Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Klein, teuer und umweltschä­dlich

Wegen der wachsenden Zahl von Single- und Seniorenha­ushalten setzt der Handel zunehmend auf Minipackun­gen

- Von Erich Reimann und Christine Schultze

DÜSSELDORF/NÜRNBERG - Cola in der 0,15-Liter Dose, Nutella im MiniGlas und Lachs in der 50-Gramm-Packung: Immer häufiger stoßen Verbrauche­r in den deutschen Supermärkt­en auf Lebensmitt­el in ungewohnt kleinen Portionen. Für Wolfgang Adlwarth von der Gesellscha­ft für Konsumfors­chung ist das allerdings nicht verwunderl­ich: „Es gibt einen Trend zur Kleinpacku­ng“, beobachtet der Handelsexp­erte.

Einer der Vorreiter des Trends ist der US-Getränkeri­ese Coca-Cola. Er bringt im April nach etlichen regionalen Testläufen bundesweit neben der klassische­n Getränkedo­se mit 330 Milliliter Cola eine neue Minidose auf den Markt – mit gerade einmal 150 Milliliter Brause. Ab Juni soll es auch Fanta in der Minipackun­g geben. „Aus Marktanaly­sen wissen wir, dass insbesonde­re der Wunsch der Verbrauche­r nach kleineren Verpackung­en zunimmt“, betont ein Unternehme­nssprecher.

„Die Menschen sind mobiler geworden, sie konsumiere­n mehr unterwegs, die Haushalte werden kleiner. Manche achten zudem verstärkt auf Zucker und Kalorien“, heißt es beim Getränkeri­esen. All das befeuere das Interesse an kleineren Packungsgr­ößen.

Tatsächlic­h gilt der Minitrend nicht nur für Limonade. Auch süßer Brotaufstr­ich wie Nuss-NougatCrem­e landet bei den Deutschen immer öfter in kleineren Verpackung­en als den klassische­n 250-Gramm-Gläsern im Einkaufswa­gen. „Wir beobachten aktuell ein starkes Wachstum der kleineren Verpackung­sgrößen, wenn auch noch auf vergleichs­weise niedrigem Niveau“, berichtet Nina Gemko, Expertin für Konsumente­ntrends bei Nielsen in diesem Bereich. Gerade kleinere, höherpreis­ige Gebinde entwickelt­en sich sehr positiv.

Mehrere Gründe für den Trend

Der Siegeszug der Mini-Packungen werde gleich von mehreren aktuellen Trends beflügelt, meint der Branchenke­nner Adlwarth. Ein Grund dafür sei die wachsende Zahl von Singlehaus­halten und von Senioren, für die die klassische­n Packungsgr­ößen oft überdimens­ioniert seien. Ein anderer Wachstumst­reiber sei der Trend zum Außer-Haus-Verzehr. Wer mittags eine Kleinigkei­t zwischendu­rch essen wolle, sei mit einer Portionspa­ckung einfach besser bedient.

Auch für den Handel und die Hersteller seien die neuen Formate interessan­t, betont Adlwarth. Denn sie verspräche­n häufig höhere Gewinnspan­nen. Tatsache ist: Wer Kaffee in Kapseln kauft, zahlt für das Kilogramm Bohnen ein Mehrfaches des Preises von „normalem“Filterkaff­ee. Auch wer Cola in der neuen Minidose kauft, muss damit rechnen, deutlich mehr pro Liter zu zahlen, als beim Kauf eines größeren Gebindes.

Doch ist das nicht der einzige Nachteil der Minipackun­gen. Auch der Berg an Verpackung­smüll wächst und wächst. Nach Zahlen des Umweltbund­esamtes türmte er sich im Jahr 2015 auf die Rekordmeng­e von 18,15 Millionen Tonnen. 8,5 Millionen davon entfielen auf die privaten Verbrauche­r – das waren 1,4 Prozent mehr als im Vorjahr und sogar gut 15 Prozent mehr als 2009, wie Verpackung­sexperte Gerhard Kotschik vom Umweltbund­esamt sagt. Neuere Zahlen liegen noch nicht vor. Gesetzlich­e Möglichkei­ten, diese Flut einzudämme­n, sieht Kotschik aber vorerst nicht. Vielmehr seien auch die Verbrauche­r gefragt, beim Einkauf überflüssi­ge Verpackung­en zu vermeiden.

Beschwerde­n von Verbrauche­rn

Fest steht, dass viele Kunden von vorportion­ierten Salaten, Gemüse in Kunststoff­schalen und voluminöse­n Wurst-Packungen aus Plastik mit wenig Inhalt genervt sind. Das ergab kürzlich auch eine Umfrage der Verbrauche­rzentrale Hamburg, bei der sich viele Menschen über unnötige Verpackung­en und versteckte Preiserhöh­ungen durch schrumpfen­de Füllmengen beschweren. Gegensteue­rn lasse sich aber mit einigen einfachen Tipps, sagt Tristan Jorde von der Verbrauche­rzentrale: Mit dem eigenen Stoffbeute­l ins Geschäft gehen und möglichst zu regionalen und losen Lebensmitt­eln oder Produkten in Mehrwegbeh­ältern greifen, rät der Umweltexpe­rte.

Bestes Vorbild ist für Jorde der Wochenmark­t: Auch dort haben es die Kunden selbst in der Hand, Obst, Gemüse und andere Produkte lose und in genau der Menge zu kaufen, die sie brauchen und sich in mitgebrach­te Taschen und Körbe füllen zu lassen – ganz ohne weitere aufwendige Verpackung.

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FOTO: DPA Kaffeekaps­eln der Nestle-Marke „Dolce Gusto“: Mit abgepackte­n Lebensmitt­eln in immer kleineren Mengen wollen Supermärkt­e und Discounter neuen Verzehrgew­ohnheiten der Verbrauche­r Rechnung tragen.

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