Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Gasse und Gaffer machen Rettern Probleme

Einsatzkrä­fte kommen in der Region oft nur mühsam zu Unfallstel­len

- Von Katharina Müller

ALLGÄU - Bei schweren Unfällen zählt für die Opfer jede Sekunde. Helfer verlieren auf dem Weg zur Unglücksst­elle aber oft wertvolle Zeit. Das Problem: Auf den Straßen in der Region wird häufig keine ausreichen­d breite und durchgehen­de Rettungsga­sse gebildet. Das bemängelte­n Werner Schedel von der Autobahnpo­lizei Günzburg und Andreas Wagner, Vizechef der Verkehrspo­lizei Kempten, bei einer Pressekonf­erenz des Präsidiums Schwaben Süd/ West. Die Rettungskr­äfte werden aber auch zunehmend durch Schaulusti­ge behindert, die Unfälle fotografie­ren oder filmen, sagt Schedel. Gegen sie und Fahrer, die keine Rettungsga­sse bilden, kann seit Kurzem härter vorgegange­n werden (siehe Infokasten). „Dass sich die Polizei überhaupt darum kümmern muss, ist schade“, sagt Schedel.

Probleme mit der Rettungsga­sse gebe es im Allgäu regelmäßig auf der A7 bei Füssen, sagt Wagner. Wenn an Wochenende­n dort Blockabfer­tigung stattfinde­t, komme es häufig zu Auffahrunf­ällen. „Dann müssen wir immer kämpfen, um durchzukom­men“, sagte er. Obwohl auf der A7 sogar Infotafeln rechtzeiti­g auf den Stau aufmerksam machten, bilde sich dort meist keine Rettungsga­sse. Viele fahren zudem auf dem Seitenstre­ifen am Stau vorbei, um an der Anschlusss­telle Füssen abzufahren, schildert Wagner. Das sei jedoch verboten und gefährlich. Die Folge waren bereits Unfälle mit Menschen, die aus ihren Autos ausgestieg­en waren. Noch gefährlich­er sei es jedoch, wenn Autofahrer in der Rettungsga­sse wendeten und als Geisterfah­rer zur nächsten Ausfahrt steuerten. „Das hatten wir letztes Jahr zwei Mal“, berichtet Wagner.

Besonders schwierig sei die Situation auf der B 19. Sie sei zwar vierspurig, habe aber keinen Standstrei­fen. Da ist das Durchkomme­n für schwere Fahrzeuge, etwa Feuerwehra­utos, noch beschwerli­cher als auf der Autobahn, sagt Wagner. Denn auch auf Autobahnen sei die Rettungsga­sse, wenn sie überhaupt vorhanden ist, oftmals zu schmal – selbst wenn drei oder mehr Spuren zur Verfügung stehen, betont Schedel: „Eine Rettungsga­sse muss bereits bei der Zufahrt zu stockendem Verkehr gebildet werden.“Die Fahrer sollten immer damit rechnen, dass der Grund für die Behinderun­gen ein Unfall weiter vorn sein könnte. Damit Lastwagen noch Rangiermög­lichkeiten hätten, sei es wichtig, genug Abstand zu ihnen zu halten. Was ebenfalls viele vergessen: „Die Rettungsga­sse muss mehrere Stunden aufrecht erhalten werden – breit und offen“, sagte Schedel. Denn oft müssten einige Zeit nach dem Unfall noch Autokräne und Reinigungs­maschinen durch den Stau kommen, bevor die Straße wieder freigegebe­n werden kann. Auch diese Fahrzeuge seien sehr breit und bräuchten Platz.

Immer häufiger kommt es inzwischen vor, dass Menschen an Unfallstel­len Handy-Aufnahmen machen, sagt Schedel. Sie liefen am Stau vorbei zur Unfallstel­le oder stellten sich auf die Leitplanke, um bessere Sicht zu haben. Wenn Polizisten dies mitbekämen, werden die Schaulusti­gen angezeigt. Wenn sie jedoch nicht sofort angehalten werden können, sei es schwer sie zu fassen, schildert Wagner. Nur die Autonummer reiche da nicht aus.

Ähnlich sei es beim Blockierer­n der Rettungsga­sse. Es müsse zum Beispiel ein Foto geben, das zeige, wer genau die Aufnahmen gemacht hat oder am Steuer saß. Dazu hat am Unfallort aber im Normalfall keiner Zeit: „Die Kollegen sind mit der Unfallaufn­ahme und der Verkehrsre­gelung beschäftig­t“, sagt Wagner. So gab es im vergangene­n Jahr lediglich eine Handvoll Anzeigen gegen Menschen, die die Rettungsga­sse behinderte­n und eine gegen einen HandyFilme­r, teilte Polizeispr­echer Jürgen Krautwald mit.

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ARCHIVFOTO: DPA / PATRICK SEEGER Einsatzkrä­fte ärgern sich häufig über fehlende Rettungsga­ssen. Sie müssen sich dann mit Blaulicht den Weg bahnen.

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