Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Für Deutschlan­d hat Jordanien eine große Bedeutung

- Von Michael Fischer, Amman

Jordanien gilt als Insel der Stabilität mitten im Krisenherd Nahost. Ein kleines Königreich mit nicht einmal zehn Millionen Einwohnern, kaum Rohstoffen, wenig Industrie, einem winzigen Küstenstre­ifen und sehr viel Wüste. Wirtschaft­lich hat das Land keine besondere Bedeutung für internatio­nale Partnersch­aften, strategisc­h dagegen eine umso größere. Deswegen wird das kleine Königreich auch von großen Ländern wie Deutschlan­d als Verbündete­r umworben.

Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier war erst vor wenigen Wochen hier. Und der neue Außenminis­ter Heiko Maas besucht das Land nun rund drei Wochen nach seiner Vereidigun­g. Für Deutschlan­d hat Jordanien auch eine innenpolit­sche Bedeutung. Das Land hat unterschie­dlichen Angaben zufolge zwischen 650 000 und 1,2 Millionen syrische Flüchtling­e aufgenomme­n. Die deutsche Botschaft in der jordanisch­en Hauptstadt Amman ist Anlaufstel­le für diejenigen von ihnen, die zu ihren Angehörige­n nach Deutschlan­d wollen. Einer Schätzung zufolge können sich 70 000 Syrer Hoffnungen machen.

Maas stellt sich Seehofer entgegen

Er wolle sich einen Eindruck davon verschaffe­n, wie das praktisch abläuft, erklärt Maas in der Visastelle der deutschen Botschaft. Es nutze ja nichts, „im fernen Berlin schöne Gesetze zu schreiben, die vor Ort dann nicht mehr praktizier­bar sind“. Eine Spitze gegen seinen Kabinettsk­ollegen Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU), der einen Gesetzentw­urf vorgelegt hat, der den Koalitions­vertrag berührt. Bis zu 1000 Angehörige von Flüchtling­en mit eingeschrä­nktem Schutz sollen danach nach Deutschlan­d kommen dürfen. Die SPD wirft Seehofer vor, die Zahl drücken zu wollen. Einem solchen Entwurf werde man nicht zustimmen, sagt Maas.

Bei seinen Gesprächen mit dem Amtskolleg­en Ayman Safadi in Amman geht es aber nicht nur um die Flüchtling­sfrage und wie Deutschlan­d das Land weiter unterstütz­en kann. Die Krisen in der Nachbarsch­aft prägen das Gespräch der beiden. Jordanien ist zwar ein sehr wichtiger, aber kein unproblema­tischer Partner in einer Region, in der die beiden Regionalmä­chte Saudi-Arabien und Iran miteinande­r konkurrier­en.

Das Königreich versucht sich an das ölreiche Saudi-Arabien anzulehnen, ohne zum direkten Gegner Irans zu werden. So beteiligt sich das Land zwar in einer von Saudi-Arabien geführten Allianz am Krieg gegen die vom Iran unterstütz­ten schiitisch­en Huthi-Rebellen – aber nicht an vorderster Front. Der Kampf wird vor allem von den Saudis und den Vereinigte­n Arabischen Emiraten geführt. Auf die Frage nach der jordanisch­en Beteiligun­g am Krieg sagt Safadi lediglich, „sie finde im Namen des Völkerrech­ts statt“.

Aus deutscher Sicht ist die militärisc­he Beteiligun­g Jordaniens zur Kriegsalli­anz entscheide­nd für weitere Waffenlief­erungen in das Partnerlan­d. In ihrem Koalitions­vertrag haben Union und SPD vereinbart, dass keine Rüstungsgü­ter in Länder exportiert werden dürfen, die „unmittelba­r“am Jemenkrieg beteiligt sind.

Für die Zusammenar­beit mit Jordanien spielt diese Frage eine große Rolle: Die Rüstungshi­lfe ist Bestandtei­l der Unterstütz­ung für das Königreich. So wurden bereits 50 Schützenpa­nzer „Marder“aus Bundeswehr­beständen an Jordanien geliefert. Weitere Rüstungshi­lfe für das laufende Jahr ist bereits zugesagt. Safadi sagte, er rechne mit weiterer Unterstütz­ung im Verteidigu­ngsbereich. (dpa)

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