Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Gasse und Gaffer machen Rettern Probleme
Einsatzkräfte kommen in der Region oft nur mühsam zu Unfallstellen
ALLGÄU - Bei schweren Unfällen zählt für die Opfer jede Sekunde. Helfer verlieren auf dem Weg zur Unglücksstelle aber oft wertvolle Zeit. Das Problem: Auf den Straßen in der Region wird häufig keine ausreichend breite und durchgehende Rettungsgasse gebildet. Das bemängelten Werner Schedel von der Autobahnpolizei Günzburg und Andreas Wagner, Vizechef der Verkehrspolizei Kempten, bei einer Pressekonferenz des Präsidiums Schwaben Süd/ West. Die Rettungskräfte werden aber auch zunehmend durch Schaulustige behindert, die Unfälle fotografieren oder filmen, sagt Schedel. Gegen sie und Fahrer, die keine Rettungsgasse bilden, kann seit Kurzem härter vorgegangen werden (siehe Infokasten). „Dass sich die Polizei überhaupt darum kümmern muss, ist schade“, sagt Schedel.
Probleme mit der Rettungsgasse gebe es im Allgäu regelmäßig auf der A7 bei Füssen, sagt Wagner. Wenn an Wochenenden dort Blockabfertigung stattfindet, komme es häufig zu Auffahrunfällen. „Dann müssen wir immer kämpfen, um durchzukommen“, sagte er. Obwohl auf der A7 sogar Infotafeln rechtzeitig auf den Stau aufmerksam machten, bilde sich dort meist keine Rettungsgasse. Viele fahren zudem auf dem Seitenstreifen am Stau vorbei, um an der Anschlussstelle Füssen abzufahren, schildert Wagner. Das sei jedoch verboten und gefährlich. Die Folge waren bereits Unfälle mit Menschen, die aus ihren Autos ausgestiegen waren. Noch gefährlicher sei es jedoch, wenn Autofahrer in der Rettungsgasse wendeten und als Geisterfahrer zur nächsten Ausfahrt steuerten. „Das hatten wir letztes Jahr zwei Mal“, berichtet Wagner.
Besonders schwierig sei die Situation auf der B 19. Sie sei zwar vierspurig, habe aber keinen Standstreifen. Da ist das Durchkommen für schwere Fahrzeuge, etwa Feuerwehrautos, noch beschwerlicher als auf der Autobahn, sagt Wagner. Denn auch auf Autobahnen sei die Rettungsgasse, wenn sie überhaupt vorhanden ist, oftmals zu schmal – selbst wenn drei oder mehr Spuren zur Verfügung stehen, betont Schedel: „Eine Rettungsgasse muss bereits bei der Zufahrt zu stockendem Verkehr gebildet werden.“Die Fahrer sollten immer damit rechnen, dass der Grund für die Behinderungen ein Unfall weiter vorn sein könnte. Damit Lastwagen noch Rangiermöglichkeiten hätten, sei es wichtig, genug Abstand zu ihnen zu halten. Was ebenfalls viele vergessen: „Die Rettungsgasse muss mehrere Stunden aufrecht erhalten werden – breit und offen“, sagte Schedel. Denn oft müssten einige Zeit nach dem Unfall noch Autokräne und Reinigungsmaschinen durch den Stau kommen, bevor die Straße wieder freigegeben werden kann. Auch diese Fahrzeuge seien sehr breit und bräuchten Platz.
Immer häufiger kommt es inzwischen vor, dass Menschen an Unfallstellen Handy-Aufnahmen machen, sagt Schedel. Sie liefen am Stau vorbei zur Unfallstelle oder stellten sich auf die Leitplanke, um bessere Sicht zu haben. Wenn Polizisten dies mitbekämen, werden die Schaulustigen angezeigt. Wenn sie jedoch nicht sofort angehalten werden können, sei es schwer sie zu fassen, schildert Wagner. Nur die Autonummer reiche da nicht aus.
Ähnlich sei es beim Blockierern der Rettungsgasse. Es müsse zum Beispiel ein Foto geben, das zeige, wer genau die Aufnahmen gemacht hat oder am Steuer saß. Dazu hat am Unfallort aber im Normalfall keiner Zeit: „Die Kollegen sind mit der Unfallaufnahme und der Verkehrsregelung beschäftigt“, sagt Wagner. So gab es im vergangenen Jahr lediglich eine Handvoll Anzeigen gegen Menschen, die die Rettungsgasse behinderten und eine gegen einen HandyFilmer, teilte Polizeisprecher Jürgen Krautwald mit.