Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Vom Christsein mit Profil
Zweite Fastenpredigt in St. Martin hält der Moraltheologe Eberhard Schockenhoff
LEUTKIRCH - Es war der erste Frühlingstag nach vielen Wochen Kälte, und doch konnte Pastoralreferent Benjamin Sigg eine stattliche Zahl von Menschen am Sonntagnachmittag in der Pfarrkirche begrüßen. Sie waren gekommen, um zu hören, was der Priester und Moraltheologe Eberhard Schockenhoff zum Thema „Christ sein mit Profil“zu sagen hatte. Und um den Orgelklängen von Manuel Menig zu lauschen.
Die zugrunde liegende Frage war, wie sich „Christen mit Profil“in der Bibel und im heutigen Leben erkennen lassen? „Immer dort“, begann Schockenhoff, „wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, zeigt sich das Profil eines Christen.“Ohne Jesus als zentrale Figur sei Profilfindung eines Christen für ihn nicht vorstellbar. Zunächst – bereits im ersten Jahrhundert – hätte es überhaupt kein übereinstimmendes Bild von Jesus gegeben. Symbole wie Lamm, Anker, Fisch, Brot oder Wein wären damals benutzt worden. Dies sei nicht als Mangel zu sehen, sondern als großer Vorzug. Denn, wer Gesichter schaffe, produziere Bilder. Jesus als Ikone Gottes („Wer mich sieht, sieht den Vater“) zeige den Menschen „die uns zugewandte Seite“. An ihm solle man sich orientieren, denn an ihm seien Liebe, Hingabe und Geduld erkennbar.
Als Schlüsselbegriff nannte der Moraltheologe dann „die Gerechtigkeit, die zu Liebe und Barmherzigkeit gehört“. „Diese Gerechtigkeit“, so der Prediger, „ist auf Gott und den Menschen anwendbar.“Jesus führe alles auf die Gottes- und die Nächstenliebe zurück. Für heutige Christen bedeute dies, dass man sich für mehr Gerechtigkeit unter den Menschen stark machen solle. Vorrangiges Bestreben eines Christen müsse es sein, die Not der Mitmenschen zu lindern. Mit dem Einsatz für Gerechtigkeit stehe und falle das Christsein. Ein anderes Profil gebe es nicht für ihn, so Schockenhoff.
Was man im Einzelnen gegen Ungerechtigkeiten von Regierungen und Ländern machen könne? Sich gerecht verhalten, in der Familie, bei Freunden, in der Arbeit. Niemanden bevorzugen – egal auf welchem Gebiet und in welchem Job – und sich Initiativen wie „fair trade“oder auch den kirchlichen Organisationen zuwenden. Natürlich seien Einzelentscheidungen immer eine Gewissensfrage.
Die Seligpreisungen der Bergpredigt, so der Theologe, seien in diesem Zusammenhang als Mahnungen oder Warnungen vor Vergnügen, vor übertriebenem Streben nach Ansehen oder Macht zu verstehen – und würden vor falschen Erwartungen warnen. „Wie singen die Toten Hosen so schön“, sagte Schickenhoff, „warum werden wir nicht satt?“Wer immer nach mehr strebe, drohe, die wichtigen Dinge zu verlieren. „Einfachheit, Bescheidenheit und Verlässlichkeit im Täglichen“, so der Freiburger Gelehrte abschließend, „sind die geeignete Gegenstrategie, um das Glück neu zurückzuerhalten.“