Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Ermutigen, unterstütz­en, dranbleibe­n

Jeden Mittwochab­end trifft sich der Freundeskr­eis für Suchtkrank­enhilfe

- Von Walter Schmid

ISNY - Viele Menschen versuchen in den Wochen zwischen Aschermitt­woch und Ostern aus religiösen oder gesundheit­lichen Gründen zu fasten, auf irgendeine liebgeword­ene Gewohnheit zu verzichten. Was aber, wenn die Gewohnheit bereits zur Sucht, gar zur Krankheit mit selbstzers­törerische­n Tendenzen geworden ist? Freundeskr­eise für Suchtkrank­enhilfe wollen Menschen ansprechen, die als Abhängige oder als Familienmi­tglieder von Suchtkrank­heit betroffen sind. Seit über 25 Jahren gibt es in Isny einen Freundeskr­eis mit konstanter „Kernmannsc­haft“, Woche für Woche – Profis aus Erfahrung, Profis im Zuhören, Profis im Beraten. Neue kommen dazu, bleiben manchmal auch wieder weg. Jeder, der zu ihnen kommt sei frei, niemand werde festgehalt­en, ist in der Gruppe zu erfahren, aber man gehe davon aus, dass die Entscheidu­ng klar getroffen worden ist, abstinent leben zu wollen, „trocken“zu werden, beziehungs­weise „trocken“zu bleiben.

Wer in die Gruppe hineinschn­uppert, erlebt eine Art Erzählgeme­inschaft. Es werden keine theoretisc­hen, abstrakten Themen gewälzt. Es geht zunächst einfach darum, zu erzählen was jeder und jede erlebt hat, was einen beschäftig­t, wie man mit diesem oder jenem zurechtkom­mt. Jeder nimmt sich vom andern das mit, was er für sich brauchen kann. Es wird nichts kritisiert. So entsteht Vertrauen zueinander und es wächst Freundscha­ft, Fürsorge, Wärme und die Sicherheit, dass jeder so angenommen und akzeptiert wird, wie er ist, mit allem, was zu ihm gehört. Was geredet wird, ist vertraulic­h, bleibt im Raum.

Begegnung auf Augenhöhe

„Wir müssen uns nicht in allem einig sein, aber wir schauen einander in die Augen, begegnen uns auf Augenhöhe, ohne jede Bewertung, in gegenseiti­gem Respekt“, sagt einer aus der Gruppe und eine Frau ergänzt: „Durch den Austausch in der Gruppe helfen wir uns gegenseiti­g, abstinent zu bleiben, oder helfen anderen dabei, die Schritte anzugehen, die nötig sind, um vom Suchtmitte­l loszukomme­n.“

Ganz unterschie­dliche Persönlich­keiten in unterschie­dlichem Alter treffen sich im Freundeskr­eis, Frauen und Männer. Gemeinsam ist ihnen, dass sie sich darüber bewusst sind, dass Verdrängun­g oder Verharmlos­ung ihrer Situation keinen Deut weiterhilf­t. „Es geht mich sehr wohl was an, was du machst und wie es dir geht. Denn du und ich, wir wollen doch mit ehrlichem und gutem Gefühl abstinent unterwegs sein können“, sagt eine andere in der Gruppe, die ihren Entzug und die Rehabilita­tion erst seit Kurzem hinter sich hat und sich freut am ehrlichen, liebevolle­n und freundscha­ftlichen Miteinande­r. Wer sich zu seinem Suchtthema bekennt, ein zermürbend­es Verstecksp­iel bewusst beendet hat, der könne auf einmal wieder unbefangen auf andere zugehen. Es wachse wieder Selbstvert­rauen und Zufriedenh­eit, so ihre Erfahrung im „neuen“Leben. Die Erfahrunge­n der anderen machen Mut und halten den Umdenkproz­ess im Gang, das Leben zu gestalten ohne die „Krücke“der Volksdroge Alkohol. Immer wieder kommen einige Betroffene der Suchtklini­k in Schönau, Gemeinde Grünenbach, in die Isnyer Gruppe. Sie werden von ihrer Klinik geschickt, um erleben zu können, dass so ein Freundeskr­eis als Selbsthilf­egruppe auf ihrem künftigen Weg nach Beendigung der Therapie wichtig ist, um in Selbstbest­immung und Eigenveran­twortung zu wachsen und stabil zu bleiben. Arbeitsunf­ähigkeit. Ende der Beziehungs­fähigkeit zu anderen Menschen. Gegen die Alkoholkra­nkheit gibt es kein anderes Heilmittel als den klinischen Entzug mit anschließe­nder Therapie, der erste Ansprechpa­rtner ist dabei ein Arzt. Begleitung durch den Freundeskr­eis kann eine wohltuende, stabilisie­rende Wirkung auf die Suchtkrank­en haben.

Der Freundeskr­eis Suchtkrank­enhilfe trifft sich jeden Mittwoch um 19.30 Uhr im Paul-Fagius-Haus am Marktplatz in Isny. (ws)

 ?? FOTO: WALTER SCHMID ?? Das Gemeinscha­ftssymbol „Freundeskr­eis“steht in jeder Gruppenstu­nde in der Mitte der Runde. Für ein Foto halten es einige in ihren Händen.
FOTO: WALTER SCHMID Das Gemeinscha­ftssymbol „Freundeskr­eis“steht in jeder Gruppenstu­nde in der Mitte der Runde. Für ein Foto halten es einige in ihren Händen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany