Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Ermutigen, unterstützen, dranbleiben
Jeden Mittwochabend trifft sich der Freundeskreis für Suchtkrankenhilfe
ISNY - Viele Menschen versuchen in den Wochen zwischen Aschermittwoch und Ostern aus religiösen oder gesundheitlichen Gründen zu fasten, auf irgendeine liebgewordene Gewohnheit zu verzichten. Was aber, wenn die Gewohnheit bereits zur Sucht, gar zur Krankheit mit selbstzerstörerischen Tendenzen geworden ist? Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe wollen Menschen ansprechen, die als Abhängige oder als Familienmitglieder von Suchtkrankheit betroffen sind. Seit über 25 Jahren gibt es in Isny einen Freundeskreis mit konstanter „Kernmannschaft“, Woche für Woche – Profis aus Erfahrung, Profis im Zuhören, Profis im Beraten. Neue kommen dazu, bleiben manchmal auch wieder weg. Jeder, der zu ihnen kommt sei frei, niemand werde festgehalten, ist in der Gruppe zu erfahren, aber man gehe davon aus, dass die Entscheidung klar getroffen worden ist, abstinent leben zu wollen, „trocken“zu werden, beziehungsweise „trocken“zu bleiben.
Wer in die Gruppe hineinschnuppert, erlebt eine Art Erzählgemeinschaft. Es werden keine theoretischen, abstrakten Themen gewälzt. Es geht zunächst einfach darum, zu erzählen was jeder und jede erlebt hat, was einen beschäftigt, wie man mit diesem oder jenem zurechtkommt. Jeder nimmt sich vom andern das mit, was er für sich brauchen kann. Es wird nichts kritisiert. So entsteht Vertrauen zueinander und es wächst Freundschaft, Fürsorge, Wärme und die Sicherheit, dass jeder so angenommen und akzeptiert wird, wie er ist, mit allem, was zu ihm gehört. Was geredet wird, ist vertraulich, bleibt im Raum.
Begegnung auf Augenhöhe
„Wir müssen uns nicht in allem einig sein, aber wir schauen einander in die Augen, begegnen uns auf Augenhöhe, ohne jede Bewertung, in gegenseitigem Respekt“, sagt einer aus der Gruppe und eine Frau ergänzt: „Durch den Austausch in der Gruppe helfen wir uns gegenseitig, abstinent zu bleiben, oder helfen anderen dabei, die Schritte anzugehen, die nötig sind, um vom Suchtmittel loszukommen.“
Ganz unterschiedliche Persönlichkeiten in unterschiedlichem Alter treffen sich im Freundeskreis, Frauen und Männer. Gemeinsam ist ihnen, dass sie sich darüber bewusst sind, dass Verdrängung oder Verharmlosung ihrer Situation keinen Deut weiterhilft. „Es geht mich sehr wohl was an, was du machst und wie es dir geht. Denn du und ich, wir wollen doch mit ehrlichem und gutem Gefühl abstinent unterwegs sein können“, sagt eine andere in der Gruppe, die ihren Entzug und die Rehabilitation erst seit Kurzem hinter sich hat und sich freut am ehrlichen, liebevollen und freundschaftlichen Miteinander. Wer sich zu seinem Suchtthema bekennt, ein zermürbendes Versteckspiel bewusst beendet hat, der könne auf einmal wieder unbefangen auf andere zugehen. Es wachse wieder Selbstvertrauen und Zufriedenheit, so ihre Erfahrung im „neuen“Leben. Die Erfahrungen der anderen machen Mut und halten den Umdenkprozess im Gang, das Leben zu gestalten ohne die „Krücke“der Volksdroge Alkohol. Immer wieder kommen einige Betroffene der Suchtklinik in Schönau, Gemeinde Grünenbach, in die Isnyer Gruppe. Sie werden von ihrer Klinik geschickt, um erleben zu können, dass so ein Freundeskreis als Selbsthilfegruppe auf ihrem künftigen Weg nach Beendigung der Therapie wichtig ist, um in Selbstbestimmung und Eigenverantwortung zu wachsen und stabil zu bleiben. Arbeitsunfähigkeit. Ende der Beziehungsfähigkeit zu anderen Menschen. Gegen die Alkoholkrankheit gibt es kein anderes Heilmittel als den klinischen Entzug mit anschließender Therapie, der erste Ansprechpartner ist dabei ein Arzt. Begleitung durch den Freundeskreis kann eine wohltuende, stabilisierende Wirkung auf die Suchtkranken haben.
Der Freundeskreis Suchtkrankenhilfe trifft sich jeden Mittwoch um 19.30 Uhr im Paul-Fagius-Haus am Marktplatz in Isny. (ws)