Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Das Osterei und das „Zeichen des Jona“
Serie: Versteckte und vergessene Kleinode in Isny und Ortschaften
ISNY - Auch das zweite Isnyer Kleinod in dieser Serie ist nicht versteckt, jedoch wahrscheinlich ziemlich unbeachtet. Gerade in der Osterzeit hätte es aber eine Beachtung verdient. An Ostereiern hat es wahrscheinlich nicht gefehlt in den vergangenen Wochen – ganz zu Recht. Ist doch das Osterei ein sinnenfälliges Zeichen für das, was Ostern bedeutet. Ein Ei scheint äußerlich ein lebloses, unfruchtbares Ding zu sein. Wenn es aber befruchtet und ausgebrütet ist, dann gibt es mit einem Schlag quietschvergnügtes Leben frei, ein Küken.
Wer aufmerksam durch die Espantorstraße hindurchschlendert, dann rechts in die Eberzstraße einbiegt, seinen Blick nach rechts hebt zu den Fenstern des Eckhauses, der entdeckt unschwer um die Fenster die Reste von Fassadenmalereien. Eine davon ist wohl vollständig erhalten: die legendenhafte, biblische Jona-Geschichte. Sie könnte zurückgehen auf die Jahre der Erbauung der Häuser, ins 15. oder 16. Jahrhundert.
Die Espantorstraße war einst ein beliebtes Wohnquartier der hochrangigen Stadtpatrizier und war vom großen Stadtbrand 1631 am wenigsten betroffen. Die stattlichen, mehrgeschossigen Häuser mit meist schlichten Fassaden prägen den Straßenzug. Ab und an tritt als eine Art Statussymbol ein Erker oder ein Rundbogenportal hervor. Die Fassadenmalerei an der Hausnummer 12 ist zumindest etwas Besonderes, ein historisches Kleinod.
Ein Riesenfisch schnappt sich einen hilflos im Wasser treibenden Mann. Stadtführer klären auf, dass solche Wandmalereien im Mittelalter und in der frühen Neuzeit die Funktion eines Hausnamens oder einer Hausnummer hatten. Das Haus gehörte dann halt vielleicht dem Jona oder Jonas. Oder war dem Hausbesitzer einfach die Jona-Geschichte so wichtig, dass er sich den Jona an sein Haus malen ließ? Vielleicht hat er sich selber in dem Menschen Jona wiederentdeckt?
Was steht denn in der Bibel über den Jona? Er hätte zwar klar und deutlich von Gott einen Auftrag vernommen, sich dem aber verweigert. Jona haut ab, will vor Gottes Augen fliehen, heuert ein Schiff an und landet schließlich bei einem Sturm im Wasser. Ein Riesenfisch verschluckt ihn und spuckt ihn – oh Wunder – drei Tage später lebendig an Land. Der liebe Gott hat ihn doch nicht aus den Augen verloren. Zum Vergleich: Das Ei ist äußerlich gesehen auch „ein hoffnungsloser Fall“und gibt doch das Leben frei. Jesus, gekreuzigt, tot, drei Tage im Grab, Auferstehung, Ostern.
Hoffnung nicht aufgeben Vielleicht ist die Wandmalerei in der Espantorstraße erst Mitte des 18. Jahrhunderts entstanden, als das Haus in den Besitz der Stadt kam und als Pfarrhaus genutzt wurde. Dann war dem evangelischen Pfarrer vermutlich auch der österliche Bezug ein wichtiges Anliegen, ist doch Ostern das Zentralfest der Christenheit: Wo nichts mehr zu erhoffen ist, müssen Gläubige die Hoffnung nicht aufgeben, weil Gott noch nicht am Ende ist. Der „aufgeklärte“, moderne Mensch kann über das Osterei als Symbol oder über den Jona oder über die österliche Auferstehungsbotschaft nur schmunzeln, gesteht vielleicht zu, dass es durchaus auch noch so etwas wie Wunder geben könnte.
Nicht nur heute tun sich Menschen schwer mit so wundersamen Botschaften, Symbolen und Bildern. Schon vor 2000 Jahren haben die Menschen nach erklärenden Zeichen, nach Beweisen für das Unglaubliche gefragt. Die Zweifler damals wurden genau mit dieser JonaGeschichte „abgefertigt“: Es werde ihnen kein anderes Zeichen als das des Jona gegeben – vorläufig.