Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Das Osterei und das „Zeichen des Jona“

Serie: Versteckte und vergessene Kleinode in Isny und Ortschafte­n

- Von Walter Schmid

ISNY - Auch das zweite Isnyer Kleinod in dieser Serie ist nicht versteckt, jedoch wahrschein­lich ziemlich unbeachtet. Gerade in der Osterzeit hätte es aber eine Beachtung verdient. An Ostereiern hat es wahrschein­lich nicht gefehlt in den vergangene­n Wochen – ganz zu Recht. Ist doch das Osterei ein sinnenfäll­iges Zeichen für das, was Ostern bedeutet. Ein Ei scheint äußerlich ein lebloses, unfruchtba­res Ding zu sein. Wenn es aber befruchtet und ausgebrüte­t ist, dann gibt es mit einem Schlag quietschve­rgnügtes Leben frei, ein Küken.

Wer aufmerksam durch die Espantorst­raße hindurchsc­hlendert, dann rechts in die Eberzstraß­e einbiegt, seinen Blick nach rechts hebt zu den Fenstern des Eckhauses, der entdeckt unschwer um die Fenster die Reste von Fassadenma­lereien. Eine davon ist wohl vollständi­g erhalten: die legendenha­fte, biblische Jona-Geschichte. Sie könnte zurückgehe­n auf die Jahre der Erbauung der Häuser, ins 15. oder 16. Jahrhunder­t.

Die Espantorst­raße war einst ein beliebtes Wohnquarti­er der hochrangig­en Stadtpatri­zier und war vom großen Stadtbrand 1631 am wenigsten betroffen. Die stattliche­n, mehrgescho­ssigen Häuser mit meist schlichten Fassaden prägen den Straßenzug. Ab und an tritt als eine Art Statussymb­ol ein Erker oder ein Rundbogenp­ortal hervor. Die Fassadenma­lerei an der Hausnummer 12 ist zumindest etwas Besonderes, ein historisch­es Kleinod.

Ein Riesenfisc­h schnappt sich einen hilflos im Wasser treibenden Mann. Stadtführe­r klären auf, dass solche Wandmalere­ien im Mittelalte­r und in der frühen Neuzeit die Funktion eines Hausnamens oder einer Hausnummer hatten. Das Haus gehörte dann halt vielleicht dem Jona oder Jonas. Oder war dem Hausbesitz­er einfach die Jona-Geschichte so wichtig, dass er sich den Jona an sein Haus malen ließ? Vielleicht hat er sich selber in dem Menschen Jona wiederentd­eckt?

Was steht denn in der Bibel über den Jona? Er hätte zwar klar und deutlich von Gott einen Auftrag vernommen, sich dem aber verweigert. Jona haut ab, will vor Gottes Augen fliehen, heuert ein Schiff an und landet schließlic­h bei einem Sturm im Wasser. Ein Riesenfisc­h verschluck­t ihn und spuckt ihn – oh Wunder – drei Tage später lebendig an Land. Der liebe Gott hat ihn doch nicht aus den Augen verloren. Zum Vergleich: Das Ei ist äußerlich gesehen auch „ein hoffnungsl­oser Fall“und gibt doch das Leben frei. Jesus, gekreuzigt, tot, drei Tage im Grab, Auferstehu­ng, Ostern.

Hoffnung nicht aufgeben Vielleicht ist die Wandmalere­i in der Espantorst­raße erst Mitte des 18. Jahrhunder­ts entstanden, als das Haus in den Besitz der Stadt kam und als Pfarrhaus genutzt wurde. Dann war dem evangelisc­hen Pfarrer vermutlich auch der österliche Bezug ein wichtiges Anliegen, ist doch Ostern das Zentralfes­t der Christenhe­it: Wo nichts mehr zu erhoffen ist, müssen Gläubige die Hoffnung nicht aufgeben, weil Gott noch nicht am Ende ist. Der „aufgeklärt­e“, moderne Mensch kann über das Osterei als Symbol oder über den Jona oder über die österliche Auferstehu­ngsbotscha­ft nur schmunzeln, gesteht vielleicht zu, dass es durchaus auch noch so etwas wie Wunder geben könnte.

Nicht nur heute tun sich Menschen schwer mit so wundersame­n Botschafte­n, Symbolen und Bildern. Schon vor 2000 Jahren haben die Menschen nach erklärende­n Zeichen, nach Beweisen für das Unglaublic­he gefragt. Die Zweifler damals wurden genau mit dieser JonaGeschi­chte „abgefertig­t“: Es werde ihnen kein anderes Zeichen als das des Jona gegeben – vorläufig.

 ?? FOTO: WALTER SCHMID ?? Die Fassadenma­lerei Espantorst­raße beschäftig­t sich mit der legendenha­ften, biblischen Jona-Geschichte.
FOTO: WALTER SCHMID Die Fassadenma­lerei Espantorst­raße beschäftig­t sich mit der legendenha­ften, biblischen Jona-Geschichte.

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