Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Ein Stammtisch, der Generationen verbindet
Ravensburger „Waldhorn“ist beim bundesweiten Tag des offenen Denkmals dabei
RAVENSBURG (sz) - Anfang Februar hat die Anmeldephase zum Denkmaltag am 9. September begonnen, der seit 1993 durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz veranstaltet wird. Seit nunmehr 25 Jahren hat sich dieser Tag zu der Veranstaltung schlechthin für den Erhalt des Kulturerbes entwickelt. In Ravensburg ist das „Waldhorn“wieder mit von der Partie.
Unter dem Motto „Entdecken, was uns verbindet“können Besucher auf Spurensuche von überregionalen Einflüssen in Denkmalen gehen. Dabei werden Fragestellungen nach der Herkunft von Handwerkern und Handwerkstechniken, Baumaterialien und Stilelementen verfolgt.
Das Waldhorn hatte im vergangenen Jahr beim Motto „Macht und Pracht“der Öffentlichkeit die Waldhornsäle als Festräume der Stadtgesellschaft geöffnet. „Das große Interesse an dieser Veranstaltung“, so der Initiator Reinhard Bouley, „ist willkommener Anlass, weitere historische Räumlichkeiten im Waldhorn zu präsentieren.“
Wirkungsvoller als mit der denkmalgeschützten Altdeutschen Weinstube von 1880 mit ihrer historischen Ausstattung kann dem diesjährigen Motto kaum Ausdruck verliehen werden. Zu entdecken gibt es die künstlerische Handschrift des gebürtigen Ravensburger Bildhauers Josef Dressel, der auf hohem schöpferischen Niveau den Raum gestaltete. Die klassische Raumfassung weist auf seine akademische Ausbildung an der Münchener Kunstakademie hin. Die ausschmückenden Reliefs und Plastiken mit Themen aus der antiken Mythologie spiegeln Eindrücke seiner mehrjährigen Aufenthalte in Florenz und Rom wider. In einer kleinen Ausstellung wird mit Dokumenten und Werken aus Familienbesitz das Leben und Wirken von Dressel vorgestellt.
Fast 350 Jahre alter Tisch
Für „Was uns verbindet“steht, und das schon seit Generationen, der Waldhorn-Stammtisch. Die im Tischfuß wiederentdeckte Jahreszahl 1675 macht ihn wohl zum ältesten Stammtisch in Ravensburg. Selbst Stadtarchivarin Beate Falk zeigte sich überrascht, dass dieser Tisch nahezu 350 Jahre alle Turbulenzen der Zeit überstanden hat.
In Auftrag gegeben wurde der runde, mächtig ausladende und aus Eichenholz gefertigte Tisch wohl durch den Gastwirt und Hufschmied Friedrich Gösswein, der den damaligen Gasthof zum „Zum Weißen Kopf “von Christoph Schürmer übernahm, einem Corporal im GrafCarl-Moritz-Löwenhaupt'schen Regiment während des 30-jährigen Krieges. Dieser Tisch zum regelmäßigen geselligen Zusammentreffen der Stadtbevölkerung und Gästen, an dem Kartenspiel gespielt und politische oder philosophische Diskussionen geführt wurden, steht im Mittelpunkt des Denkmaltags. Mit Fotoaufnahmen und Eintragungen in den Gästebüchern werden die vergangenen Jahrzehnte wieder lebendig. Berichtet wird von berühmten und illustren Gästen aus allen gesellschaftlichen Bereichen.
Am Tisch saßen schon Bundeskanzlerin Angela Merkel und EUKommissar Günther Oettinger, die Literaturnobelpreisträger Günter Grass und Herta Müller waren ebenso Gäste wie die Sänger Udo Jürgens und Udo Lindenberg. Köstliche Anekdoten werden dabei nicht zu kurz kommen. Noch heute wird über einen stadtbekannten Zahnarzt geschmunzelt, der Vico Torriani angetrunken zur Zahnkorrektur in seine Praxis einlud, oder über René Kollo, der angesäuselt eine Bravourarie unter dem Stammtisch gab.
„Es soll ein launiger und informativer Nachmittag für alle Denkmalinteressierten werden“, so Reinhard Bouley, „mit gutem Wein, schöner Musik und anregender Unterhaltung.“