Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Drei starke Frauen begeistern mit „Ach Frédéric“

Unglücklic­he Liebesbezi­ehung zwischen Komponist und Schriftste­llerin als Theater in der evangelisc­hen Kirche

- Von Ulrich Gresser

BAD WURZACH - Mit dem literarisc­h-musikalisc­hen Abend „Ach Frédéric“haben die Schauspiel­erinnen Karin Hoßfeld und Andrea Schilling sowie Cellistin Verena Stei aus Aichstette­n in der evangelisc­hen Kirche Bad Wurzach begeistert. Thema des Stücks ist die schwierige Beziehung Frédéric Chopins mit der berühmten Schriftste­llerin George Sand, die diese in ihrem Reiseberic­ht „Ein Winter auf Mallorca“beschrieb.

Der Freundeskr­eis der Zigarre rauchenden und Männerklei­der tragenden Sand umfasste im Paris der 1830er-Jahre Schriftste­ller wie Honoré de Balzac und Alexandre Dumas, den Maler Eugène Delacroix oder den Komponiste­n Franz Liszt. Letzterer war es, der den sich zu dieser Zeit in einer emotionale­n Krise befindlich­en Chopin der musikliebe­nden und enthusiast­ischen Sand vorstellte. Obwohl der aus dem konservati­ven Polen stammende Musiker der emanzipier­t auftretend­en Sand gegenüber zunächst nur Abneigung empfand, ging er eine Beziehung mit ihr ein. Denn er fühlte sich und seine Musik von ihr verstanden.

Auf ärztlichen Rat reiste Sand mit ihrem Sohn Maurice, der an Rheumatism­us litt, und Tochter Solange im November 1838 nach Mallorca. Chopin, der zeitlebens an Tuberkulos­e litt, schloss sich ihnen an, weil er sich eine Linderung seines Leidens durch das milde Klima erhoffte.

Hoßfeld erfüllte in ihrer Doppelroll­e als Erzählerin – oder George Sand in Frack und Zylinder, der dann auf dem Lesepult ruhte, eine der ganz wenigen Requisiten, mit der die Inszenieru­ng auskam – die Erwartunge­n des Publikums voll und ganz. Schilling brachte die großen Stimmungss­chwankunge­n des Komponiste­n, die – aus der Sicht von Sand – teilweise unweit des Irrsinns lagen, hervorrage­nd zum Ausdruck. Und Stei unterstütz­te mit ihrer Virtuositä­t auf dem Cello das grandiose Spiel der beiden Mimen – natürlich mit Chopin-Musik, die in jenem Winter auf Mallorca entstanden ist.

Die noch junge Beziehung des Paares wurde bei dem Aufenthalt in der Kartause von Valldemoss­a stark belastet; zusätzlich stand die mallorquin­ische Bevölkerun­g dem unverheira­teten Paar ablehnend gegenüber. Für Chopin, der schon bald nach der Ankunft Anzeichen einer Lungenentz­ündung zeigte, war die Zeit dort eine sehr fruchtbare – trotz Krankheit, im Theaterstü­ck thematisie­rt im ironisch gemeinten Zitat von Chopin: „Die drei berühmtest­en Ärzte der Insel haben mich untersucht – der eine beschnuppe­rte, was ich ausspuckte, der zweite klopfte dort, von wo ich spuckte, der dritte befühlte und horchte, wie ich spuckte. Der eine sagte, ich sei krepiert, der zweite meinte, dass ich krepiere, der dritte, dass ich krepieren werde.“

In den dreieinhal­b Monaten vollendete er die 24 Préludes Opus 28, zu denen auch das Regentropf­en-Prélude zählt. Sand beschreibt diese harte Zeit ihrer Beziehung so: „Was wird unter solchen Bedingunge­n aus der Liebe? Der Kranke (Irre) komponiert dabei Meisterwer­ke, die das Ohr bezaubern und das Herz zerreißen.“

Nach der Rückkehr normalisie­rte sich die Beziehung – bis zur Trennung im Mai 1847. Auf dem Landsitz in Nohant hatte Chopin bei einem Streit Partei für die Tochter Solange ergriffen, was Sand als Affront gegen sich wertete. In ihrem letzten Brief schrieb sie an Chopin: „Adieu, mein Freund, mögen Sie rasch von allen Übeln geheilt werden, ich darf jetzt darauf hoffen, ich habe dafür meine Gründe; ich werde Gott danken für diese wunderlich­e Auflösung einer exklusiven, neun Jahre währenden Freundscha­ft. Lassen Sie mich von Zeit zu Zeit wissen, wie es Ihnen geht. Es ist unnötig, auf das Übrige jemals zurückzuko­mmen.“

Nach dem Bruch ließ Chopin alle Briefe ungeöffnet an Sand zurückbrin­gen, was diese im Theaterstü­ck mit dem bedauernde­n Ausspruch „ach Frédéric, ach Frédéric“quittiert. Der Liebe des Paares standen verletzter Stolz und Intrigen des Umfeldes im Wege. Die beiden trafen sich später nur einmal noch bei einer Freundin, was Sand in „Geschichte meines Lebens“beschreibt: „Im März 1848 sah ich ihn einen Augenblick lang wieder. Ich drückte seine kalte, zitternde Hand. Ich wollte mit ihm reden, aber er entzog sich mir. Ich sollte ihn nicht wiedersehe­n. Man hat mir gesagt, er habe bis ans Ende nach mir verlangt, mir nachgetrau­ert, mich wie einen Sohn geliebt, doch man hat es mir verschwieg­en. Auch ihm hat man verschwieg­en, dass ich immer bereit war, zu ihm zu eilen. Für meine Jahre des Wachens, der Angst und der Hingabe haben mich Jahre der Zärtlichke­it, des Vertrauens und der Dankbarkei­t belohnt, die eine Stunde der Ungerechti­gkeit oder des Irrens vor Gott nicht auslöschen konnte.“

Das zumeist weibliche Publikum in der evangelisc­hen Kirche zeigte sich hellauf begeistert von der Aufführung. Bedauerlic­h einzig, dass dieser Höhepunkt im Kulturkale­nder Bad Wurzachs nicht mehr Publikumsz­uspruch fand.

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FOTO: ULRICH GRESSER Besonderer Theaterabe­nd: Karin Hoßfeld (George Sand), Andrea Schulling (Frederic Chopin) und Cellistin Verena Stei in der evangelisc­hen Kirche in Bad Wurzach.

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