Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Spahn erntet Kritik und Spott

Bundesgesu­ndheitsmin­ister fordert mehr „Recht und Ordnung“

- Von Andreas Herholz und dpa

BERLIN - Jens Spahn schlägt Alarm. Der Bundesgesu­ndheitsmin­ister und CDU-Präsidiums­mann klagt über mangelnde Sicherheit und fehlende Entschloss­enheit der Behörden im Kampf gegen Kriminalit­ät und Gewalt und für den Schutz der Bürgerinne­n und Bürger. Aufgabe des Staates sei es, für Recht und Ordnung zu sorgen. Dies sei jedoch kaum noch der Fall.

Die Handlungsf­ähigkeit des Staates sei in den vergangene­n Jahren „oft nicht ausreichen­d gegeben“gewesen, kritisiert der CDU-Politiker und Merkel-Rivale in einem Interview. Wenn jeder Steuerbesc­heid pünktlich beim Bürger ankomme, aber Behörden gegenüber Drogendeal­ern ohnmächtig erscheinen würden und die Polizei in manchen Stadtteile­n wie in Arbeitervi­erteln in Essen, Duisburg oder Berlin kapitulier­e, gehe massiv Vertrauen verloren. „Da entsteht der Eindruck, dass der Staat nicht mehr willens oder in der Lage sei, Recht durchzuset­zen“, erklärte Spahn.

Die Reaktionen auf Spahns Vorstoß sind sehr unterschie­dlich: Auf der einen Seite gibt es Zustimmung, auf der anderen Seite erntet der Minister sehr viel Hohn und Spott. Spahn sorge sich um Recht und Ordnung, schrieb der FDP-Chef Christian Lindner auf Twitter. „Ich sorge mich um seine Erinnerung“, erklärte er. Schließlic­h stelle die Union seit 2005 den Bundesinne­nminister.

Duisburgs OB verärgert

Verärgert über Spahn zeigte sich Duisburgs Oberbürger­meister Sören Link (SPD). Er warf Spahn „Pauschalur­teile“vor, die von „Ahnungslos­igkeit“zeugten. Auch würdige der Minister die Arbeit von vielen Menschen vor Ort herab, sagte Link laut einer Mitteilung. „Ich finde, es ist unverschäm­t und unwahr, der Polizei zu unterstell­en, in bestimmte Viertel nicht mehr zu gehen. Das Gegenteil ist der Fall“, erklärte Link.

Kritik am Gesundheit­sminister kommt auch von den Grünen: „Man sollte dem Jens Spahn endlich eine Aufgabe geben, bei der es richtig viel zu tun gibt für die Bürgerinne­n und Bürger des Landes: Minister für Gesundheit und Pflege zum Beispiel – macht gerade keiner“, stichelte Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt.

Grünen-Chefin Annalena Baerbock sagte, Spahns Äußerungen zeigten, „wie unernst der angeblich neue proeuropäi­sche Kurs der Bundesregi­erung gemeint war“. Der CDU-Politiker hatte auch Ungarns rechtsnati­onalen Ministerpr­äsidenten Viktor Orban für den Schutz der europäisch­en Außengrenz­en gelobt. Orban bange um seine Macht, sagte Baerbock, „und sofort ist Rechtsausl­eger Jens Spahn zur Stelle und leistet Wahlkampfh­ilfe. Dabei tritt Orban in Ungarn europäisch­e Grundrecht­e mit den Füßen.“Niedersach­sens Innenminis­ter Boris Pistorius (SPD) warf Spahn vor, er und andere Unionspoli­tiker redeten „permanent unseren Staat schlecht“, dabei sei die Kriminalit­ätsbelastu­ng deutschlan­dweit gesunken, die Polizei und die Verwaltung leisteten ihre Arbeit. Auch Pistorius wies darauf hin, dass die Union seit 13 Jahren den Bundesinne­nminister stellt.

Zustimmung bekommt Spahn dagegen aus den eigenen Reihen: Vor allem in SPD-geführten Ländern gebe es „erhebliche­n Nachholbed­arf“bei der Polizei, erklärte Unionsfrak­tionsvize Stephan Harbarth. „So ist etwa in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz die Polizeidic­hte ganz besonders gering“, sagte der Unions-Fraktionsv­ize. „Es darf in Deutschlan­d keine Zonen unterschie­dlicher Sicherheit geben.“Der Koalitions­vertrag nehme deshalb mit dem Pakt für den Rechtsstaa­t und dem Musterpoli­zeigesetz nun auch die Länder in die Pflicht. Harbarth konterte die Äußerungen von Pistorius. Er „sollte nicht von seiner Verantwort­ung ablenken“. Polizei sei zunächst Ländersach­e und die Kritik an einzelnen Bundesländ­ern berechtigt.

Dobrindt: „Propaganda­höhlen“

Auch CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt stellte sich hinter Spahn. „In manchen Bundesländ­ern kann man den Eindruck bekommen, dass linke Chaoten eher geschützt als bestraft werden“, sagte Dobrindt der „Bild“-Zeitung. „Beispiele von linken Propaganda­höhlen wie die Rote Flora in Hamburg oder die Rigaer Straße in Berlin lassen die Bürger am Rechtsstaa­t zweifeln. Wenn dann auch die Polizei in manchen Bundesländ­ern nur mangelnden politische­n Rückhalt genießt, gibt der Staat einen Hebel zur Rechtsdurc­hsetzung aus der Hand“, kritisiert­e Dobrindt.

 ?? FOTO: DPA ?? Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) vermisst die Handlungsf­ähigkeit des Staates.
FOTO: DPA Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) vermisst die Handlungsf­ähigkeit des Staates.

Newspapers in German

Newspapers from Germany