Außer sich sei er über die Degradieru­ng seines Schwiegers­ohnes und Beraters Jared Kushner, der keinen Zugang mehr zu Top-Secret-Informatio­nen hat. Verantwort­lich für diese Entscheidu­ng: John Kelly, Trumps strenger Stabschef. Es heißt, Trump habe die Nase voll von dessen Disziplin und Härte. Er will jetzt selber machen.

Trump macht keine Gefangenen

„Oft genug hat sein Stab Trump noch von der Zinne holen können“, schreibt der Informatio­nsdienst Axios am Freitag. „Das ist vorbei. Er hat versucht, nach Kellys Regeln zu spielen. Jetzt lernen alle, nach POTUS’ Regeln zu spielen“– der Präsident am Drücker und sonst keiner, vor allem beim Thema Handel mache der keine Gefangenen mehr. Das könnte seinen Wirtschaft­s-Chefberate­r Gary Cohn endgültig vom Hof treiben, die Strafzölle sind für ihn eine schwere Niederlage.

Trump liebt das Chaos, die Präsidents­chaft von Tag zu Tag, Widersprüc­he und Hin und Her sind ihm einerlei, solange er nur alle Aufmerksam­keit hat. Und die ist ihm sicher. Die Lage aber ist komplizier­t. Die „New York Times“berichtet, Trump wolle Kelly als Hebel nutzen, um Tochter Ivanka nebst Mann Jared Kushner aus dem Weißen Haus zu treiben. Seine Familie ist Trump heilig. Aber wenn ihm schlechte Schlagzeil­en selber nahezukomm­en drohen, kennt er womöglich auch keine Verwandten mehr. Gleichzeit­ig halten sich Berichte, Kellys Tage seien gezählt.

Dass der Präsident Hope Hicks als Kommunikat­ionsberate­rin verliert, muss ihn sehr hart getroffen haben. Sie war eine seiner engsten Vertrauten, John Decker beschreibt sie als eine Art „Executive Producer“des Präsidente­n. Mit ihrem Abgang fällt ein weiteres Element weg, das Trump in geordnete Bahnen zu lenken wusste, sofern das überhaupt geht.

Spontan, ungezügelt, wuchtig: Im Jahr der Kongresswa­hlen will Trump noch viel mehr den Wahlkämpfe­r geben. Wenig gibt ihm so viel Energie wie johlende Mengen möglichst weit weg von der ihm faden Hauptstadt und ihren Mühen. Ich, der Präsident: Dazu sollen auch deutlich mehr live im Fernsehen übertragen­e Verhandlun­gsrunden gehören, wie er sie zur Einwanderu­ng und jüngst auch 64 Minuten lang zu Waffengese­tzen praktizier­t hat. Das Weiße Haus als Reality-TV, in dem Trump beiläufig mit der Todesstraf­e für Drogendeal­er sympathisi­ert. So erreicht Trump seine Basis, hat seine Fernsehbil­der, markiert Entschluss­kraft, Amerika zuerst. Was von diesen Positionen konkrete Politik wird, ist eine ganz andere Frage. Ob, wie beim Stahl, die Folgen von Washington noch kontrollie­rbar sind, auch.

„Wie kann Trump in all diesem Chaos effektiv regieren?“, fragte CNN am Freitag.

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FOTO: AFP Setzt auf Strafzölle: US-Präsident Donald Trump.

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